„Versorgungskollaps“ befürchtet

Deutsche Unternehmen in Russlands Krieg: Und plötzlich schlagen Raketen ein

Die HHLA, Betreibergesellschaft auch vom Hamburger Hafen, sorgt sich um ihr Terminal in Odessa in der Ukraine.

Die HHLA, Betreibergesellschaft auch vom Hamburger Hafen, sorgt sich um ihr Terminal in Odessa in der Ukraine.

Hannover. Philip Sween hatte am Donnerstag gerade erst Entwarnung gegeben: In Odessa sei es bislang ruhig, erklärte der Manager des Hamburger Hafenbetreibers HHLA bei einer Pressekonferenz am Mittag – um zehn Minuten später einen frisch gemeldeten russischen Raketenangriff auf den ukrainischen Hafen kommentieren zu müssen. Die Hamburger betreiben dort ein Containerterminal – und rätseln wie viele deutsche Unternehmen, was der Krieg nun für sie bedeutet.

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„Sofern sich das bestätigt, wäre es schrecklich“, sagte Sween über die Attacke. Zuvor hatte HHLA-Chefin Angela Titzrath erklärt, dass die HHLA ihr Personal in Odessa nach Hause geschickt hat. „Der Hafen ist geschlossen, unsere Sorgen gelten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, erklärte Titzrath bei der Pressekonferenz in Hamburg. Deutsches Personal ist ihr zufolge längst ausgereist, die Ukrainer unterstütze die HHLA mit einem außerordentlich gezahlten zusätzlichen Monatsgehalt.

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Auf die Möglichkeit einer Eskalation vorbereitet hatte sich die HHLA laut Titzrath indes schon länger – was auch andere deutsche Unternehmen in der Ukraine bestätigten. Die Deutsche Bank hat für ihre ukrainischen Geschäfte laut ARD bereits Notfallpläne auf den Weg gebracht, die Lufthansa und die DB Schenker meiden den Staat nun ebenfalls. „Wir arbeiten an Notfallplänen für verschiedene Szenarien“, hieß es bei der Logistiktochter der Deutschen Bahn.

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„Niemand weiß, wie es weitergeht“, sagte Titzrath allerdings auch – und brachte damit die Stimmung in der deutschen Wirtschaft angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine auf den Punkt: Das Entsetzen ist groß, aber weder die viel Ware aus Russland importierende Holzwirtschaft noch deutsche Getreideverarbeiter konnten am Donnerstag die Folgen abschätzen. „Uns fehlen die nötigen Informationen“, erklärte auch ein Sprecher des Außenhandelsverbands BGA.

Keine riesigen wirtschaftlichen Schäden

Fest steht, dass Russland zwar ein wichtiger Energielieferant ist. Das Land stellt mit 59,8 Milliarden Euro Handelsvolumen aber keinen herausragenden Handelspartner für die Bundesrepublik dar, die Ukraine mit 8,5 Milliarden Euro erst recht nicht. „Die deutsche Wirtschaft ist mit der in Russland und der Ukraine nicht so eng verflochten, als dass es riesige Schäden geben könnte“, erklärt der Ökonom und Wirtschaftsweise Achim Truger im Gespräch mit dem RND.

„Klar ist, dass die Eskalation negative Effekte haben wird“, sagte Truger aber auch – zumal bis zum Abend unklar war, wie genau mögliche Sanktionen gegen Russland, russische Gegenmaßnahmen sowie die Reaktion der Finanzmärkte aussehen würden. „Der Anstieg der Rohstoffpreise und die Sanktionen werden die Wirtschaft auch in Deutschland belasten“, stellte Michael Holstein, Chefvolkswirt bei der DZ-Bank klar.

Verbände sind offen für Sanktionen

„Diese Sanktionen werden auch Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau haben“, erklärte auch Karl Haeusgen, Präsident des Verbands der Maschinenbauer (VDMA). Dessen Mitglieder gehören zu den Unternehmen, die vergleichsweise regen Handel mit Russland treiben, etwa mit Gerätschaften für die Öl- und Gasförderung.

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Nun seien der VDMA und seine Mitglieder fassungslos angesichts der russischen Attacke. „Der VDMA unterstützt die Entscheidung, die Aggression hart zu sanktionieren“, bekräftigte Haeusgen.

„Wir sind zutiefst erschüttert über den russischen Überfall auf die Ukraine“, hieß es am Donnerstag seitens des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. „Wir haben uns dabei immer auch als Brückenbauer gesehen, der zur politischen und gesellschaftlichen Verständigung und Aussöhnung mit der Region beiträgt“, sagte der Vorsitzende Oliver Hermes. Nun würden bisherige Erfolge massiv infrage gestellt. An „Freunde und Partner in Russland“ gewandt, appellierte Hermes, sich gegen den Krieg zu positionieren.

Versorgungskollaps dank fehlender Lkw-Fahrer?

Wie und an welchen Stellen deutschen Unternehmen nun geholfen werden kann und muss, ist bislang unklar. Schon am Mittwochabend hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klargestellt, dass es im Fall einer Eskalation an staatlichen Hilfsgeldern nicht mangeln werde. Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), sprach sich am Donnerstag dafür aus, einen europäischen Notfallfonds für betroffene Unternehmen aufzulegen.

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Ungemach droht allerdings auf anderer Ebene: Sowohl aus der Ukraine als auch aus dem mit Russland verbündeten Belarus stammen zahlreiche Lkw-Fahrer. „Jetzt im Kriegsfall werden diese Fahrer nach Hause fahren, um ihren Familien beizustehen oder Dienst an der Waffe zu leisten“, befürchtet der Logistikverband BLV-Pro – und warnte gar vor einem „Versorgungskollaps“ in Deutschland.

In derart drastische Warnungen wollte der ungleich größere Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) am Donnerstag nicht einstimmen. „Angesichts des europaweit grassierenden Lkw-Fahrermangels ist etwa ukrainisches oder weißrussisches Fahrpersonal vor allem bei auch in Westeuropa tätigen osteuropäischen Transportunternehmen kaum mehr wegzudenken“, sagte aber auch BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt gegenüber dem RND. Der BGL stehe deshalb bereit, um gegebenenfalls gemeinsam mit zuständigen staatlichen Stellen die Versorgung der Bevölkerung zu sichern, so Engelhardt weiter.

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