Corona und Karriere: Die Krise der Frauen?
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Homeoffice am Küchentisch: Oft genug ist das anstrengend - und meist trifft es Frauen.
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
In puncto Gleichstellung gefährden Corona-Krise und Einschränkungen im Alltag die Fortschritte der vergangenen Jahre: Wissenschaftlerinnen befürchten eine „Retraditionalisierung”. Auch vor beruflich erfolgreichen Frauen macht die nicht halt, wie die Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VDU) warnt: „Das sehen wir definitiv”, sagte Jasmin Arbabian-Vogel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Knackpunkt ist vor allem die Sorgearbeit: Seit Schulen, Kitas und Betreuungseinrichtungen geschlossen sind, obliegt es häufig wieder den Familien, sich um Kinder und pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Bei Berufstätigen resultiert das in einer Doppelbelastung, die oft - wenn auch nicht immer - Frauen trifft. Dass diese mehr unter den Corona-Einschränkungen leiden, zeigen längst Studien, wie etwa vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).
Eine absolute Belastungssituation
„Ich weiß von vielen anderen Unternehmerinnen, dass das gerade eine absolute Belastungssituation ist”, berichtet auch Arbabian-Vogel. Sie führt mehrere Pflegedienste, ist als VDU-Chefin zugleich gut vernetzt - und nennt ein Beispiel aus den Videokonferenzen ihres Verbands: „Wir sind in unseren Videokonferenzen zehn Frauen. Es gab keine Sitzung, in die nicht ein Kind reinplatzte, dass etwa seinen Buntstift nicht fand - bei dem der Mann keine Ahnung hatte, wo der sein könnte.”
Von einem ähnlichen Muster berichteten in den vergangenen Wochen zahlreiche Frauen, unabhängig davon, wo sie beruflich tätig sind. „Der Vater hält sich für systemrelevant, die Mutter steht nach acht Wochen Homeoffice und Kinderbetreuung kurz vorm Burnout”, beschreibt Laura Dornheim, Teamleiterin bei der Berliner Softwareschmiede Eyeo, eine Situation aus ihrem Umfeld.
Führt Corona zum Karriereknick?
Als promovierte Gender-Wissenschaftlerin blickt Dornheim kritisch auf die wegen Corona erschwerte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Corona-Krise könnte die Karrierechancen von Frauen „massiv” reduzieren, befürchtet sie. Schon allein, weil die aktuelle Mehrfachbelastung der Frauen dazu führen könne, dass Männer künftig als die „krisenfesteren” Angestellten gelten. Es drohe eine „entsetzliche Retraditionalisierung”, bei der Mütter wieder in die Rolle des Heimchens am Herd gedrängt werden könnten, mahnte auch die WZB-Soziologin Jutta Allmendinger am Sonntag bei „Anne Will”.
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„Es ist zu früh, zu sagen, dass die Corona-Krise Karrierechancen von Frauen beeinflusst. Denkbar ist es, aber es gibt meines Wissens nach keine Daten dazu”, betont allerdings Birgit Wintermann, bei der Bertelsmann-Stiftung für die Forschung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zuständig. Sie geht davon aus, dass das Problem nicht bei allen Familien und allen Unternehmen gleich groß ist. „Jetzt zeigt sich gegebenenfalls, was in Unternehmen versäumt wurde - ähnlich wie beim mobilen Arbeiten, wo die Unternehmen einen Vorteil haben, die da schon länger auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen”, so Wintermann.
Überlastete Mitarbeiterinnen auch für Unternehmen ein Problem
Die Vorteile einer bereits erfolgten Umstellung liegen auch in der Coronakrise auf der Hand: Mitarbeiterinnen werden so im Unternehmen gehalten. „Wenn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen be- oder sogar überlastet sind, können sie nicht kreativ und innovativ sein”, ist Wintermann außerdem überzeigt.
Und tatsächlich gibt es Positivbeispiele aus der Geschäftswelt. Arbabian-Vogel berichtet, kurzerhand eine eigene Kita für ihre als systemrelevant geltenden Pflegekräfte gegründet zu haben. Andere Unternehmen gewähren bezahlten Sonderurlaub, richten gar eine psychologische Betreuung ein, wie Dornheim berichtet. Ihr Arbeitgeber Eyeo habe im EDV-System die Möglichkeit geschaffen, einzutragen, wenn mal für einige Stunden die Kinder im Vordergrund stehen - bezahlt werde die Zeit trotzdem.
Wie geht es mit Schulen und Kitas weiter?
Eigentlich ist auch die Politik gefragt. Deren Diskussion ist in den vergangenen Wochen aus Sicht von Kritikerinnen wie Allmendinger eher um den Neustart von Industrie und Gewerbe als um die Situation in Familien und die Öffnung von Kitas und Schulen gekreist. Wie groß das Ansteckungsrisiko dort ist, ist unter Epidemiologen umstritten, Einschränkungen bei Bildungseinrichtungen und Betreuungsangeboten könnte es noch eine Weile geben.
Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schlagen deshalb eine Art Corona-Elternzeit vor. Diese befürwortet auch Arbabian-Vogel. Sie betont zugleich, dass das nur gewährt werden sollte, wenn beide Ehepartner es gleichermaßen nutzen, die Sorgearbeit also paritätisch verteilt wird.
“Wir müssen an die Rollenbilder ran”
Jasmin Arbabian-Vogel
Denn der Unternehmerin ist wichtig, dass Karriechancen nicht nur von Betreungs- und Unterstützungsangeboten abhängig sein sollten. „Wir müssen an die Rollenbilder ran”, sagt sie. Doch die sind auch in Corona-Zeiten nicht einfach zu knacken. Oft verdienen Männer mehr als Frauen, setzen sich deshalb etwa in Diskussionen über die Nutzung des einzigen Arbeitszimmers durch. „Und dann sitzt die Frau im Homeoffice am Küchtentisch zwischen den Kindern”, sagt Arbabian-Vogel.