Corona: Deutschlands Bäckereien in der Krise
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Eine Verkäuferin greift in einer Bäckerei und Konditorei in den Auslagen des Geschäfts nach einem Brot.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Berlin. Die wenigsten Bäcker hätten sich das noch vor wenigen Wochen vorstellen können: Die Kunden kommen mit Mundschutz zu ihnen und dürfen vor dem Tresen nicht mehr nebeneinander stehen. Kaffee zu trinken, ist selbst an den Stehtischen verboten. Und auch Pflaumenkuchen oder Käsebrötchen gibt es nur noch "to go". Die Mehrzahl der Bäckereien hat heutzutage einen Café-Bereich, darf ihn wegen der Corona-Pandemie seit Wochen aber nicht mehr öffnen.
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schätzt, dass die Umsätze um 40 Prozent eingebrochen sind, in Einzelfällen sogar um 90 Prozent. Die Branche fürchtet eine Pleitewelle, falls es nicht bald zu Lockerungen der Corona-Regeln kommt. Nur eins geht derzeit gut - und das ist Brot.
Brot nur im Augenblick wieder mehr gefragt
Das eine hängt mit dem anderen zusammen: Weil Restaurants und Cafés geschlossen sind, essen in der Corona-Krise deutlich mehr Menschen zu Hause. Zum Abendbrot wird häufiger wie in früheren Zeiten eine Stulle geschmiert. Brot ist deshalb wieder mehr gefragt, dafür halten sich die Kunden sei Beginn der Corona-Krise bei Kuchen und Torten zurück - auch weil Kaffeeklatsch und Geburtstagstafeln weitgehend ausfallen.
Ob der Trend zum Brot nachhaltig ist, lässt sich bezweifeln. Die langfristige Entwicklung sieht anders aus. Im vergangenen Jahr tischte jeder Haushalt in Deutschland den Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge im Durchschnitt 39,9 Kilogramm auf, im Jahr davor waren es noch gut zwei Kilo mehr. Insgesamt kauften die privaten Haushalte 1.611.000 Tonnen Brot, ein Minus von 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Zahl der Bäckereien geht seit Langem zurück
Immerhin das: Brot ist in Deutschland Standard, fast jeder Haushalt kauft es - 97,9 Prozent. Aber im mittelfristigen Vergleich eben seltener und weniger. Das liegt nach Einschätzung des Bäckerhandwerks an Trends, die sich nicht schnell umkehren lassen. Dazu gehört, dass die Menschen in Deutschland insgesamt weniger zu Hause essen, mehr zu Snacks greifen und nicht mehr Tag für Tag im Kreis der Familie am Abendbrottisch sitzen wie zu Zeiten ihrer Großeltern.
Und noch etwas ist klar erkennbar: Brot gibt es nicht mehr nur vom Bäcker. Die Zahl der Bäckereien geht seit Langem zurück. Derzeit gibt es bundesweit noch rund 10.500, die in der Handwerksrolle eingetragen sind - mit etwa 45.000 Filialen. Allein im Jahr davor waren es noch 500 Betriebe mehr, 2008 gab es noch gut 15.000. Laut Zentralverband sind 62 Prozent der Bäckereien kleine mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 500.000 Euro.
Starke Konkurrenz
Die größte Konkurrenz sind Supermärkte und Discounter. Dort ist das Angebot deutlich gewachsen und das Brotregal inzwischen oft meterlang. Neben Schwarzbrot und Mischbrot, geschnitten und abgepackt, gibt es längst auch ganze Brote und Sorten, die nicht typisch nach Discounter klingen: Vom Dinkelbrot mit Sonnenblumenkernen über die Mehrkornvariante bis zum Bio-Roggenmischbrot, bei dem das Pfund nicht einmal 1,60 Euro kostet.
Bio-Brot gehört nach Angaben des Verbands Deutscher Großbäckereien inzwischen fest zum Sortiment. Der Zentralverband des Bäckerhandwerks räumt ein, dass die Konkurrenz beim Preis eine Stärke hat: "Aufgrund deutlich anderer Kostenstrukturen kann der Lebensmitteleinzelhandel Brot deutlich preiswerter anbieten."
Der eine oder andere Kunde weiß womöglich gar nicht, ob sein Brot nun aus dem Familienbetrieb oder der Großbäckerei kommt. Viele Backstationen im Supermarkt eiferten traditionellen Bäckereien mittlerweile zumindest optisch nach, kritisiert der Zentralverband, der den Begriff "Bäckerei" am liebsten schützen lassen möchte.
Ob die Corona-Krise das Kundenbewusstsein schärft, muss sich noch zeigen. Aktuell ist die Nachfrage nach Brot dem Verband Deutscher Großbäckereien zufolge auch im Lebensmitteleinzelhandel gestiegen.
RND/dpa