Erstmals seit zwölf Jahren: Wohnimmobilienpreise in Deutschland gesunken
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Dicht an dicht stehen neu gebaute Wohnhäuser im Zentrum Berlins.
© Quelle: Monika Skolimowska/dpa
Berlin. Auf dem Immobilienmarkt mehren sich die Anzeichen für eine Trendwende. Erstmals seit 2010 sind die Preise für Wohnimmobilien leicht gesunken, wie aus einem Preisindex des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hervorgeht. Demnach sind die Immobilienpreise im dritten Quartal – von Juli bis September 2022 – im Vergleich zum Vorquartal um 0,7 Prozent leicht gefallen.
Das ist zwar kein großer Sprung, dennoch ist er bemerkenswert: Es wäre der erste Rückgang seit zwölf Jahren. Branchenfachleute vermuten schon länger, dass die Preise für Häuser und Wohnungen tendenziell sinken. Konkrete Zahlen hatte es dafür allerdings noch nicht gegeben. Auch die offiziellen Daten des Statistischen Bundesamts stehen für das dritte Quartal noch aus.
Trend auch in den Metropolen bemerkbar
„Der jahrelange Aufwärtstrend bei Wohnimmobilienpreisen ist zu Ende“, sagte VDP-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Die vielen Belastungsfaktoren für die Volkswirtschaft und somit auch für den Immobilienmarkt – gestiegene Zinsen etwa und teureres Material – würden sich sukzessive im Immobilenpreisindex niederschlagen. Während sich selbstgenutztes Wohneigentum noch leicht verteuert habe, hätten die Preise für Mehrfamilienhäuser um fast 2 Prozent nachgegeben. Der Index des Verbands, in dem die wichtigsten deutschen Immobilienfinanzierer vereint sind, beruht auf Transaktionsdaten von mehr als 700 Banken.
Die Entwicklung spiegelt sich demnach auch in den „Big Seven“, den sieben größten Städten Deutschlands, wieder. Dort sanken die Preise für Wohnimmobilien im Vergleich zum Vorquartal um insgesamt 0,7 Prozent. Während sie in Berlin noch weitgehend stabil (minus 0,1 Prozent) blieben, fielen sie in den anderen Städten um zwischen 0,6 Prozent (Köln) und 1,5 Prozent (München).
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Wohlgemerkt handelt es sich hierbei um Zahlen im Vergleich zum Vorquartal – also April bis Juni 2022. Gegenüber dem dritten Quartal 2021 verteuerten sich Wohnimmobilien insgesamt jedoch weiter um 6,1 Prozent. Im zweiten Quartal hatte der Verband noch ein Plus von 10,7 Prozent im Jahresvergleich festgestellt. Für das Gesamtjahr rechnen die Fachleute mit „moderaten Preisrückgängen“. Der Markt für Wohnimmobilien habe sich in Krisen stets als robust erwiesen. Preiseinbrüche seien nicht zu erwarten.
IG Bau: Noch viele Bauaufträge in der Branche
„Die Zahlen der Pfandbriefbanken zeigen jetzt schwarz auf weiß, was sich schon länger abgezeichnet hat: das Sinken der Immobilienpreise“, sagt Harald Schaum, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). „Davor kann man die Augen nicht verschließen, das ist nun mal die aktuelle wirtschaftliche Lage. Die Menschen haben einfach nicht mehr so viel Geld, um teure Immobilien zu kaufen. Derzeit steigen auch noch die Kreditzinsen, was eher noch die Kaufzurückhaltung verstärkt“, so Schaum gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Er verweist jedoch auch darauf, dass die Bauunternehmen noch viel mit Auftragsbeständen zu tun hätten – und Aufgaben gebe es genügend: „Der Bau von Sozialwohnungen und bezahlbarem Wohnraum, die Erneuerung der maroden Infrastruktur und natürlich auch die klimatische Ertüchtigung von Altbauten“, sagt er. „Insofern wird es auch weiterhin noch genügend Bauaufträge geben, nach wie vor werden in der Branche Fachkräfte dringend gesucht.“
Was heißt das für Mieterinnen und Mieter?
Alexander Surminski, Geschäftsführer des Immobilen-Start-ups Immocation, verweist auf die gestiegenen Bauzinsen und darauf, dass in vielen Verhandlungen jetzt etwas passiere, was der Markt seit mehr als zehn Jahren nicht mehr erlebt habe: „Immobilienpreise können nach Jahren der ungebremsten Preisanstiege wieder verhandelt werden“, sagt er. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um vermeintlich unattraktive B- und C-Lagen oder exklusive Standorte in den Topmetropolen handele.
Die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt birgt allerdings auch schlechte Nachrichten für Mieterinnen und Mieter. Denn laut der VDP-Analyse gehen die Preise bei Neuvertragsmieten aufwärts: Sie stiegen im Vergleich zum zweiten Quartal 2022 um 1,6 Prozent. Eine hohe Nachfrage nach Mietwohnungen stoße auf einen Mangel bezahlbarer Objekte, denn der Neubau schrumpfe und aus der Ukraine kämen viele Geflüchtete nach Deutschland. „Hinzu kommt als Nachfrager die Gruppe derjenigen, die eigentlich kaufinteressiert sind, für die der Traum vom Eigenheim aufgrund der Inflation und der Zinsanstiege aber vorerst zwangsweise unerfüllt bleibt“, sagt Tolckmitt. Konkret heißt das: Wer vorher vielleicht ein Haus kaufen wollte und jetzt doch eher zögert, drängt wieder auf den Mietmarkt. Auch Surminski prognostiziert, dass immer mehr potenzielle Mieter um eine begrenzte Zahl an Bestand konkurrieren werden.
Mit dpa