Die Türken flüchten vor der Inflation ins Gold

Wohin steuert die türkische Währung? Ein Mitarbeiter einer Wechselstube zählt türkische Lira-Banknoten (Symbolbild).

Wohin steuert die türkische Währung? Ein Mitarbeiter einer Wechselstube zählt türkische Lira-Banknoten (Symbolbild).

Istanbul. Mit einer überraschenden Erhöhung der Leitzinsen versucht die türkische Notenbank den Absturz der Landeswährung zu bremsen. Ob der Schritt eine Trendwende in der Geldpolitik einleitet, ist noch ungewiss. Erstmals mussten die Türken diese Woche mehr als neun Lira für einen Euro bezahlen. Doch am Donnerstag stieg der Lirakurs wieder auf 8,88 Euro, nachdem die Zentralbank in Ankara die Leitzinsen unerwartet von 8,25 auf 10,25 Prozent erhöhte.

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Die türkische Währung ist im freien Fall

Seit Jahresbeginn hat die Lira gegenüber dem Dollar 22 Prozent an Wert verloren. In nur drei Jahren hat sich der Außenwert der türkischen Währung sogar mehr als halbiert. Die Inflation von aktuell 12 Prozent zehrt an Einkommen und Ersparnissen. Immer mehr Türken tauschen deshalb ihre schwindsüchtige Währung in Gold und Devisen.

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Der Lira-Verfall signalisiert eine gefährliche Abwärtsspirale der türkischen Wirtschaft. Die Abwertung verteuert die Einfuhren. Das treibt auch die Preise einheimischer Produkte, weil die türkische Industrie in hohem Maß auf importierte Maschinen und Halbfertigwaren angewiesen ist. Um sich vor der Inflation zu schützen, tauschen viele Menschen ihre Ersparnisse in Dollar, Euro oder Gold. Die Goldeinfuhren nahmen in den ersten acht Monaten um 150 Prozent zu. Finanzexperten schätzen, dass die Türken bereits rund 5000 Tonnen Gold in ihren Wohnungen horten. Das entspräche einem Marktwert von 280 Milliarden Euro. Die Flucht aus der Landeswährung drückt den Kurs der Lira weiter und heizt die Inflation zusätzlich an – ein Teufelskreis.

Die türkische Zentralbank zögerte bisher mit Zinserhöhungen, die den Lira-Verfall hätten bremsen können. Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist ein erklärter Gegner hoher Zinsen. Mit billigem Geld will er die Konjunktur am Laufen halten. Mit Stützungskäufen versuchte die Zentralbank, die Talfahrt der Lira zu bremsen – ohne nachhaltigen Erfolg. Das Ergebnis: Die Devisenreserven sind binnen eines Jahres um rund 40 Prozent gesunken. Ob Erdogan nun seinen Widerstand gegen höhere Zinsen aufgegeben hat und ob dem Zinsschritt vom Donnerstag weitere folgen werden, ist noch offen. Ungewiss ist auch, ob die Erhöhung um 2 Prozentpunkte die Währung länger stabilisieren kann. Auch nach der Anhebung vom Donnerstag liegt der Leitzins weiterhin unter der Inflationsrate. Die Lira bleibt damit für Anleger unattraktiv.

Türkei: Droht bald eine Zahlungsbilanzkrise?

Viele Ökonomen fürchten, dass die Türkei auf eine Leistungsbilanzkrise zusteuert. Diese Sorge bewog kürzlich die Ratingagentur Moody’s, die Kreditwürdigkeit des Landes auf B2 herunterzusetzen. Die Türkei liegt damit fünf Stufen unter der Kategorie der investitionswürdigen Schuldner. Erdogans Wirtschafts- und Finanzpolitik sei “langsam” und “unvorhersehbar”, Regierung und Institutionen seien “nicht willens oder nicht fähig”, die Herausforderungen aktiv anzugehen, kritisiert Moody’s. Der Staatschef reagierte grimmig auf die Herabstufung: “Macht doch was Ihr wollt, Eure Ratings sind bedeutungslos.”

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