EZB bleibt eisern beim extrem billigen Geld

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, hat auch beim G20-Gipfel für Lockerheit geworben - in der Geldpolitik.

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, hat auch beim G20-Gipfel für Lockerheit geworben - in der Geldpolitik.

Frankfurt am Main. Die Enttäuschung ist in den Worten von Christian Ossig deutlich zu spüren. „Wirtschaft und Sparer werden leider noch lange Zeit mit Negativzinsen leben müssen. Und dies trotz deutlich steigender Preise“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes unmittelbar nach der Sitzung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbanker haben am Donnerstag ihre Politik des extrem billigen Geldes noch einmal richtig festgezurrt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Natürlich bleibt es bei den Leitzinsen von null Prozent – wie es schon seit März 2016 der Fall ist. Zudem müssen Geschäftsbanken nach wie vor Strafzinsen von 0,5 Prozent zahlen, wenn sie kurzfristig Liquidität bei der Notenbank parken. Diese Gebühr macht insbesondere den hiesigen Geldhäusern schwer zu schaffen.

Sie sind der maßgebliche Grund dafür, dass viele Institute die Negativzinsen an ihre Kunden weitergeben, wenn diese größere Summen auf ihren Girokonten horten. Die EZB will hingegen mit der Parkgebühr die Banken ermuntern, dass sie die enormen „Sichteinlagen“ nutzen, um mehr Kredite vor allem an Unternehmen zu vergeben, was der gesamten Wirtschaft Schwung verleihen soll.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Neu ist in der Strategie der EZB, dass sie ihren Ausblick auf die nächsten Quartale modifiziert hat. Im Notenbanker-Jargon heißt das: Zinserhöhungen werden an die Bedingung geknüpft, dass die Inflation schon weit vor dem Ende des Projektionszeitraums die Marke von zwei Prozent erreicht hat.

Diese Zeitspanne beträgt zwei Jahre. Außerdem wird betont, dass der EZB-Rat derzeit davon ausgehen müsse, dass sich die Inflation mittelfristig bei zwei Prozent stabilisiert.

Damit hat die Zentralbank für die Euro-Zone die Kriterien für den geldpolitischen Ausblick, der für die globale Finanzbranche enorm wichtig ist, an ihr kürzlich revidiertes Inflationsziel angepasst (glatt zwei Prozent). Wobei ein zeitweises Überschießen akzeptiert wird. Bislang hieß es „nahe, aber unter zwei Prozent“.

All dies wirkt auf den ersten Blick so, als handele es sich um finanztechnokratische Feinheiten. De facto geht es aber darum, dass die EZB damit die Hürde für Zinserhöhungen noch höher gelegt hat. Was für Verbraucher und Unternehmer bedeutet, dass sie sich auf null und negative Zinsen womöglich noch für Jahre einstellen müssen.

Konjunktur erholt sich, Inflation steigt

Dabei hatten viele Beobachter erwartet, dass es zumindest erste Andeutungen für ein Ende der ultralockeren Geldpolitik geben könnte. Schließlich hat die EZB ein gigantisches Not-Sonderprogramm mit dem schönen Namen „Pepp“ aufgelegt, das dazu da ist, die Folgen der Pandemie abzumildern – Anleihen von Staaten und Unternehmen mit einem Gesamtvolumen von 1,85 Billionen Euro sollen bis Ende März 2022 vom Markt weggekauft werden.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Diese Maßnahme wirkt ähnlich wie eine zusätzliche Zinssenkung, da damit Geld in die Volkswirtschaften gepumpt wird und zugleich die Renditen von Staatsanleihen sinken, was es den Regierungen einfacher macht, sich Kapital bei Investoren zu leihen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde verteidigte am Donnerstag ihre Strategie: „Wir mussten machen, was wir gemacht haben.“ Sie fragte rhetorisch, wie viel mehr Arbeitslose es nun gäbe, wenn es die Hilfs- und Notprogramme der Regierungen und der Notenbank nicht gegeben hätte.

Konjunktur in der Währungsunion ist längst angesprungen

Gründe für ein Anziehen der Zügel sehen Kritiker der Notenbank aber längst gegeben. So ist die Konjunktur in der Währungsunion längst angesprungen. Was sich auch an einer Teuerung für Juni gegenüber dem Vorjahr von 1,9 Prozent ablesen lässt. Hierzulande legte die Inflation sogar um 2,3 Prozent zu.

Manche Volkswirte warnen bereits vor der berüchtigten Lohn-Preis-Spirale. Das bedeutet: Steigende Preise und hohe Gewinne der Unternehmen führen dazu, dass Gewerkschaften hohe Gehaltserhöhungen durchsetzen, was wiederum die Preise weiter in die Höhe treibt und so weiter. So könnte die von der Notenbank intendierte Stimulierung der Wirtschaft ins Gegenteil kippen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Lagarde teilt diese Auffassung nicht. Ihre Volkswirte rechnen zwar damit, dass es bis zum Jahresende Preissteigerungen bis zu 2,6 Prozent geben könnte – wegen kurzfristig gesteigerter Kauflust nach Monaten des Lockdowns. Aber sie gehen davon aus, dass schon im zweiten Quartal 2022 die Teuerung wieder auf 1,4 Prozent absinkt.

Der Bankenverband rechnet hingegen mit einem deutlich höheren Inflationsniveau. „Diese Normalisierung sollte die EZB nutzen, um zumindest eine Perspektive für den Ausstieg aus den geldpolitischen Kriseninstrumenten aufzuzeigen, zu denen auch der negative Einlagezins gehört“, so Ossig. Dieser bedeute für die Banken im Euroraum nach wie vor eine deutliche Belastung.

Die jährliche Negativzinslast sei mittlerweile auf 17 Milliarden Euro gestiegen. Anhänger des Lagarde-Kurses machen hingegen darauf aufmerksam, dass die Banken diese Last durch eine großzügigere Kreditvergabe verringern könnten.

Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken