Geldgeber in der Krise: Chinas intransparente Kreditvergabe an Entwicklungsländer
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Die chinesische Reederei Cosco im Hafen von Piräus in Griechenland: Vor allem im Rahmen der sogenannten „Neuen Seidenstraße“ baut China Infrastruktur in finanzschwachen Staaten und Entwicklungsländern und vergibt Kredite in Milliardenhöhe.
© Quelle: picture alliance / Photoshot
Als Sri Lanka während der Pandemie unter einem zunehmenden Schuldenberg ächzte, beging die Regierung einen folgenschweren Fehler: Anstatt ihre Verbindlichkeiten allmählich abzubezahlen, nahm sie immer nur weitere Kredite auf – und zwar von chinesischen Geldgebern. Umgerechnet knapp 3 Milliarden Euro flossen 2020 und 2021 von der Volksrepublik in den südasiatischen Inselstaat.
Spätestens seit dem existenziellen Ausnahmezustand in Sri Lanka steht nun erneut die Kreditvergabe Chinas an Entwicklungsländer in der Kritik. Nicht selten heißt es, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hauptverantwortlich für hoch verschuldete Regierungen im globalen Süden sei. Doch die Realität ist wesentlich komplexer – und einige der Vorurteile gegenüber Chinas angeblichen Knebelverträgen stellen sich bei näherer Betrachtung als Mythos heraus.
Erst seit Mitte der 2000er-Jahre spielt Peking überhaupt eine nennenswerte Rolle als Gläubiger auf dem internationalen Parkett. Seither jedoch haben die Kreditvolumen rasant zugenommen: Allein in den letzten 15 Jahren hat die Volksrepublik mindestens 500 Milliarden Dollar an Schwellen- und Entwicklungsländer vergeben – und damit ein höheres Kreditvolumen erreicht als die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IMF) zusammen.
Das hat vor allem mit der sogenannten „Belt and Road“-Initiative zu tun. Das in den Medien oft auch als „Neue Seidenstraße“ bezeichnete Projekt beinhaltet den Export von riesigen Infrastrukturmaßnahmen, die China in Dutzenden Ländern betreibt – also etwa den Bau von Häfen, Autobahnen, Brücken und Kraftwerken.
Ein Vorzeigeprojekt ist etwa das Hochgeschwindigkeitszugnetz zwischen dem südchinesischen Kunming und der laotischen Hauptstadt Vientiane, das Ende 2021 eingeweiht wurde. Die Strecke soll knapp 6 Milliarden Dollar gekostet haben, was rund einem Drittel des laotischen Bruttoinlandsprodukts entspricht.
Weniger Entwicklungshilfe als Geldmacherei
Grundsätzlich ist es durchaus erfreulich, dass China solche Projekte in ärmeren Regionen vorantreibt. Doch um Entwicklungshilfe oder Uneigennützigkeit geht es dabei keineswegs. Die Kredite sind oftmals knallhartes Geschäft: Die Laufzeiten sind kurz, die Zahlungskonditionen marktüblich.
Die Hauptkritik jedoch betrifft die Intransparenz: Chinas Staatsbanken tendieren mittlerweile dazu, immer mehr vergebene Schulden über komplizierte Firmenkonstrukte zu verstecken, sodass diese nicht in den offiziellen Statistiken auftauchen. Das ist insofern problematisch, als dadurch die finanzielle Situation von Entwicklungsländern zunehmend verschleiert wird. So können internationale Kreditgeber etwa immer schwerer die tatsächliche Bonität von bestimmten Ländern einschätzen.
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Und wie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des US-Forschungszentrums für Entwicklungsfinanzierung Aid Data im letzten Jahr in einer Studie dokumentierten, geht die Geheimhaltung bei den bilateralen Verträgen über das normale Maß weit hinaus: Nicht selten mussten sich die Schuldner verpflichten, sogar nicht einmal über die Existenz von bestimmten Krediten öffentlich zu sprechen.
Trotz aller moralischen Problemstellungen ist es dennoch wichtig, die Größenverhältnisse in Relation zu sehen. Wie beispielsweise die in London ansässige NGO Debt Justice recherchierte, machen chinesische Geldverleiher nur rund 12 Prozent der Schulden afrikanischer Staaten aus. Der wesentlich größere Teil entfällt auf private Geldgeber aus dem Westen, die etwa 35 Prozent der derzeitigen Kredite an Afrika vergeben haben – und im Schnitt doppelt so hohe Zinsen verlangen. Selbst wenn man also einberechnet, dass China viele Kredite nicht offiziell ausweist, machen diese nicht das Hauptproblem vieler Entwicklungsländer aus.
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