Der BER eröffnet – und niemand will fliegen

Der Hauptstadtflughafen Willy Brandt (BER) eröffnet am Samstag.

Der Hauptstadtflughafen Willy Brandt (BER) eröffnet am Samstag.

Beim neuen Hauptstadtflughafen BER ist einiges speziell. Nicht nur das viel diskutierte Interieur mit seiner Nussbaumästhetik. Der Airport wird am Samstag mit neun Jahren Verspätung eröffnet. Er hat dreimal so viel gekostet, nämlich rund 6 Milliarden Euro, wie ursprünglich geplant.

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Wegen der Pandemie wäre die Betreibergesellschaft beinahe pleite gegangen. Covid ist auch der Grund dafür, dass er für das aktuelle Verkehrsaufkommen weit überdimensioniert ist. Zugleich dürfte er schnell an seine Kapazitätsgrenzen stoßen, wenn die Luftfahrt eines Tages wieder auf ihren Wachstumskurs zurückkehrt. Das hat damit zu tun, dass BER im Fliegerjargon ein Inbound-Airport ist. Also überwiegend auf ankommende Passagierjets angewiesen ist. Das ist typisch für touristische Destinationen – genau das macht Berlin so besonders.

Die Geschichte des kommerziellen Luftverkehrs zeigt, dass die großen Flughäfen fast ausnahmslos in den Peripherien der Metropolen entstanden sind, die zugleich auch Wirtschaftszentren sind. Aus dem denkbar einfachsten Grund: Eine große Zahl von Fluggästen ist schon vor Ort. Sie müssen nur noch mit dem Taxi oder mit Bussen und Bahnen zu den Abflugsteigen gebracht werden. Hinzu kommt, dass Metropolen natürlich auch immer Verkehrsknotenpunkte ausbilden, die auch von ferneren Gestaden gut zu erreichen sind. Das alles zusammen macht einen Outbound-Flughafen mit vornehmlich abfliegenden Maschinen aus. Bestes Beispiel ist die hiesige Nummer eins in Frankfurt.

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Immer mehr Startbahnen in der Provinz

Diese Logik wurde mit dem Ende des Kalten Krieges aufgebrochen. Die US-Armee gab zahlreiche Standorte ihrer Luftwaffe auf. Zugleich wurde die Luftfahrtbranche liberalisiert. Die große Zeit von Ryanair und Co. begann. Und zahlreiche Landespolitiker sahen die große Chance, ihre Wähler mit Startbahnen in der Provinz für den billigen Abflug in die große weite Welt zu beglücken: Outbound ohne dazugehörige Metropole. Noch immer zwei Dutzend Hauptverkehrsflughäfen, die maximal gut 100 Bahnminuten voneinander entfernt liegen, kämpfen derzeit um inzwischen ganz wenige Fluggäste. Die enormen Überkapazitäten hatten aber schon vorher einen Großteil der Airports zu Empfängern von Dauersubventionen gemacht. Hauptprofiteure waren die Billigflieger, deren Expansion letztlich mit Steuergeld finanziert wurde.

Dass das nicht gut gehen kann, ist schon lange klar. Seit zwei Jahrzehnten wird über ein nationales Flughafenkonzept diskutiert. Ohne Ergebnis, weil keiner der Landesfürsten auf seine Terminals verzichten will. Nun, in Zeiten des zweiten Lockdowns, wird der verkehrspolitische Irrweg überdeutlich. Und der in den märkischen Sand gesetzte BER, der ausgerechnet jetzt eröffnet wird, ist das mahnende Signal dafür.

Betreiber vor der Insolvenz gerettet

300 Millionen Euro wurden von den Eigentümern – dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg – zur Verfügung gestellt, um die Betreibergesellschaft kurz vor der Eröffnung vor dem Absturz in die Insolvenz zu retten. Für das kommende Jahr ist ein Darlehen von 550 Millionen Euro zugesagt. Und damit wird es nicht getan sein. Stimmen die Prognosen der Internationalen Luftfahrtorganisation, wird der Flugverkehr erst im Jahr 2025 wieder auf ein Vorkrisenniveau zurückkehren. Erst dann kann BER möglicherweise kostendeckend arbeiten – zumal der Betrieb als Inbound-Standort auf Touristen aus dem Ausland angewiesen ist.

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Aber auch alle anderen Airports werden in absehbarer Zeit nicht ohne die Hilfe von der öffentlichen Hand auskommen. Die Unterstützungen, für die der Steuerzahler geradesteht, müssen jetzt auf die Standorte konzentriert werden, die tatsächlich benötigt werden. Und deren Zahl ist gut überschaubar. Denn die Pointe ist: Selbst in besten Zeiten konnten gerade einmal sechs Flughäfen profitabel arbeiten. Aber es wird nicht nur wegen des Geldes langsam Zeit, das über viele Jahre verdrängte Thema endlich anzugehen. Denn die EU dringt darauf, dass die Subventionen für die Regionalairports eigentlich spätestens 2024 gekappt werden.

Letztendlich muss es um einen Verkehrsmix gehen, der nicht nur effizient ist, sondern zudem an den Klimaschutz denkt. Im Zentrum muss die Bahn stehen, aber natürlich auch als Zubringer für sechs oder vielleicht acht Flughäfen. BER wird dazu gehören.

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