Eine Million weniger Kurzarbeiter als noch im Juli

4,7 Millionen Menschen in Deutschland befinden sich momentan in Kurzarbeit.

4,7 Millionen Menschen in Deutschland befinden sich momentan in Kurzarbeit.

Das dürfte bei vielen Beschäftigten die Angst vor einem Jobverlust mindern. Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts ist die Zahl der Kurzarbeiter hierzulande im August um etwa eine Million im Vergleich zum Juli gesunken – auf insgesamt 4,7 Millionen. Damit würden noch etwa 14 Prozent der Arbeitnehmer die Versicherungsleistung der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen.

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Der Ifo-Arbeitsmarktexperte Sebastian Link erläuterte, dass es einen kräftigen Rückgang im Dienstleistungssektor gebe. So müssen im Einzelhandel nur noch gut 100.000 Angestellte mit dem Kurzarbeitergeld auskommen. Das entspricht einem Anteil von 4 Prozent. In der Gastronomie sieht es nicht ganz so gut aus. Dort bezieht laut Ifo noch gut ein Drittel der Beschäftigten die Stütze vom Staat, das seien 377.000 Frauen und Männer. Der Schrumpfkurs ist plausibel. Mit dem Lockdown im Frühjahr mussten Geschäfte, Restaurants und Kneipen über Wochen zwangsweise schließen. Mit den von der Bundesregierung beschlossenen Lockerungen wurden auch die Läden und Gastwirtschaften Schritt für Schritt wieder geöffnet.

Bemerkenswert an der Besserung ist indes, dass im August als Haupturlaubsmonat die Leute normalerweise auch weniger Einkaufen gehen und auch seltener im Restaurant zu finden sind. Möglicherweise hat hier aber durchgeschlagen, dass viele Verbraucher nicht in der Sommerfrische waren. Der Höhepunkt der Kurzarbeit wurde nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits im Mai erreicht, als 6,7 Millionen Arbeitnehmer ganz oder teilweise zu Hause bleiben mussten.

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Industrie hofft auf Ende der Talfahrt

In der Industrie sieht es nach den Ifo-Kalkulationen, die auf den Daten der monatlichen Konjunkturumfrage des Instituts beruhen, hingegen weniger erfreulich aus. Den höchsten Anteil an Betroffenen mit 41 Prozent der Beschäftigten verzeichnet die Metallindustrie – 465.000 in absoluten Zahlen. Im Fahrzeugbau ist die Lage nur geringfügig besser (423.000 Beschäftigte, 31 Prozent), ebenso wie im Maschinenbau (336.000, 31 Prozent). Wobei in letzterer Branche aber die Zeichen aufwärts gerichtet sind. Der Branchendachverband VDMA teilte am Donnerstag mit, dass der Auftragseingang zwar noch um knapp ein Fünftel unter dem Niveau des Julis von 2019 liege. Aber in den Vormonaten rangierten die Einbußen bei knapp einem Drittel. Zudem war der Juli 2019 ein besonders starker Monat. “Es gibt Grund zur Hoffnung, dass wir bei den Aufträgen den Tiefpunkt überwunden haben”, sagte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers.

Wirtschaft scheint sich zu erholen

Der Trend bei der Kurzarbeit passt zu zahlreichen Hinweisen auf eine Erholung der Wirtschaft im dritten Quartal. So ist im August die Arbeitslosigkeit in Deutschland laut BA erstmals seit dem Ausbruch der Pandemie nicht mehr wegen Covid-19, sondern nur noch wegen saisonaler Besonderheiten gestiegen: Im August stellen Unternehmen wegen der Sommerferien generell weniger Leute ein, und in dem Monat laufen in der Regel die Ausbildungsverträge aus.

Ob sich die positive Entwicklung auch für die nächsten Monate weiter verstetigt, ist allerdings fraglich. Der viel beachtete Einkaufsmanagerindex für die hiesige Industrie und die Dienstleistungsbranche vom IHS-Marktinstitut hat nachgegeben. Insbesondere bei den Dienstleistern flaut der erste Aufwärtsschub schon wieder ab, was aber kein Widerspruch zur sinkenden Zahl der Kurzarbeiter in diesem Sektor ist. Denn die Beschäftigung gilt als ein Spätindikator – das Auf und Ab der Konjunktur macht sich bei den Jobs erst mit Verzögerung bemerkbar.

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Welche Rolle soll die Kurzarbeit in der näheren Zukunft spielen?

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat gerade gewarnt: Das Kurzarbeitergeld könne Firmen helfen, die keine Zukunft haben und so Strukturen einfrieren, die obsolet seien. Dieses Argument war in jüngster Zeit immer wieder von Wirtschaftswissenschaftler zu hören, die dem marktliberalen Lager zugerechnet werden. Die schwarz-rote Koalition hat diese Hinweise bislang weitgehend ignoriert. Zu Beginn der Corona-Krise wurden die Kriterien fürs Anmelden von Kurzarbeit gelockert. Im Mai wurden die Zahlungen bei länger anhaltender Auftragsflaute erhöht (für Beschäftigte mit Kindern kann es bis zu 87 Prozent des früheren Nettogehalts geben). Und jüngst hat die Regierung beschlossen, dass die Maximaldauer der Zahlungen von zwölf auf 24 Monate erhöht wird. Weidmann mahnt nun zu Augenmaß. Möglicherweise würden Fehlanreize nun schwerer wiegen als in früheren Zeiten.

Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK, hält hingegen die Debatte über den vermeintlich verschleppten Strukturwandel für “unsinnig und irrational”. Für ihn zieht das Argument nicht, dass Firmen, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind, sich mit Kurzarbeit über Wasser halten können. Denn die Unternehmen würden zwar entlastet, dennoch müssten sie bis zu 30 Prozent der Arbeitskosten weiter tragen. Es handelt sich dabei um permanente Aufwendungen, die anfallen, gleichgültig wie viel im Betrieb gearbeitet wird. Auch habe sich gezeigt, dass es zum Strukturwandel nicht notwendig sei, dass das Alte erst zusammenbrechen muss, um Platz für das Neue zu schaffen. Als Beispiel führt Dullien die Handybranche an. Apple konnte sich einst mit dem iPhone durchsetzen, obwohl der frühere Weltmarktführer Nokia noch mit veralteten Konzepten und Geräten lange Zeit unterwegs war. Das IMK hat sich jedenfalls für eine zusätzliche Erhöhung des Kurzarbeitergeldes stark gemacht, falls es Rückschläge bei der Gesundung der Wirtschaft geben sollte.

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