Computerchips: Die EU‑Kommission will mit Milliardensubventionen in die Weltspitze
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Daumen hoch: Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht während einer Pressekonferenz am EU-Hauptsitz in Brüssel. Mit einem milliardenschweren Plan soll die EU künftig von einem Mikrochipmangel verschont bleiben.
© Quelle: Virginia Mayo/Pool AP/dpa
Frankfurt. Um große Worte war Ursula von der Leyen auch diesmal nicht verlegen. Der Chips Act werde ein Gamechanger für die globale Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarkts, so die Präsidentin der EU-Kommission am Dienstag. Mehr als 43 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren mobilisiert werden, um die Europäische Union in der Halbleiterbranche nach vorne zu bringen.
Der größte Teil – etwa 30 Milliarden – ist als Subventionen für den Bau von Chipfabriken vorgesehen. Mit dem Rest sollen grob formuliert vor allem Forschung und Entwicklung, Pilotprojekte und Start-ups gefördert werden.
Von der Leyen schwebt aber auch eine Art gemeinsames Frühwarnsystem der Kommission und der Mitgliedsstaaten vor, das die Versorgung der Industrie mit Halbleitern beobachtet und Engpässe antizipiert, um rechtzeitig gegenzusteuern, was Knappheiten verhindern soll.
Das ist eine Lehre aus den Verwerfungen, die vor fast einem Jahr deutlich wurden und noch immer anhalten. Vor allem der für Deutschland so wichtigen Autobranche fehlten plötzlich Chips. Ganze Werke mussten zeitweise geschlossen werden, die Produktion ist noch immer nicht auf Normalniveau. Das zeigt, wie dringlich die Angelegenheit ist.
Europa ist im vergangenen Jahrzehnt in der Chipfertigung heftig zurückgefallen. Weit verbreitet war unter Politikern und Managern die Ansicht, dass man dieses sehr komplizierte Geschäft durchaus anderen überlassen könne. Asien ist mittlerweile mit großem Abstand dominierend in der Produktion von Halbleitern.
Von der Leyen will auch global eine „industrielle Führerschaft in dieser strategischen Branche“
Jetzt hat sich die EU ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Der Weltmarktanteil europäischer Chips soll bis 2030 von derzeit 10 auf 20 Prozent gesteigert werden. Das läuft in etwa auf eine Vervierfachung der produzierten Bauteile hinaus, da nach Hochrechnungen aller namhaften Marktforscher die globale Nachfrage in den nächsten Jahren deutlich steigen wird.
Das Hochfahren der Fertigung soll zuerst den europäischen Eigenbedarf decken. Von der Leyen will aber auch global eine „industrielle Führerschaft in dieser strategischen Branche“ erringen. In Brüssel ist bei diesem Thema viel von „digitaler Souveränität“ die Rede. Tatsächlich gehen viele Experten davon aus, dass Halbleiter auf dem Weg sind, zum wichtigsten Rohstoff der Weltwirtschaft zu werden. Also könnten sie im Konfliktfall dann auch als geopolitische Waffe eingesetzt werden – dabei denken viele natürlich zuerst an China.
Wobei die Halbleiter für Taiwan längst eine zentrale strategische Funktion haben. So unterstützt die dortige Regierung Firmen wie die Branchengröße TSMC mit immensen Summen, auch um sich vor der übermächtigen Volksrepublik zu schützen, die den kleinen Inselstaat permanent bedroht. TSMC ist für viele westliche Staaten von großer Bedeutung, beliefert das Unternehmen doch unter anderem die wichtigen Computer- und Smartphone-Hersteller sowie beinahe die gesamte Autobranche.
Von der Leyen sieht indes den Schlüssel für eine erfolgreiche Aufholjagd in „Europas Innovatoren“ und in „Weltklasseforschern“. Man hat tatsächlich was vorzuweisen, etwa die niederländische Firma ASML, die weltweit führend ist bei Lithografieverfahren mit ultraviolettem Licht, um die Transistoren der Chips zu fertigen. Hinzu kommt das global führende Forschungszentrum Imec in Belgien.
Intel plant Investitionen von rund 20 Milliarden Euro
Pat Gelsinger, Chef des Chipriesen Intel, hat Imec und ASML als „Perlen“ bezeichnet. Und er hat angedeutet, dass sein Konzern nebeneinander zwei neue Fabriken in Europa bauen will. Die Entscheidung über den Standort soll bald fallen. Auch Gewerbegebiete in Deutschland sollen gute Chancen haben.
Intel plant Investitionen von rund 20 Milliarden Euro, soll dafür aber Subventionen von etwa 8 Milliarden verlangen. Christin Eisenschmid, Intel-Deutschland-Chefin, hat den Chips Act schon mal gelobt. Der Vorschlag gebe Impulse für Investitionen von Intel und von anderen Unternehmen der Halbleiterbranche, sagte Eisenschmid dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft derweil auf eine Reihe weiterer Chipfabriken in der EU. Er setzt darauf, dass integrierte Schaltkreise mit winzigen Strukturgrößen von zwei Nanometern dort hergestellt werden, was eine enorme Leistungsfähigkeit ermöglicht – übrigens beherrschen bislang lediglich die Maschinen von ASML die lithografischen Anforderungen für diese Highend-Halbleiter.
Ohne staatliche Subventionen geht beim Bau neuer Chipfabriken gar nichts. Die 30 Milliarden Euro sind dabei trotz der hohen Summe dennoch eine überschaubare Förderung. Dies lässt sich daran erkennen, dass Intel in den nächsten zehn Jahren insgesamt 100 Milliarden Dollar (87 Milliarden Euro) investieren will. TSMC plant sogar nur für dieses Jahr mit rund 40 Milliarden Dollar und Samsung mit mehr als 30 Milliarden.
Wie schnell die Ziele der EU-Kommission umgesetzt werden können, wird derweil stark von den Mitgliedsstaaten abhängen. Von denen soll nämlich der allergrößte Teil des Geldes kommen. Laut Finanzdienst Blomberg will die Brüsseler Kommission nur etwa 15 Prozent aus eigenen Mitteln bestreiten.