Die VW-Aktionäre sind mit Winterkorn noch nicht fertig
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Elektroautos sollen die VW-Zukunft prägen. Die Aktionäre beschäftigt aber noch der Dieselskandal.
© Quelle: Ole Spata/dpa
Wolfsburg. Fließbandarbeit ist in Autokonzernen zu Hause. Dank Onlinehauptversammlungen lässt sich das Prinzip nun auf die Kommunikation erweitern: Hunderte Fragen von Aktionären und die Antworten des Unternehmens verlasen VW-Manager und Aufsichtsräte.
Buchstäblich atemlos hetzten sie durch das Programm, wie es der Betriebsrat am Band nie zulassen würde. Aber es konnte niemand bremsen: Redebeiträge von Aktionären gibt es bei diesem Format nicht. „Aus Furcht vor vielen unangenehmen Aktionärsfragen“ habe sich der Konzern wohl zum zweiten Mal für eine reine Onlineveranstaltung entschieden, vermutet der Kleinaktionär Rüdiger Kammerhoff.
Die harmlosen Themen zuerst
Tatsächlich wurden viele harmlose Punkte abgearbeitet, bevor die unangenehmen an die Reihe kamen, vor allem die Kritik an der Einigung mit Martin Winterkorn und anderen früheren Topmanagern im Dieselskandal.
„Äußerst überschaubar“ seien die Vergleichssummen, kritisierte Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS. Ein Kleinaktionär nannte sie „peinlich und mickrig“. Christian Strenger, früher Fondsmanager und heute Kämpfer für Aktionärsrechte, rechnete in seinen Fragen vor, dass die Manager große Teile der Zahlungen durch Bonusverzicht leisten. Die Barleistung sei minimal.
Anfang Juni hatte sich VW mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern außergerichtlich geeinigt. Zwar fließen 288 Millionen Euro in die Unternehmenskasse, aber den größten Teil tragen Haftpflichtversicherungen der Manager.
VW zahlte Milliarden für Anwälte
Winterkorn selbst, der weiter alle Vorwürfe bestreitet, zahlt 11,2 Millionen Euro, der frühere Audi-Chef Rupert Stadler 4,1 Millionen. Die Gesamtkosten des Dieselskandals bezifferte Finanzvorstand Arno Antlitz in der Versammlung auf 32,3 Milliarden Euro – davon ein „niedriger einstelliger Milliardenbetrag“ allein für Anwaltshonorare in aller Welt.
Das Verlesen von Fragen und Antworten übernahm in diesem Fall IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, denn der Gewerkschafter ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats. Dem Vorsitzenden Hans Dieter Pötsch blieb in der Hauptversammlung viel Text erspart, weil er im Dieselskandal selbst betroffen ist: Pötsch war in den entscheidenden Monaten 2015 Finanzvorstand bei VW.
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IG-Metall-Chef Jörg Hofmann ist auch stellvertretender Vorsitzender des VW-Aufsichtsrats.
© Quelle: dpa-Zentralbild
Teilweise mit wortgleichen Antworten verteidigte Hofmann die Einigung mit den Managern: Der zügige Abschluss des Themas sei im Unternehmensinteresse, und mit dem Betrag würden Schaden und Leistungen der Manager für das Unternehmen abgewogen. Ob die insgesamt 288 Millionen Euro von Versicherungen oder früheren Mitarbeitern komme, mache für das Unternehmen keinen Unterschied.
Und immer wieder der Satz: Die 11 Millionen Euro von Winterkorn seien „der mit Abstand höchste Eigenbeitrag“, der in einem solchen Fall in Deutschland je geleistet worden sei.
Nur mit Elektromobilität können wir den CO₂-Ausstoß in den nächsten zehn Jahren signifikant senken.
Herbert Diess,
Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG
Deutlich leichter tat sich die VW-Führung mit Fragen nach der Strategie für den Klimaschutz. Sie war das zweite große Thema der Hauptversammlung, und Vorstandschef Herbert Diess nahm es in seiner Rede gleich vorweg. Vom Bedauern über die Opfer der Flutkatastrophe kam er direkt zum Thema: Der Klimawandel sei die Herausforderung des Jahrhunderts, und „nur mit Elektromobilität können wir den CO₂-Ausstoß in den nächsten zehn Jahren signifikant senken“.
Diess bleibt bei EU-Plänen gelassen
Diess sieht sich mit seiner Elektrostrategie schon länger an der Spitze der Bewegung. Er und seine Kollegen parierten dann alle Fragen zum Beispiel des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre mit dem Hinweis, dass VW mehr für die CO₂-Reduzierung tue, als die Regulierungsbehörden aktuell verlangten. Auch auf die absehbare Verschärfung der Regeln sei man vorbereitet.
Während Teile der Industrie die Folgen der jüngst von der EU-Kommission vorgestellten Strategie „Fit for 55″ fürchten, gibt sich Diess gelassen: „Das bringt mehr Planungssicherheit“, sagte er. „Wir sehen uns voll bestätigt.“ Der Konzern will auf Elektroautos umgestiegen sein, bevor die Regulierung das erzwingt. Bei den klassischen Verbrennermodellen werden Investitionen gebremst und Kosten gedrückt, um das nötige Geld für den Umstieg zu verdienen.
Gegenanträge haben keine Chance
Mehrere Aktionäre forderten in Gegenanträgen, Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung für das vergangene Geschäftsjahr zu verweigern. „Der Dieselskandal wurde aus unserer Sicht bis heute nicht ausreichend aufgeklärt“, begründete das etwa die Fondsgesellschaft Deka. Der Aufsichtsrat habe zu wenig für die Aufklärung getan, der Vorstand keine angemessene Entschädigung bei den früheren Topmanagern herausgeholt.
Schon vor der Abstimmung waren die Anträge allerdings chancenlos: 90 Prozent der VW-Stimmrechte liegen bei drei Großaktionären: den Familien Porsche und Piech, dem Land Niedersachsen und dem Emirat Katar.