Thesen zum F1-Monat mit Norbert Haug: Kritik an „deutscher Anti-Auto-Bewegung“
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Auch im Jahr 2023 findet kein Formel-1-GP auf dem Hockenheimring statt. Ein Rennen in Deutschland fehlt im Rennkalender weiterhin komplett. RND-Kolumnist Norbert Haug hat dafür kein Verständnis.
© Quelle: imago images/Motorsport Images
Austin, Miami – und jetzt auch noch Las Vegas. Im Jahr 2023 wird der Formel-1-Rennzirkus gleich dreimal in den USA haltmachen. Einen Deutschland-Grand-Prix sucht man im kürzlich veröffentlichten 24 Rennen umfassenden F1-Kalender dagegen vergebens. Die 24 Grands Prix, sollten sie alle stattfinden, wären ein Rekord für eine Formel-1-Saison. Der Rennkalender für das kommende Jahr wirkt überfüllt, obwohl sogar ein GP in Deutschland fehlt.
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hat dem ehemaligen Mercedes-Motorsport-Chef Norbert Haug diese These vorgelegt – und noch vier weitere. So äußert sich der 69-Jährige, der die Karrieren der jeweils siebenmaligen (Rekord-)Weltmeister Lewis Hamilton und Michael Schumacher von Beginn an begleitete, beide ab dem Juniorenalter gefördert und mit ihnen als Sportchef erfolgreich gearbeitet hat, auch über die Red-Bull-Dominanz und einen möglichen Williams-Wechsel von Mick Schumacher.
These eins: Mit 24 Grands Prix ist der Rennkalender für das Jahr 2023 überfüllt – und das, obwohl wieder ein Deutschland-GP fehlt.
Haug: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Während die Formel 1 boomt, die Nachfrage nach Formel-1-Rennen weltweit stark ansteigt und dementsprechend auch mehr als 30 Termine möglich wären – könnten die Aktiven diese bewältigen – herrscht im einstigen Autoland Deutschland Schweigen im Walde. Im ersten Jahrzehnt der 2000er-Jahre gab es bekanntlich pro Saison gleich zwei deutsche Formel-1-Rennen mit vollbesetzten Rängen. Keine Nation stellt mehr Formel 1-Weltmeister als Deutschland, kein Land baut bessere Premium-Automobile – und Mercedes-Benz ist Rekordsieger, Rekordweltmeister und Rekorddominator in der Formel 1. Nicht umsonst wollen Audi und Porsche dem seit über 30 Jahren der Formel-1-Neuzeit erfolgreich praktizierten Mercedes-Beispiel folgen und in die Formel 1 einsteigen. Die Renntermine der Formel 1 nehmen gleichwohl inzwischen mit großem Erfolg kleine und engagierte Länder wie beispielsweise Österreich oder die Niederlande wahr.
Die deutsche Anti-Auto-Bewegung von Kreisen zeigt also auch hier Wirkung. Passend zum mittlerweile mit offensichtlicher Begeisterung praktizierten Trend, uns da zu schwächen, wo wir traditionell stark waren und woher der deutsche Wohlstand kommt.“
These zwei: Es liegt an den Nachlässigkeiten von Ferrari, dass die Saison 2022 nicht mehr allzu spannend ist.
Haug: „Ferrari hat in Red Bull seinen Meister gefunden, so wie acht andere Teams auch. Red Bull und Max Verstappen haben sich konsequent zur Messlatte entwickelt, wie sie zuvor Mercedes-Benz und Lewis Hamilton über ein knappes Jahrzehnt waren. Ferrari war 2022 noch am nächsten dran und ist es womöglich auch bei den letzten sechs Rennen. Für alle anderen Teams gibt es viele Hausaufgaben zu machen und auch die oft gelobtem McLaren und Alpine haben sicher noch einen weiten Weg vor sich, um mit den Top-Drei-Teams Red Bull Racing, Ferrari und Mercedes regelmäßig um Siege fahren zu können.“
These drei: Schlaue Teams und Motorenlieferanten denken angesichts der so gut wie entschiedenen WM schon an die neue Saison.
Haug: „Dazu braucht man nicht besonders schlau zu sein. Red Bull musste in der letzten Saison bis zur letzten Kurve des letzten Rennens im WM-Kampf mit Mercedes buchstäblich alles geben und bringt im Jahr darauf trotzdem das beste Auto mit dem besten Fahrer an den Start. Weniger Zeit und besseres Können ist auch in der Formel 1 allemal zielführender und erfolgversprechender als viel Zeit und weniger Können.“
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Der 35-jährige Deutsche, der aktuell noch für das Team von Aston-Martin fährt, gewann seine vier Weltmeister-Titel in den Jahren von 2010 bis 2013 mit Red Bull.
© Quelle: Reuters
These vier: Formel-1-Rennen sollten nie hinter dem Safety-Car, sondern immer mit mindestens einer Runde Renn-Action enden.
Haug: „Um Fehlentscheidungen, die im letzten Jahr die Weltmeisterschaft entschieden haben, fortan zu vermeiden, wurde diese Regel in Monza nun praktiziert und das Rennen mit einer Safety-Car-Phase beendet. Weniger spektakulär, dafür aber gerecht. Ein Rennen mit roter Flagge abzubrechen und später wieder neu zu starten, wäre wohl besser, als rundenlang bis ins Ziel hinter dem Safety-Car herzufahren. Aber dafür müssten die Regeln angepasst werden und das würde im Zuschauerinteresse absolut Sinn machen. Im Bummeltempo ins Ziel zu fahren entspricht sicher nicht dem Anspruch von ‚The greatest show on earth‘.“
These fünf: Für Mick Schumacher wäre ein Wechsel zu Williams ein Rückschritt.
Haug: „Das sehe ich anders. Williams leistet gute Arbeit und mit Teamchef Jost Capito ist ein emphatischer und erfahrener Mann am Ruder, der mit seiner Mannschaft erkennbar einen Aufwärtstrend eingeleitet hat. Wenn Nick de Vries bei seiner Premiere bei Williams ohne jegliche Vorübung in diesem Auto in die Punkte fahren kann wie zuletzt in Monza, traue ich das Mick Schumacher auch zu.“