Infineon: Chip-Engpass in der Autoindustrie hält noch länger an
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Auf keinen Fall mehr im ersten Halbjahr und eventuell erst Ende 2021 sei mit adäquatem Bedienen der Chipnachfrage seitens Autobauern und ihrer Kfz-Zulieferer zu rechnen, warnt Infineon.
© Quelle: Matthias Balk/dpa
München. Der Münchner Chipkonzern Infineon ist weltgrößter Hersteller von Halbleitern für die Autoindustrie. Deshalb darf man davon ausgehen, dass es stimmt, wenn die Bayern jetzt einen noch längeren Engpass bei der Chipversorgung vorhersagen. Auf keinen Fall mehr im ersten Halbjahr und eventuell erst Ende 2021 sei mit adäquatem Bedienen der Chipnachfrage seitens Autobauern und ihrer Kfz-Zulieferer zu rechnen, warnen die Bayern.
Betroffen seien vor allem Mikrocontroller, bei denen neue Bestellungen eine Vorlaufzeit von bis zu sechs Monaten hätten, stellte Konzernchef Reinhard Ploss klar. „Viele unserer Kunden unterschätzen die Komplexität der Lieferketten“, erklärte er. Das geht vor allem an die Adresse der Autoindustrie.
Autoindustrie nur sehr kleiner Abnehmer – keine Priorität
Dazu komme, dass die Chipnachfrage global und zeitgleich in vielen Abnehmerbranchen explodiert sei, erklärt Ploss die Misere seiner Kunden. So seien Fitnessgeräte für daheim, Spielekonsolen oder Haushaltsgeräte in der Pandemie gefragt wie nie. Sie alle brauchen Chips.
Die Autobranche ist ein im Vergleich relativ kleiner Abnehmer. Acht Prozent aller Halbleiter, die weltweit produziert werden, wandern in Autos. Das entspricht der Abnahmemenge des US-Technologieriesen Apple allein. Hersteller von mobilen Kommunikationsgeräten fragen insgesamt fast die vierfache Menge an Chips verglichen mit der Autoindustrie nach. So gesehen hat die Autoindustrie für Chipfertiger keine Priorität.
Etwa 600.000 Autos können nicht produziert werden
„Wir hoffen, dass es sich im Sommer normalisiert“, sagt Ploss zu den Engpässen. Es könne aber auch länger dauern, räumt er ein und empfiehlt Autobauern ein neues Lagermanagement, um Situationen wie jetzt künftig zu vermeiden. Autobauer und Kfz-Zulieferer könnten sich bei Chipproduzenten nach Vorbild anderer Abnehmerbranchen Kapazitäten reservieren und Vorauszahlungen dafür leisten. Dieser Instrumente bediene sich die Autobranche bislang nicht.
Betroffen von Engpässen bei Chips ist nach Beobachtung von Ploss an erster Stelle die deutsche und europäische Autoindustrie. Bei VW und Daimler ist bekannt, dass manches Auto deshalb nicht gebaut werden kann. Weltweit schätzen Experten, dass durch Chipengpässe 600.000 Autos allein im ersten Quartal 2021 nicht vom Band rollen können.
Neue EU-Fabriken erhöhen ihre Kapazitäten
„Wir reden mit der Autoindustrie, um die Resilienz zu erhöhen“, sagt Ploss. Zugleich werde Infineon den Anlauf einer neuen Chipfabrik im österreichischen Villach um gut ein Quartal auf Herbst 2021 vorziehen. Auch in der Dresdner Chipfabrik erhöhe Infineon gerade die Kapazitäten. „Eigene Fertigung hat ihre Vorteile“, meint der Infineon-Chef mit Blick auf Konkurrenten mit weit höherer Auftragsfertigung als Infineon. Deshalb könne man selbst nun relativ schnell von Nachfrageflaute auf Boom umschalten. Aber auch Infineon könne derzeit nicht alle Aufträge befriedigen.
Entstehung neuer Chip-Fabrik dauert zwei Jahre
Industriepolitisch empfiehlt Ploss verstärkte Chipproduktion in Deutschland und Europa. „Heute haben wir eine extreme Abhängigkeit von Fertigern in Taiwan und auch Südkorea“, stellt er klar. Europa brauche aber in diesem Schlüsselbereich Technologieautonomie. Das zeige auch der Handelsstreit zwischen den USA und China, der in China verfügbare Chipproduktionskapazitäten wegbrechen lasse. Schnell und billig komme eine solche Autonomie bei der Chipfertigung aber nicht, warnt Ploss. Bis eine neue Fabrik steht und liefert, dauere es zwei Jahre. Nennenswerte Kapazitäten würden viele Milliarden kosten.