Kronkorken, Flaschen, Sudhaus

Wie das Bier vom Gas abhängt

Bierflaschen in einer Industrieanlage: Wenn Russland das Gas abstellt, wird es an vielen Stellen kritisch.

Bierflaschen in einer Industrieanlage: Wenn Russland das Gas abstellt, wird es an vielen Stellen kritisch.

Nürnberg. Peter Hintermeier kennt sich aus in der Welt des Bierbrauens wie kaum ein anderer. „Es gibt Sollbruchstellen, die haben wir bisher so nicht wahrgenommen“, sagt der Geschäftsführer des weltgrößten Hopfendienst­leisters Barth-Haas aus Nürnberg. Der Familienbetrieb erstellt jedes Jahr einen Hopfenbericht, der für viele so etwas wie die Bibel der Bierbranche ist.

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Die Präsentation der aktuellen Ausgabe ist vor allem ein Dokument des Bangens und großer Unsicherheit. „Brauereien zählen zu den Industrien mit dem höchsten Gasbedarf“, erklärt Hintermeier. Die meisten von ihnen hätten vor allem in den Sudhäusern traditionell Gasbrenner im Einsatz. Abhängig von diesem Energieträger sind aber auch Mälzer, Hersteller von Bierflaschen und selbst die von Kronkorken.

Keiner weiß, wie Gas ersetzt werden könnte

Niemand in der Produktionskette wisse, ob Russland den Gashahn noch völlig zudreht oder in welchem Ausmaß es im eigenen Betrieb gelingt, Gas als Energieträger zu ersetzen, betont der Hopfenmanager mit seinem Einblicken in die Verästelungen der Branche. Die geringsten Probleme erwartet Barth-Haas noch in der eigenen Domäne, dem Hopfen. Zumindest gilt das kurzfristig.

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Hier drohe zwar nach der Trockenheit der letzten Wochen Ende August eine ziemlich unterdurchschnittliche Hopfenernte, schätzt Heinrich Meier als Autor des Hopfenreports. Nach drei überdurchschnittlichen Ernten von 2019 bis 2021 seien aber die Hopfenlager mehr als voll. Insofern wäre eine schlechte Ernte dieses Jahr kein Beinbruch. Auch spielt Gas in der Hopfenverarbeitung keine große Rolle. Dafür aber bedrängen Kostensteigerungen.

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„Produktionskostensteigerungen in Verbindung mit Überproduktion, wie wir sie die letzten Jahren hatten, sind eine gefährliche Kombination“, betont Hintermeier. Einziger Ausweg seien da Flächenreduzierungen, ergänzt Kollege Meier. Der werde die USA und Deutschland als die beiden globalen Hauptanbauländer für Hopfen gleichermaßen treffen. Dortige Hopfenbauern beherrschen rund drei Viertel des Weltmarkts. Für 2022 zeichnet sich nun eine Reduzierung der globalen Hopfenanbaufläche um 360 Hektar an. „Das kann aber nur ein erster Schritt sein, das reicht bei Weitem nicht aus“, betont Meier bei weltweit fast 63.000 Hektar Anbaufläche.

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Bier wird teurer

Steigende Produktionskosten verspüren aktuell alle entlang der Wertschöpfungskette für Bier, weshalb Preissteigerungen auch als unausweichlich gelten. Vor allem in Deutschland trifft das zudem auf eine nach zwei Jahren Pandemie angeschlagene Branche. Während Bierbrauer anderswo auf der Welt und auch in großen europäischen Biermärkten wie Spanien und Großbritannien 2021 wieder auf Erholungskurs gegangen sind, wurden in Deutschland mit 85,4 Millionen Hektoliter weitere 2 Prozent weniger Bier gebraut.

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Im globalen Maßstab betrug das Plus 4 Prozent auf knapp 1,9 Milliarden Hektoliter, hat Barth-Haas berechnet. Für das laufende Jahr erwartet Meier weltweit wieder einen leichten Rückgang beim Bierausstoß, was vor allem sinkender Produktion in der Ukraine, Belarus und Russland geschuldet sei. Die drei Länder stehen für 5 Prozent des Weltbierausstoßes.

Biernationen

Die global bei weitem größte Biernation ist China mit 2021 allein rund 360 Millionen Hektoliter (hl) Ausstoß, was wegen der Bevölkerungszahl nicht verwundert. Dahinter rangieren die USA (204 Millionen hl), Brasilien (143 Millionen hl) und Mexiko (135 Millionen hl). Deutschland (85 Millionen hl) folgt trotz anhaltender Rückgänge in den letzten Jahren weiter auf Rang fünf aber nur noch knapp vor Russland (82 Millionen hl). Bedeutender ist Deutschland beim Bier-Rohstoff Hopfen. Hier entfällt ein Drittel der weltweiten Hopfenanbaufläche auf heimische Gebiete mit der bayerischen Hallertau an der Spitze. Nur US-Hopfenpflanzer kommen hier mit 40 Prozent auf einen größeren Anteil. Auf Ebene der Brauereien wiederum übersteigt hier zu Lande der Ruf deutschen Bieres dessen Ausstoß. Die erste heimische Braugruppe unter den Brauriesen der Welt ist laut Barth-Haas Radeberger auf Rang 22 mit zuletzt gut zehn Millionen Hektoliter. Zum Vergleich: Weltmarktführer Inbev aus Belgien kommt auf 582 Millionen Hektoliter.

Insgesamt könnten alle Auswirkungen des russischen Kriegs in der Ukraine zusammen etwa einen ähnlich dämpfenden Effekt auf die Weltbierproduktion haben wie die Pandemie, sagen die Experten von Barth-Haas. Im Corona-Jahr 2020 war die um gut 6 Prozent rückläufig. Nicht eingerechnet in das neue Drohpotenzial für Bierbrauer sind aber völlige Produktionsstillstände aus Gasmangel.

Deshalb versuchen Brauereien von München bis Flensburg derzeit von Gas auf Öl oder erneuerbare Energien umzustellen. Aber falls dann andernorts Malz oder Bierflaschen zur Mangelware werden, helfen auch solche Notfallpläne auf Brauerebene wenig. Für Biertrinker könnten sich steigende Preise für den Gerstensaft jedenfalls noch als das kleinere Übel erweisen.

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