Russischer Lieferstopp

Füllstände sinken: Jetzt werden Deutschlands Gasspeicher wieder angezapft

Die Technik vom Astora Gasspeicher in Rehden. Die Gasspeicher in Deutschland sind etwas weniger voll als bislang gedacht. (Archivbild)

Die Technik vom Astora Gasspeicher in Rehden. Die Gasspeicher in Deutschland sind etwas weniger voll als bislang gedacht. (Archivbild)

Bonn. Nach dem Stopp der russischen Gas-Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 greifen die Gasversorger auch wieder auf die Gasspeicher zurück, um den Bedarf zu decken. Nach Informationen von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) sank der Füllstand der deutschen Gasspeicher am Mittwoch geringfügig um 0,06 Prozent. Am Vortag war er noch um 0,09 Prozent angestiegen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Es wird jetzt wieder ausgespeichert - allerdings nur in geringem Umfang“, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur am Donnerstag. Angesichts der fehlenden Lieferungen aus Russland bedienten sich die Gasversorger anderweitig. Sie kauften entweder woanders auf dem Markt ein oder griffen auf die Gasspeicher zurück. Das sei auch eine Frage des Preises.

Bundesnetzagentur warnt: Zahlungen für Gas werden sich verdreifachen
Die Gasrechnung könnte viele Verbraucher in diesem Jahr überfordern.

Mit Blick auf das kommende Jahr hat die Bundesnetzagentur erwartungsgemäß keine guten Nachrichten für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Um eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden, ist Deutschland aktuell bemüht, seine Gasspeicher so schnell wie möglich zu füllen. Laut Gesetz sollen die Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein. Aktuell ist Deutschland von diesem Ziel allerdings noch weit entfernt. Die Gasspeicher sind gerade einmal zu 64,5 Prozent gefüllt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Denkfabrik-Direktor: „Ein Lieferstopp über Nord Stream 1 stellt uns im Winter vor eine riesige Herausforderung“

Dass das Auffüllen der Gasspeicher aktuell nicht mehr vorangeht, liegt zum großen Teil am Stopp der russischen Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Durch die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr geliefert. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird und im Winter das Gas knapp wird.

„Ein Lieferstopp über Nord Stream 1 stellt uns im Winter vor eine riesige Herausforderung“, sagte Simon Müller, Direktor Deutschland bei der Denkfabrik Agora Energiewende. Der Gasverbrauch in Deutschland sei im Winter ungefähr drei bis vier Mal höher als im Sommer. Der Gasverbrauch konzentriere sich sehr stark für Heizung und warmes Wasser. Danach komme die Prozesswärme in der Industrie und die sogenannte stoffliche Nutzung, etwa um Düngemittel herzustellen. Eine Gasmangellage könne bei einem Totalausfall russischer Lieferungen nicht komplett verhindert werden: „Wir können die negativen Folgen jedoch eindämmen.“

Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte, ob es wirklich zu einem Gasmangel komme, hänge von verschiedenen Aspekten ab - den Aufbau von Gaslieferbeziehungen mit anderen Ländern als Russland, das stete Befüllen der Speicher und das Einsparen von Gas. „Horrorszenarien und Panikmache sind unangebracht“, sagte sie. „Die größte Herausforderung liegt ohnehin darin, dass die gesamte Wirtschaft und Haushalte mit enormen Gaspreissteigerungen umgehen müssen.“

Habeck verpflichtet auch Verbrauchende zum Energiesparen

In einem Modell der Bundesnetzagentur mit Szenarien zu russischen Gasflüssen hieß es: „Entscheidend ist die inländische Verbrauchsreduktion zur Sicherstellung der eigenen Versorgungssicherheit und zur notwendigen Versorgung der Nachbarländer.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Je mehr wir jetzt vorsorgen, desto besser kommen wir durch den Winter“, sagte Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Um möglichst viel Gas einzuspeichern, könne und müsse jeder mithelfen - vom Industriebetrieb bis zum einzelnen Haushalt. „In fast jedem Haushalt und bei öffentlichen Gebäuden gibt es noch Möglichkeiten Energie einzusparen. Jede eingesparte Kilowattstunde Gas hilft uns, besser über den Winter zu kommen.“

Hauptstadt-Radar

Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) machte deutlich: Im Falle einer Gasmangellage müssten alle Verbraucher Beiträge zum Energiesparen leisten. Über das Energiesicherungsgesetz könnte die Bundesregierung Verordnungen zur Energieeinsparung erlassen. Dabei könnte es zum Beispiel darum gehen, Vorgaben zu Mindesttemperaturen beim Heizen abzusenken. Außerdem gibt es einen EU-Solidaritätsmechanismus, damit sich Länder gegenseitig helfen - offen aber ist, wie dieser im Ernstfall aussehen würde.

Das bedeutet die Notfallstufe Gas

Der Ernstfall wäre die Notfallstufe Gas im Notfallplan Gas - Voraussetzung ist laut Definition etwa eine erhebliche Störung der Gasversorgung. Ziel laut Plan ist die Sicherung des „lebenswichtigen Bedarfs“ an Gas unter besonderer Berücksichtigung der geschützten Kunden. Das sind private Haushalte, aber auch Krankenhäuser, Pflegeheime oder die Feuerwehr und die Polizei. Betriebe aber könnten von der Bundesnetzagentur abgeschaltet werden. Sprich: Unternehmen könnten nicht mehr produzieren. Für diesen Fall rechnen Wirtschaftsverbände mit massiven Schäden für die Volkswirtschaft.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Für Steuerzahler und Gaskunden könnte es richtig teuer werden. Zum einen verhandelt die Bundesregierung mit dem angeschlagenen Energieversorger Uniper über ein Milliarden-Rettungspaket. Uniper muss wegen der reduzierten russischen Gaslieferungen Gas am Markt zukaufen. Die deutlich höheren Kosten kann der Konzern jedoch bisher nicht an seine Kunden weitergeben, was zu Liquiditätsproblemen führt. Zum anderen könnte die Bundesregierung zudem eine Umlage für alle Gaskunden einführen, damit Versorger Preissprünge weitergeben können.

RND/dpa

Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken