Defi statt Bitcoin – ein Hoffnungsschimmer für angeschlagene Kryptowährungen?
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Bitcoin und Dogecoin – letztere Digitalwährung ist eigentlich aus einem Scherz heraus entstanden.
© Quelle: imago images/NurPhoto
Hannover. Der Absturz des Bitcoin ist kurzfristig gestoppt. Der Wert der Cyber-Währung unterschritt am Dienstag nur kurzfristig die psychologisch wichtige Marke von 30.000 Dollar – und stieg bis Mittwochmittag wieder auf 33.971 Dollar (28.393 Euro) an. Damit hat der Bitcoin womöglich eine Offensive chinesischer Regulierer fürs Erste überstanden. Allerdings bleiben weiterhin Zweifel an Kryptowährungen, wie eine neue Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom zeigt.
Demnach haben lediglich 3 Prozent der Deutschen bislang Bitcoin und Co. direkt gekauft. Immerhin 4 Prozent halten Fonds und ETFs, die auf Kryptowährungen spezialisiert sind. Denen misstrauen laut Bitcom allerdings 69 Prozent der Deutschen – trotz des wachsenden Interesses namhafter Investoren und trotz neuer Regulierungsmaßnahmen. „Bei der Mehrheit der Privatinvestoren in Deutschland hat das bisher nicht zu einem Vertrauensschub geführt“, sagt Patrick Hansen, Bereichsleiter Blockchain beim Bitkom.
Für Kryptowährungen sind das keine guten Nachrichten in einer Zeit, in der sie ohnehin viele Negativschlagzeilen produzieren. Am vergangenen Wochenende etwa schalteten chinesische Behörden mehrere sogenannte Bitcoin-Minen ab. In den Fabrikhallen rechneten zahllose Computer am Kryptografieverfahren herum – auf das sie irgendwann einen der seltenen kryptografischen Schlüssel finden, die in einer wertvollen digitalen Münze resultieren.
Nun sind mehrere der weltgrößten Bitcoin-Minen offline, es ist nicht der erste Schlag, den Bitcoin und Co. seitens chinesischer Behörden verkraften mussten.
Bitcoin verbraucht viel Strom
Diese begründeten die Entscheidung mit dem Energiehunger der Anlagen. Denn weltweit verbraucht das Bitcoin-Netzwerk einer Untersuchung der Universität Cambridge zufolge derzeit so viel Strom wie die Niederlande – was schon beim letzten Rückschlag für die Digitalwährung im Raum stand. Vor knapp zwei Monaten beschloss Autobauer Tesla, künftig doch lieber keine Bitcoins anzunehmen. Wenige Monate zuvor hatte Tesla-Chef Elon Musk noch das Gegenteil verkündet und dem Bitcoin zu einem Höhenflug verholfen.
Der ist mittlerweile vorbei, die im April erklommenen 64.000 Dollar pro Bitcoin sind in weite Ferne gerückt. Und überhaupt stellt sich die Frage, was Kryptowährungen überhaupt können, wenn sie schon nicht zum Bezahlen genutzt werden. „Diejenigen, die investieren, tun das insbesondere zur langfristigen Geldanlage und nicht in erster Linie, um Kryptowährungen als Zahlungsmittel zu nutzen“, sagt Hansen – und betont die Risiken, die für unerfahrene Anleger mit Investments in Kryptowährungen einhergehen.
Ist die dezentralisierte Finanzwirtschaft eine Chance für Kryptowährungen?
Hoffnung macht ihm, dass sich auf Basis von Kryptowährungen derzeit etwas Neues entwickelt: Die sogenannte „dezentrale Finanzwirtschaft“, kurz Defi, könnte Kryptowährungen zu einem echten Use-Case verhelfen. Denn die Defi-Anwendungen versprechen, ein neues Finanzsystem zu ermöglichen – in dem Banken im Grunde überflüssig werden.
Der technische Clou: Letztendlich sind Kryptowährungen in etwa mit einer SMS vergleichbar, in der beispielsweise die Ziffer „10“ steht. An sich ist diese wertlos. Es sei denn, die „10“ ist in einer sogenannten Blockchain verankert. Diese Sammlung an Programmcode ist das Herzstück der digitalen Währungen, in ihr sind zahllose Informationen gespeichert.
Ein gewaltiges Netzwerk aus Knotenpunkten im Internet stellt wiederum sicher, dass die Blockchain überall die gleichen Informationen enthält - zum Beispiel, dass irgendjemand irgendwann einmal die „10“ mit echten Euro unterfüttert hat. Verifiziert die Blockchain das, wird die „10“ mehr als eine bloße Ziffer, der Empfänger der Nachricht kann darauf vertrauen, dass in ihr ein echter Wert steckt.
Die dezentralisierte Finanzwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen
In Wirklichkeit sind Kryptowährungen einiges komplizierter, doch entscheidend ist an dieser Stelle etwas anderes: In der Blockchain können nicht nur Informationen zur digitalen Münze selbst, sondern auch sogenannte Smart Contracts enthalten sein. Bei der Beispiel-SMS ließe sich etwa programmieren, dass sie nach 30 Tagen zurück zum Absender geht. Wenn die entsprechende Programmierung ebenfalls in der Blockchain verankert ist, passiert das nach 30 Tagen tatsächlich. Die SMS samt ihres Inhaltes wäre also eine Art weltweit verfügbarer Kredit, der ohne jegliche Intermediäre wie Banken auskommt.
Letztendlich können so nicht nur Kredite, sondern auch Derivate und allerlei andere Finanzprodukte angeboten werden. Das weckte zuletzt zunehmend Interesse auch bei größeren Playern. Die Telekom etwa stieg im April beim Blockchain-Netzwerk Celo ein, T-Systems betreibt nun einen Teil der Infrastruktur des Defi-Anbieters.
Der nutzt die Technologie, um weltweit Finanzdienstleistungen per Smartphone anzubieten. So werden Kryptowährungen auch für jene nutzbar, die damit nicht nur spekulieren wollen – auch wenn das ganze noch in den Kinderschuhen steckt. „Man kann schon heute Defi-Anwendungen nutzen, aber vom Massenmarkt ist es noch weit entfernt“, meint etwa Hansen.
Eine Hoffnung für den Bitcoin sind die Defi-Anwendungen indes nicht: Sie fußen meist auf anderen Kryptowährungen wie Ethereum, weil das Bitcoin-Protokoll die entsprechenden Funktionalitäten nicht bietet.