„Öffentlichkeit in die Irre geführt“: Studie weckt Zweifel an neuen LNG-Terminals
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/74YYUIS4GBFPHLTAIDVRQ2DWVI.jpeg)
An dem zukünftigen Importterminal für Flüssigerdgas (LNG) in Wilhelmshaven finden Bauarbeiten statt.
© Quelle: Sina Schuldt/dpa
Verflüssigtes Erdgas soll helfen, kurzfristig ohne russische Lieferungen Wärme und Strom zu erzeugen. Die Bundesregierung setzt massiv auf den Bau von LNG-Terminals. Ob diese Infrastruktur auf klimaneutral erzeugte Energieträger umgerüstet werden kann, ist aber „mit großen Unsicherheiten“ behaftet, heißt es nun in einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung.
Geht es um LNG, klingen viele Bundes- und Landespolitikerinnen und ‑politiker seit Monaten anders: Man plane „von Anfang an, diese Infrastruktur in Zukunft auch für Wasserstoff nutzen zu können“, heißt es bei der Bundesregierung. „Die Terminals, die Leitungen, die Verdichterstationen – alles wird auch auf Wasserstoff ausgelegt“, gelobte Wirtschaftsminister Robert Habeck noch Ende September im Bundestag.
Unklare Wasserstoffzukunft von LNG-Terminals
„Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind“, sagt hingegen Fraunhofer-Forscherin Matia Riemer. Mit ihrem Kollegen Florian Schreiner hat sie die LNG-Pläne im Auftrag der Europäischen Klimastiftung (ECF) unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse bestätigen, was man in der Gaswirtschaft schon länger munkelt: So ist zum einen unklar, ob die Nachfrage nach klimaneutral erzeugtem Wasserstoff und Ammoniak in Zukunft so groß wird wie bei den Terminalplänen angenommen.
Zum anderen ist der zum Transport üblicherweise verflüssigte Wasserstoff mit minus 252,9 Grad Celsius etwa 90 Grad kälter als LNG, Ammoniak hingegen deutlich korrosiver. Beides bringt laut Studie hohe Anforderungen an die Materialien von Tanks, Leitungen und anderen Komponenten mit sich – wobei es derzeit zum Teil schlichtweg am Know-how zum Umgang damit mangele.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SUXJXPIWORDNBLHNMVWTSMEM5M.png)
Unbezahlbar
Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Bestenfalls entstehen hohe Mehrkosten
Selbst wenn das berücksichtigt wird, veranschlagen Riemer und Schreiner für die Umrüstung auf Ammoniak etwa 30 Prozent der ursprünglichen Investitionskosten. Bei Wasserstoff seien es gar 50 Prozent, dort berge das Fehlen praktischer großindustrieller Anwendungen weitere Unwägbarkeiten. Für „nicht möglich“ halten Riemer und Schreiner außerdem, ein Terminal gleichzeitig für verschiedene Energieträger zu nutzen oder flexibel vom einen zum anderen zu wechseln.
Den nun kurzfristig angeschafften schwimmenden Terminals bescheinigt die Studie, kaum umgerüstet werden zu können. Aber auch die derzeit geplanten drei fest installierten Terminals, die ab 2026 in Betrieb gehen sollen, könnten demnach in einer klimaneutralen Zukunft zu Stranded Assets werden. „Um dieses Risiko gering zu halten, sollte bereits in der Planungsphase der LNG-Terminals ein Konzept für deren Umstellung auf andere Energieträger erstellt und berücksichtigt werden“, meint Riemers.
Öffentlichkeit „in die Irre geführt“?
Bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) forderte Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner hingegen, von vornherein ausschließlich auf wasserstoff- und ammoniaktaugliche Terminals zu setzen. „Die Vorhabenträger behaupten in Dauerschleife, ihre Terminals würden später ganz einfach für die Energiewende nutzbar sein, und führen damit die Öffentlichkeit in die Irre“, kritisierte außerdem DUH-Klimaexperte Constantin Zerger.
Die vom Wirtschaftsministerium geplante Verordnung für LNG-Anlagen sieht diese als kurzfristige Lösung für Gasimporte. „Gleichzeitig ist geplant, dass die LNG-Infrastruktur in Zukunft auch für Wasserstoff genutzt werden kann“, heißt es im aktuellen Referentenentwurf zu Nutzungsszenarien ab spätestens 2044. Wie das angesichts der Fraunhofer-Erkenntnisse gelingen soll, beantwortete das Wirtschaftsministerium am Freitag nicht.