Das Kabel-Privileg für Mieter steht vor dem Aus
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Mietshaussiedlung in Dortmund: Kabelgebühren wurden bisher über die Nebenkosten abgerechnet - der Monopolkommission ist das schon länger ein Dorn im Auge (Symbolbild).
© Quelle: imago images/Hans Blossey
Frankfurt am Main. Wenn die Politik in unregelmäßigen Abständen am Telekommunikationsgesetzes (TKG) schraubt, wird meist das Nebenkosten-Privileg zum Thema. So auch aktuell: Der Entwurf einer Gesetzesnovelle liegt vor, derzeit läuft noch die Ressortabstimmung. Die neuen Regelungen sollen noch im Herbst beschlossen werden. Mit dem Verweis auf Empfehlungen der Monopolkommission und den Kodex der EU für elektronische Kommunikation schlagen das Wirtschafts- sowie das Verkehrs- und Infrastrukturministerium vor, Paragraph 2 der Betriebskostenverordnung für Mietwohnungen zu streichen. Dort steht, dass die Aufwendungen für Breitbandanschlüsse und -verteilanlagen zu den umlagefähigen Kosten gehören.
Seit dem Bau der TV-Kabelnetze in den 1980er Jahren werden die Kabelgebühren in Millionen Mietwohnungen wie die Ausgaben für den Anzug oder den Hausmeister behandelt. Das hat für die Mieter den großen Vorteil, dass sie von einer Art Mengenrabatt profitierten. Die Netzbetreiber können nämlich günstige Preise machen, weil sie im Prinzip nur ein dickes Kabel zu dem Mietshaus legen müssen, um viele Kunden auf einmal zu erreichen. Die Vermieter haben indes die Leitungen für den TV-Empfang obligatorisch in alle Wohnungen verlegt und kassieren auch von allen Mietern die Gebühren über die Nebenkosten. Der Gemeinschaftsanschluss ist mit durchschnittlich acht bis neun Euro im Monat weniger als halb zu teuer wie ein vergleichbarer Einzelanschluss.
Nebenkosten-Privileg: Vodafone profitiert bisher
Wichtigster Nutznießer der derzeitigen Regelung ist Vodafone. Der Konzern ist der mit weitem Abstand der größte Kabelnetzbetreiber hierzulande. Mit seinen Leitungen kann das Unternehmen zudem schnelle Internetverbindungen bei Mietern vermarkten.
Das Nebenkosten-Privileg erzeugt deshalb zunehmend Ärger bei der Konkurrenz. Und auch die Monopolkommission, die die Bunderegierung berät, hat es mehrfach kritisiert: Der Wettbewerb werde eingeschränkt: Ein Mieter, der über einen Kabelanschluss verfügt und ohnehin dafür zahlen muss, hat wenig Interesse, sich die bewegten Bilder über eine andere Zugangstechnik zu bestellen – etwa über terrestrisches Digital-Fernsehen (DVBT) oder über die DSL-Internet-Leitung der Deutschen Telekom. Hinzu kommt: Der EU-Kodex schreibt vor, dass Verträge nicht länger als zwei Jahre laufen sollen. Die Kabelanbieter haben hingegen mit den Vermietern langfristige Kontrakte abgeschlossen, die in der Regel für zehn Jahre gelten. Mit der Streichung des Paragraphs in der Betriebskostenverordnung wären solche Regelungen nicht mehr möglich.
Und damit wäre es aber auch mit Mengenrabatten und den preiswerten Anschlüssen vorbei. Der Kabelverband Anga rechnet mit Mehrkosten von bis zu 200 Euro pro Haushalt und Jahr. Unter den zwölf Millionen Betroffenen sollen sechs Millionen Rentner und eine Million Hartz-IV-Empfänger sein. Die Reichweite des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks würde laut Anga schrumpfen, etwa eine Million Menschen könnten den Zugang zur TV-Versorgung verlieren.
Experte: Vermieter brauchen Planungssicherheit
Muss das alles sein? Wolfgang Schulz, renommierter Medienrechtler an der Uni Hamburg, meint: nein. “Die aktuelle Regelung betrifft nach meiner Rechtsauffassung weniger das Telekommunikationsrecht, als vielmehr das Mietrecht. Genauer gesagt das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter”, sagte Schulz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die interne Verkabelung in Mietshäusern verlange hohe Investitionen. Deshalb sei es angemessen, dass für den Vermieter Planungssicherheit geschaffen werde. “Das Instrument dafür sind die Umlagezahlungen von allen Mietern.”
Für Schulz muss der Kabelanschluss wie jedes andere spezifische Merkmal einer Wohnung betrachten werden, etwa eine bestimmte Art der Heizung oder eine Tiefgarage. Bei solchen Infrastruktureinrichtungen sei es akzeptabel, dass die Wahlfreiheit der Mieter eingeschränkt werde. “Die aktuelle Regelung kann deshalb so belassen werden, wie sie derzeit ist. Die Regelwerke der EU lassen dafür ausreichend Spielraum”, so der Professor für Medienrecht. Es bestehe also gar kein Handlungsdruck.
Kommission will mehr Wettbewerb
Und wie sieht es mit dem Wettbewerb aus? Die Monopolkommission vertritt seit Jahren die Position, dass das Nebenkosten-Privileg wie eine Eintritts-Hürde in den Telekommunikationsmarkt wirkt und damit mehr Konkurrenz somit letztlich günstigere Preise verhindert. Allerdings ist für Branchenkenner klar, dass nicht Newcomer, sondern zuallererst die Ex-Monopolist Telekom von einer Streichung des Privilegs profitieren würde. Mutmaßlich würde der Bonner Konzern in Mietshäusern massiv in die Vermarktung von Einzelverträgen für TV via Internet einsteigen.
Stephan Korehnke, Regulierungs-Chef bei Vodafone Deutschland, betont unterdessen: “Die Umlagefähigkeit belebt den Wettbewerb.” Schließlich könnten alle Infrastrukturbetreiber TV-Angebote offerieren, die über die Umlage abgerechnet werden. “Vermieter entscheiden frei, mit welcher Technologie ihre Mieter versorgt werden sollen”, sagte Korehnke dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Für die Anbieter sei das Ansporn, die Zugangstechnologien für TV stetig zu verbessern.
RND