Kolumne „Chefinnensache“

Das große Comeback des totgesagten stationären Einzelhandels

Die Kaufingerstraße in München.

Die Kaufingerstraße in München.

Es gab eine Zeit, da konnte eine mittelmäßige Marke mit mittelmäßigem Produkt maximale Erfolge über reines Onlinemarketing erzielen: Man schaltete günstig Werbung auf sozialen Medien und war damit oft erfolgreich.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Daraus wuchs ein neuer Start-up-Trend, der sich „Direct-to-Consumer“ nannte: Das war der Beginn vieler bekannter Instagram-Marken. Parallel dazu entstand das Influencer-Marketing. Eine neue Ära des Onlinevertriebs wurde geboren.

Den Handel zu umgehen hatte einen riesengroßen Vorteil: Die Marken können die hohen Eintrittsbarrieren und Handelsmargen umgehen und bessere Preise an den Endverbraucher abgeben, sie gewinnen mehr Einfluss auf ihren Vertrieb, können ihre Zielgruppe präziser ansprechen und den Streuverlust verringern.

Der Hype nahm richtig Fahrt auf, vor allem in der Corona-Krise. Als ich letztes Jahr saint sass gründete, verkauften wir unsere Strumpfhosen ausschließlich online, und es lief richtig gut. Stationärer Einzelhandel? Keine Priorität. Der Onlineverkauf war flexibler, schneller, günstiger.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Bis jetzt. Denn der totgesagte stationäre Einzelhandel erlebt gerade ein überraschend großes Comeback.

Was noch vor zwei Jahren als konservativ abgetan wurde, trifft jetzt auf große Wertschätzung: Der stationäre Einzelhandel bringt gewisse Stabilität und Planbarkeit mit. Etwas, womit Onlinemarketing nicht mithalten kann. Und so langsam auch nicht mit den Preisen.

Denn auch die Kosten für Onlinewerbung steigen durch viele Faktoren rasant an, bei gleichzeitig wachsender Werbeüberreizung der User. Nebenbei sitzt das Risikokapital nicht mehr so locker, und die Devise hat sich verändert: Weg vom schnellen Wachstum, sofort hin zu grünen Zahlen. Die Start-up-Szene hat daraufhin eine Welle von Kündigungen erlebt.

Auch wir mussten unseren Businessplan hinterfragen und nahmen uns vor einigen Wochen den Handel vor: Naiv lief ich in meiner Heimat Hannover und Celle von Geschäft zu Geschäft, die Ernüchterung kam schnell: So leicht war das nicht. Kein Geschäft hat auf uns gewartet. Im Gegenteil: Die Einkäufer wirkten wie strenge Türsteher, die jeden ablehnten, den sie nicht kannten.

Wir haben schnell aus der Ernüchterung gelernt und unsere Strategie in wenigen Wochen angepasst. Mit Erfolg. Mittlerweile sind wir in über 80 Geschäften vertreten und haben den stationären Einzelhandel neu lieben gelernt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Man merkt uns zwar immer noch an, dass wir Generation online sind, aber ich hoffe, man nimmt mir Sätze wie „Die Handelsverpackung ist wie die Internetseite der Marke“ oder „Karstadt ist wie Amazon zum Reingehen“ nicht ganz so übel. Wenn ich Merkels Zitat umdeuten darf: Analoges Verkaufen ist für uns Neuland. Aber wir lernen dazu!

Vivien Wysocki ist Gründerin des Modelabels saint sass, politisch engagiert und arbeitet als internationales Model. Sie studierte Medienmanagement in Hannover und lebt in Berlin. Im Wechsel mit anderen Autorinnen schreibt sie die RND-Kolumne „Chefinnensache“ über Gleichstellung, Digitalisierung und den weiblichen Blick auf die Wirtschaft. Alle bisherigen Beiträge finden Sie hier.

Mehr aus Wirtschaft

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken