„Fatales Signal“: Gastronomie und NGG kritisieren sinkendes Kurzarbeitergeld
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Die Gastronomie muss derzeit erneut Einschränkungen erdulden.
© Quelle: imago images/Hanno Bode
Hannover. Schummriges Licht, feuchtfröhliche Feiern und laute Musik – normalerweise wäre der Sechs-Millionen-Dollar-Club in Göttingen dieser Tage rappelvoll. Doch die Bar ist geschlossen, „die neuen Regelungen machen es unmöglich, euch das gewohnte Cluberlebnis zu garantieren“, heißt es seitens der Betreiber. Sie haben schon zu Beginn des zweiten Corona-Winters aufgegeben. Ein zweiter Corona-Winter, in dem ihre Beschäftigten wohl mit deutlich weniger Kurzarbeitergeld auskommen müssen. Das könnte üble Folgen für die Branche und ihre Beschäftigten haben, warnen sowohl Gewerkschaften als auch Gastronomen.
Zwar hat die amtierende Bundesregierung zuletzt das Kurzarbeitergeld verlängert, die erhöhten Bezüge bei längerer Kurzarbeit fallen allerdings zum Jahreswechsel weg. Statt bis zu 87 Prozent gibt es dann maximal 67 Prozent des Nettoeinkommens.
Noch während Bund und Länder am Donnerstag über weitere Corona-Einschränkungen verhandelten, meldete sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu Wort: „Es wäre ein fatales Signal, wenn sich die künftigen Koalitionäre im Rahmen der heutigen Beschlüsse nicht damit durchsetzen, das Kurzarbeitergeld auch über den 1. Januar 2022 hinaus aufzustocken“, erklärte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler.
Was das reduzierte Kurzarbeitergeld für Beschäftigte bedeutet, illustriert eine Musterrechnung der Gewerkschaft: Eine kinderlose Hamburger Köchin in Kurzarbeit bekomme ab dem Jahreswechsel statt 1200 nur noch 830 Euro im Monat. „Allein die Arbeitgeber mit finanziellen Hilfen im Blick zu haben reicht nicht und hat mit Respekt vor der Leistung, der Geduld und der Not der Beschäftigten nichts zu tun“, findet Zeitler.
Der Deutsche Hotel und Gaststättenverband (Dehoga) teilt die Sorgen um das niedrigere Kurzarbeitergeld. „Von zentraler Bedeutung ist die Verlängerung der erhöhten Leistungssätze beim Kurzarbeitergeld sowie die Fortgeltung der hundertprozentigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Auch Nebentätigkeiten müssen anrechnungsfrei bleiben“, sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Dehoga fürchtet, dass das Personal abwandert
„Alles andere wäre eine Katastrophe für die Mitarbeiter wie auch die Unternehmen“, betonte Hartges angesichts der am Donnerstag verschärften Corona-Maßnahmen. Wie Zeitler befürchtet sie, dass die Beschäftigten in andere Branchen abwandern.
Weitere 100.000 Beschäftigte könnte Hartges zufolge das Gastgewerbe, in dem es schon nach den letzten Lockdowns an Personal mangelte, verlieren. Auch seien die Arbeitgeber nach anderthalb Jahren Pandemie nicht in der Lage, das Kurzarbeitergeld aus eigener Kraft aufzustocken. „Seit Pandemiebeginn im März 2020 hat das Gastgewerbe bis Ende September 68,5 Milliarden Euro Umsatz verloren“, so Hartges.
Eine erneute Aufstockung des Kurzarbeitergelds durch die Bundesagentur für Arbeit ist bislang aber nicht in Sicht. Dabei bleiben schon jetzt vielerorts die Gäste aus: In einigen Bundesländern machen – so wie in Göttingen – 2G-plus-Regelungen den Wirten zu schaffen, auch wächst bei Ausgehfreudigen die Angst vor Ansteckungen. „Es kamen zuletzt ungefähr 30 Prozent weniger Gäste als vor der Pandemie. Ich rechne mit einem weiteren erheblichen Rückgang in den nächsten Wochen – auch wenn kein Lockdown kommt“, sagte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner dem RND.
Möglicherweise weitere Branchen betroffen
Wie sich das niedrigere Kurzarbeitergeld auf Beschäftigte in anderen Bereichen auswirkt, ist derzeit unklar. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi etwa konnte sich auf Anfrage nicht äußern. Ökonom Wagner rechnet jedenfalls damit, dass die kalte Jahreszeit einigen Branchen zu schaffen machen wird: „Dramatisch wird es für die Gaststätten auf jeden Fall, ebenso wie für alle anderen coronasensitiven Dienstleister.“