Kolumne „Börsenwoche“

Der Zinsschritt lässt die Börse kalt

Im Frankfurter EZB-Tower hat ein Umdenken eingesetzt.

Im Frankfurter EZB-Tower hat ein Umdenken eingesetzt.

Es war nur ein kurzes Zucken. Als der EZB-Rat am Donnerstag beschlossen hatte, die Leitzinsen um 75 Basispunkte zu erhöhen, rutschte der Dax ein wenig und erholte sich dann schnell wieder. Der Index beendete den Tag, als wäre nichts gewesen, und sprang am Freitag sogar wieder über 13.000 Punkte.

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Die beiden marktbewegenden Ereignisse der Woche hatten nichts mit der Notenbank zu tun: Am Montag hatte der Gaslieferstopp bei Nord Stream 1 die Kurse gedrückt, am Freitag wurden sie vor allem von erfreulichen Konjunkturdaten aus China nach oben getrieben.

Es war für einen immerhin historischen Zinsschritt eine ziemlich entspannte Reaktion. Natürlich wurde Geschichte hier, wie fast immer in der Geldpolitik, mit Ansage geschrieben: Seit dem Treffen vor zwei Wochen in Jackson Hole deutete alles auf den größeren Zinsschritt hin. Und selbst am Aktienmarkt, der steigenden Zinsen eigentlich überhaupt nichts abgewinnen kann, dominiert die Erleichterung darüber, dass sich die EZB nun endlich zu einer klaren Linie der Inflationsbekämpfung durchgerungen hat.

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Trotzdem sagte auch Präsidentin Christine Lagarde wenig, was Anleger optimistisch stimmen könnte. Bis ins nächste Jahr hinein werden sich die Zinserhöhungen fortsetzen, die Inflation aber trotzdem noch nicht unter 5 Prozent drücken. Nicht einmal 2024 wird sie nach aktueller Schätzung auf die angestrebten 2 Prozent sinken.

Eine Rezession sagen die EZB-Experten nicht voraus, solange Russland das Gas nicht völlig abstelle. An dieser Stelle im Manuskript fiel auch Lagarde selbst auf, dass das faktisch vor ein paar Tagen geschehen ist, und sie geriet kurz ins Stolpern. Nun ja, ein wenig Gas komme ja noch, schob sie nach. Das bisherige Basisszenario könnte sich schon bald als nächster Irrtum der EZB-Prognostiker erweisen.

Doch wo sollen Anleger ihr Geld lassen, wenn nicht in Aktien? Zwar sind die Zinsen hoch wie lange nicht, aber noch höher ist die Inflation. Die reale Rendite ist bei Zinsanlagen also tief im Minus – sogar tiefer als in den vergangenen Jahren. So mag die Lage am Aktienmarkt noch so wacklig sein: Mit einiger Geduld bietet er immerhin die Chance, die Inflation auszugleichen.

Trotzdem trauen sich die Aktienkäufer nicht wirklich weit nach vorn. Seit dem Frühjahr geht es stufenweise abwärts. Ob Ende März, Anfang Juni oder Mitte August: Die Markterholung genügte nicht, um die vorangegangenen Verluste auszugleichen. Jedes Mal lag das Zwischenhoch ein Stückchen tiefer. Unter diesen Vorzeichen sollte man wohl auch von der jüngsten Erholung nicht allzu viel zu erwarten – jedenfalls nichts Dauerhaftes. Schließlich kommt mit der Fed-Sitzung in zwei Wochen schon wieder die nächste Zinserhöhung in Sicht, und auch die US-Notenbank wird wohl eher nach oben ins Regal greifen.

Stefan Winter ist leitender Wirtschaftsredakteur des RND. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über Börse, Finanzmarkt, Aufstieg und Fall der Kurse – und über die Unternehmen dahinter.

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