Untenehmen in der Gaskrise: „Das Ausbleiben von Rohstoffen ist kein versicherbares Ereignis“
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Mecklenburg-Vorpommern, Lubmin: Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1.
© Quelle: Jens Büttner/dpa
München. Wenn Russland den Gashahn zudreht und dieser Energieträger rationiert werden muss, wird so manches Unternehmen in Deutschland nicht mehr produzieren können. Auf den ersten Blick ist das ein Fall für Versicherungen gegen Betriebsunterbrechung (BU).
Aber diese Hoffnung kassiert Thomas Sepp ohne Wenn und Aber ein. „Das Ausbleiben von Rohstoffen ist kein versicherbares Ereignis“, stellt der Schadensvorstand der Allianz-Industrieversicherungstochter AGCS klar. Ein BU-Versicherungsfall bedinge zwingend vorangegangene Feuer-, Wasser- oder Sturmschäden.
Auch sonst hat der Manager für seine Industriekunden einige Nachrichten, die in Chefetagen für größeres Stirnrunzeln sorgen dürften.
Die Cyberangriffe nehmen zu – und Versicherer wollen keine Policen abschließen
Denn bei Cyberrisiken bleiben Firmen immer öfter von der Assekuranz allein gelassen. „Wir lehnen in Deutschland aktuell über drei Viertel aller Anfragen für Cyberpolicen ab“, stellt Sepp für die AGCS klar. Das sei mittlerweile branchenüblich.
Firmen erhalten vielfach und zunehmend keinen Versicherungsschutz mehr vor Angriffen aus dem Internet. Vor Jahresfrist hatte AGCS noch ungefähr jede zweite Anfrage dieser Art abgelehnt. Restriktiver werden Versicherer, weil Schadenssummen und Häufigkeit von Cyberangriffen auf Firmen explodieren.
Musste AGCS 2016 noch überschaubare 72 solcher Versicherungsfälle begleichen, waren es 2019 schon über 800 versicherter Cyberschäden und 2021 knapp 1.100 Fälle. Letzteres waren zwar nur gut 20 Cyberschadensfälle mehr als 2020, aber das nur deshalb, weil die AGCS schon zuvor die Annahmen von Policen verweigert hatte. Zugleich steigt die Nachfrage danach in der Wirtschaft. Die Assekuranz diskutiert, wie sie das Problem versicherbar halten kann. Noch sei aber keine Lösung gefunden, sagt Sepp.
Wenigstens sei es im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bislang noch zu keinen signifikant gestiegenen Cyberattacken auf deutsche Firmen aus Russland gekommen, beruhigt er. Das könnte aber noch kommen. Ob dann Versicherungsschutz bestehen würde, ist indes umstritten. Schäden durch Kriegsereignisse seien in Standarddeckungen ausgeschlossen, stellt Sepp klar.
Rechtsunsicherheit bei russischem Cyberangriff auf Firmen
Beim hypothetischen, aber nicht abwegigen Fall eines russischen Cyberangriffs auf deutsche Firmen wäre die Haftungsfrage aber alles andere als eindeutig. Es sei in einem solchen Fall vom Versicherer schwierig nachzuweisen, dass wirklich staatliche Institutionen und ein Cyberkriegsakt dahintersteckt, räumte der Manager ein. Gerichtlich geklärt worden sei ein solcher Fall in Deutschland noch nicht.
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Dreht Putin den Gashahn wieder auf? Drei mögliche Szenarien
Die Wartung der Pipeline Nord Stream 1 läuft. Ob das Gas in der kommenden Woche wieder fließt, ist keine technische, sondern eine politische Frage. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Putin die deutsche Regierung und die Bevölkerung weiter auf der heißen Herdplatte tanzen lässt.
Klar ist dagegen, dass sich Policen für die Industrie spürbar verteuern. AGCS habe die Prämien dafür gerade um gut ein Zehntel erhöht, sagt Sepp. Ob es bei anhaltend hoher Inflation dabei bleibt, will er nicht voraussagen, kündigte aber schon einmal eine neue Unterversicherungsklausel in künftigen Policen an und rechtfertigt das am Beispiel eines jüngsten AGCS-Verlustgeschäfts.
Die Inflation setzt den Unternehmen zu – und führt zu eindeutigen Szenarien
Eine US-Gewerbeimmobilie sei 2021 bei einem Waldbrand vernichtet worden und per Neuwertpolice versichert gewesen. Die AGCS musste die Kosten des Wiederaufbaus übernehmen. Weil Preise für Rohstoffe und Baumaterialien aber explodieren, hat das doppelt so viel gekostet wie der Originalbau.
Scholz plant Wasserstoffpartnerschaft mit Ägypten
Bundeskanzler Scholz und Ägyptens Präsident Al-Sisi sagten nach einem Treffen in Berlin, sie wollten die Zusammenarbeit bei Wasserstoff und Gas ausbauen.
© Quelle: Reuters
Die AGCS setzt Industriekunden deshalb nun die Pistole auf die Brust. Entweder sie bewerten versicherte Vermögensgegenstände entsprechend der aktuellen Inflation neu und zahlen damit höhere Prämien oder besagte Klausel komme.
Sie beschränkt Schadensersatz auf vorinflationäres Niveau, womit Firmen nicht mehr ihren gesamten Schaden ersetzt bekämen. Verteuern würden sich inflationsbedingt auch Manager- oder Berufshaftpflicht sowie allgemeine Haftpflicht für jedermann, sagt Sepp.