Zahl gesunken: Droht dem sozialen Wohnungsbau der Kollaps?
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100.000 Sozialwohnungen sollen jährlich geschaffen werden – doch ist das realistisch? (Symbolbild).
© Quelle: Jan Woitas/dpa
Berlin. Es ist ein ambitioniertes Ziel: 400.000 neue Wohnungen will die Bundesregierung jährlich schaffen, 100.000 davon sollen Sozialwohnungen sein. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erneuerte erst kürzlich im RND-Interview das Versprechen, mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf für die Sozialdemokraten geworben hatte.
Doch der Plan könnte kippen, warnt das Verbändebündnis Soziales Wohnen, zu dem neben der Gewerkschaft IG Bau auch der Deutsche Mieterbund gehört. Mehr noch: Dem sozialen Wohnen drohe der „Kollaps“, so das Bündnis. Der Staat müsse jetzt „dringend in den Krisenmodus schalten“. Andernfalls, so die düstere Prognose, werde der Neubau von Sozialwohnungen im kommenden Jahr „einen radikalen Absturz erleben“.
Pestel-Institut: Zahl der Sozialwohnungen geht zurück
Das Bündnis, zu dem auch die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, der Deutsche Baustoff-Fachhandel (BDB) sowie die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsneubau (DGfM) gehören, stützt sich dabei auf eine Untersuchung zum sozialen Wohnungsbau, die das Pestel-Institut im seinem Auftrag vorgenommen hat. Demnach geht der Bestand sozialer Wohnungen in den vergangenen 15 Jahren zurück.
Gleichzeitig wachse die Bevölkerung – und die Menschen müssten zunehmend mit höheren Lebenskosten rechnen. „Eine wachsende Bevölkerung trifft bei verminderter Zahlungsfähigkeit auf einen rückläufigen Wohnungsbau und weiter sinkende Sozialwohnungsbestände“, so das Fazit der Studienmacher. Das Institut mit Sitz in Hannover warnt, dass die Gefahr des sozialen „Abrutschens“ vieler Haushalte akut sei und sieht ein Notwendigkeit für ein Sofortprogramm Soziales Wohnen.
100.000 Wohnungen im Jahr: Klappt das?
12,5 Milliarden Euro muss der Staat nach Ansicht des Bündnisses in einen Akutplan für den sozialen Wohnungsbau stecken – uns das alleine im kommenden Jahr. Anders sei das Ziel der 100.000 Wohnungen nicht zu erreichen.
Bundesregierung verspricht weitere Entlastungspakete
In einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Ende der Kabinettsklausur haben Bundeskanzler, Wirtschafts- und Finanzminister weitere Hilfspakete angekündigt.
© Quelle: Reuters
Geht es nach dem Bündnis, braucht es für jede Sozialwohnung eine Fördersumme von mindestens 125.000 Euro. Um solche Wohnungen zu schaffen, soll jedoch nicht nur an Neubau gedacht werden. Notwendig seien auch Sonderprogramme zur Aufstockung von Dächern oder der Umbau von Gewerbeeinheiten zu Sozialwohnungen. Allein durch den Umbau von Büroflächen könnten bis zu 1,9 Millionen neue Wohnungen entstehen, wie aus den Berechnungen des Pestel-Instituts hervorgeht.
Bundestag steht vor Haushaltsdebatte
Hohe Energiepreise, fehlende Baustoffe, Fachkräftemangel: Die Baubranche muss derzeit viele Löcher auf einmal stopfen. Doch der Rückgang der Sozialwohnungen ist kein neues Phänomen. Allein im vergangenen Jahr sei rein rechnerisch alle 19 Minuten eine Sozialwohnung vom Markt verschwunden, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. „Ihre Zahl sank um nahezu 27.400 auf nur noch 1.101.500 Sozialwohnungen bundesweit“. Günther plädiert dafür, auch die Länder stärker in die Pflicht zu nehmen und ihre Förderung aufzustocken. Alle Reserven müssten mobilisiert werden – sonst drohe die 100.000-Wohnungen-Marke zur „absoluten Ampelillusion“ zu werden.
Das Bundesbauministerium hat die Mittel für den sozialen Wohnungsbau gerade erst erhöht. Laut Ministerin Geywitz sind es 14,5 Milliarden, die bis 2026 dafür eingeplant wurden – allerdings nicht pro Jahr, sondern auf die gesamte Laufzeit gerechnet. „Diese Geld kommt denen zugute, die es am meisten brauchen“, sagte Geywitz dem RND. Um neuen Wohnraum zu schaffen, setzt die SPD-Politikerin beispielsweise auf serielles Bauen.
Die Forderung des Bündnisses kommt nicht zufällig: In der kommenden Woche startet im Bundestag die Haushaltsdebatte.