EU-Politiker sorgen sich um Brexit-Zeitplan
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Satire vor dem Supreme Court in London.
© Quelle: dpa
London. Theresa May wollte den Brexit im Alleingang starten – und das ohne Kompromisse. Diese Strategie muss die britische Premierministerin nun ändern. Grund ist das Urteil des Supreme Courts: Die britische Regierung kann das Verfahren zum Austritt aus der Europäischen Union nicht ohne die Zustimmung des Parlaments beginnen. Der Oberste Gerichtshof bestätigt damit ein vorheriges Urteil.
Regierung: Zeitplan bleibt bestehen
Die Regierung zeigt sich in einer ersten Reaktionen kämpferisch. Ein Sprecher betont, dass man trotz der Niederlage an dem Zeitplan für den Brexit festhalten wolle: „Das britische Volk hat dafür gestimmt, die EU zu verlassen, und die Regierung wird das umsetzen“, erklärte ein Regierungssprecher. Die Austrittserklärung werde wie geplant Ende März nach Brüssel geschickt. „Das heutige Urteil ändert nichts daran.“
An der Umsetzung jedoch gibt es Zweifel, vor allem bei EU-Politikern. Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff befürchtet weitere Verzögerungen. „Jetzt ist es wichtig, dass der Zeitplan für den Brexit eingehalten wird – denn spätestens bei der nächsten Europawahl 2019 muss der Austritt vollzogen sein“, erklärte der Vizepräsident des Europaparlaments. „Es ist schließlich nicht vorstellbar, dass das Vereinigte Königreich nach dem Brexit-Referendum noch eine Europawahl durchführt.“
Wirtschaftsexperten uneins
Manch Wirtschaftsexperte sieht nun sogar die Chance, den von May angekündigten harten Brexit zu vermeiden. Ifo-Chef Clemens Fuest sieht in dem Brexit-Urteil eine Chance, einen harten Schnitt des Landes mit der EU zu vermeiden. Die britische Regierung müsse dem Parlament nun darlegen, wie sie sich die Beziehungen zur EU nach dem Austritt vorstelle, sagte Fuest. Das werde den Prozess verzögern, „meines Erachtens aber dazu führen, dass die Stimmen an Gewicht gewinnen, die einen ,Hard Brexit’ ablehnen und eine möglichst enge Anbindung der britischen Wirtschaft an den europäischen Binnenmarkt wünschen“, so Fuest
Keine Veränderungen erwartet dagegen Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Nach Einschätzung des Finanzexperten wird das Urteil nichts an der Haltung der britischen Regierung ändern. Die Entscheidung sei kein Meilenstein, argumentierte Kater. Auch wenn Premierministerin Theresa May die Zustimmung der Volksvertreter nun einholen müsse, „wird die Regierung auf einen harten Brexit hin verhandeln“. Herauskommen werde ein normales Handelsabkommen mit einem Drittstaat. „Das dauert allerdings viele Jahre, weil jetzt Branche für Branche verhandelt werden muss.“
Umkehr von Brexit-Referendum bleibt ausgeschlossen
CDU-Europapolitiker David McAllister begrüßte das Urteil. „Das britische Parlament hat sich vor 45 Jahren für den Beitritt zur Europäischen Union entschieden. Es sollte nun auch die Möglichkeit erhalten, beim Austrittsprozess mitzuentscheiden“, sagte McAllister. Der Brexit-Beschluss selbst werde aber nicht beeinträchtigt, meinte der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen.
Ähnlich äußerte sich Manfred Weber: Der CSU-Europapolitiker lobte die Bestätigung der Parlamentsrechte. Zum Urteil erklärte der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament auf Twitter: „Parlamente müssen respektiert werden. Das Europaparlament wird über den Brexit das letzte Wort haben.“
Eine Umkehr des Brexit-Referendums bleibt dagegen ausgeschlossen. Das erneuerten alle Seiten. Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei kündigte an, die geplante EU-Austrittserklärung der Regierung nicht zu blockieren. „Labour respektiert den Ausgang des Referendums“, sagte Corbyn.
Gelassenheit an Finanzmärkten
Die internationalen Finanzmärkte haben das Urteil des britischen Supreme Courts zum Brexit mit Gelassenheit aufgenommen. Der britische Leitindex FTSE 100 und sein deutsches Pendant Dax legten am Dienstagvormittag leicht zu, während das Pfund etwas nachgab. Insgesamt hielten sich die Ausschläge in Grenzen.
Das Urteil, wonach die Regierung die Zustimmung des Parlaments zu ihren Brexit-Plänen einholen muss, war erwartet worden. Die elf Richter des Supreme Courts bestätigten in dem Berufungsverfahren ein früheres Urteil. Die Entscheidung stellt zwar den Brexit an sich nicht infrage, könnte jedoch den Zeitplan der Regierung durcheinander bringen.
Von RND/zys/dpa