Justin Löwe muss bei Dynamo Dresden noch „Stressresistenz“ lernen
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Teammanager Justin Löwe hat kaum freie Zeit, das Handy beschäftigt ihn selbst beim Teetrinken in der Hotellobby.
© Quelle: Jochen Leimert
Belek. Seit dem Sommer ist er bei Dynamo Dresden nicht mehr Spieler, sondern Teammanager: Justin Löwe, den alle nur „Leo“ nennen, hat erfolgreich umgesattelt. Doch der 23-Jährige lernt in seiner neuen Funktion noch immer jeden Tag dazu. Das Trainingslager des Fußball-Drittligisten in der Türkei ist sein erstes, dass er als Teambetreuer im nicht deutschsprachigen Raum organisieren muss. Die Vorbereitung der Flugreise nach Belek begann schon etliche Wochen, bevor das Flugzeug der Airline Sun Express am vergangenen Montag in Berlin abhob. Das war eine harte Zeit für den früheren Mittelfeldspieler: „Die Nächte davor waren schon relativ kurz. Du liegst im Bett, dann schießt dir immer mal wieder ein Gedanke durch den Kopf: Hast du das jetzt?“
Verantwortung für einen großen Pulk von Leuten
Die Verantwortung für einen Tross von 44 Leuten, die schnell und sorgenfrei ans Ziel kommen wollen, die lastet schon schwer auf den schmalen Schultern des 1,68 Meter großen Lausitzers, der noch Erfahrungen im neuen Job sammeln muss, ehe sich langsam Routine und ein Stück mehr Gelassenheit bei ihm einstellen. „Selbst bei Auswärtsspielen ist es ja so, dass du vieles nicht kennst. Es ist anders als beim Heimspielen, wo du die gewohnten Abläufe kennst, weißt, wo wie irgendwo alles ist, wo zur Not Plan B, C oder D sind. Bei Auswärtsspielen oder eben hier in Belek ist es so: Wenn du etwas nicht parat hast, etwas nicht so läuft, dann wirst du natürlich hippelig“, gibt Löwe zu.
Drei Kreuze nach dem Horror am BER
Der langjährige Dynamo-Kicker (seit 2010 im Verein) war schon mächtig nervös, als es am Montag am Flughafen Berlin-Brandenburg Probleme an der äußerst schleppend laufenden Sicherheitskontrolle gab: „Wir hatten ja extreme Verzögerungen, um 13.25 Uhr sollte der Flug gehen, aber 13.30 Uhr standen noch sechs, sieben Spieler an der Sicherheitskontrolle neben dir.“ Da habe er gedacht, es sei nicht so schlimm, selbst erst am nächsten Tag anzukommen, aber wichtig, dass die Spieler am geplanten Tag in der Türkei sind. Er habe „drei Kreuze“ gemacht, als alle Profis in der Maschine saßen, alle sicher in Antalya ankamen, das Gepäck da und nichts weg war.
Abschalten vom Dauerstress fällt schwer
Abschalten vom Dauerstress, das ist nicht leicht. Das hat „Leo“ schnell gemerkt. Anders als früher, als er als Spieler „wie in einer Blase“ lebte und sich um viele Dinge nicht kümmern musste, kommen nun ständig Anfragen, müssen Pläne geschmiedet, kurzfristige Änderungen bewerkstelligt werden. Ständig gibt es Überraschungen, Neues, Ungewohntes. Da findet man nachts oft schlecht in den Schlaf: „Richtig loslassen kannst du schwer, aber du musst dir die Zeit schon nehmen“, glaubt Löwe. Permanent an alles denken, das könne man auf die Dauer nicht machen: „Es gibt schon mal Momente, wo du sagst, du müsstest jetzt eigentlich arbeiten, aber jetzt nimmst du dir die Zeit mal für dich. Sonst macht dir der Job zwar Spaß, aber du kannst ihn so nicht ewig machen.“ Zum Glück finde er aber auch in Belek abends mal Momente, in denen er sich kurz mit zwei, drei Freunden an die Bar setzen und entspannen kann.
Verbindungsmann zwischen Hotelleitung, Agentur und Mannschaft
Im Titanic Deluxe Belek Golf Resort ist Löwe der Verbindungsmann zwischen Hotelmanagement, der das Trainingslager mitorganisierenden Agentur und der Mannschaft samt Betreuerteam: „Wir gehen immer Tag für Tag durch, wie der nächste Tag aussieht. Dann sprichst du das eben ab, organisierst den Bustransfer, was, wie, wann, wo trainiert wird.“ Dann versucht er, die Wünsche der Spieler zu erfüllen, wenn die beispielsweise gern eine Massage seitens der Physiotherapeuten hätten. Er muss schauen, dass alles läuft, dass ein verletzter Spieler wie zuletzt Sven Müller in Antalya im Notfall schnell einen MRT-Termin bekommt und am nächsten Tag heimfliegen kann. Das Wichtigste für ihn, so Löwe, sei, „dass es allen gut geht, alle glücklich sind. Wenn das so ist und am Tag alles glatt lief, ist das ein Tag, wo ich sage: Das war ein guter Tag.“
„Stressresistenz kann man lernen“
Dass er die Aufgabe angenommen hat, bereut Löwe keine Sekunde: „Ich bin froh, diesen Job machen zu können – in einem coolen Umfeld, bei meinem Verein.“ Er ist sich sicher, dass mit der Zeit auch vieles einfacher wird: „Es ist ein Alltagsgeschäft. Was man lernen kann, ist Stressresistenz, dass man Lösungen findet und Coolness, in gewissen Situationen die Ruhe zu bewahren. Es gibt viele Momente, die mich jetzt stressen, wo ich in zwei Jahren wahrscheinlich drüber lachen kann und denke: Das ist eben so, das haben wir alles schon mal irgendwie erlebt, kriegen wir schon irgendwie hin.“
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Dynamos Teammanager Justin Löwe hat bei allem Stress auch viel Freude an seiner neuen Aufgabe.
© Quelle: Jochen Leimert
Nebenbei hat er den Führerschein gemacht
Hingekriegt hat er das auch mit dem Führerschein, die letzte Prüfung am 28. November bestanden: „Es wurde auch mal Zeit. Es kam viel Druck von außen, von vielen Seiten, Freunde und Familie. Auch Dynamo hat gesagt: Leo, es wäre schon cool und auch wichtig, wenn du das in deinem Job hast. Das war jetzt wirklich so der Moment: Ich ziehe das jetzt durch, auch für mich selbst.“ Dass er jetzt jederzeit ans Steuer darf, findet er gut: „Es ist wichtig, aber ich bin jetzt kein Autofreak. Es ist jetzt nicht so, dass ich übelst auf den Führerschein gebrannt habe. Ich bin auch gerne Bahn gefahren, das ist alles völlig entspannt und okay gewesen. In Dresden brauchte ich ihn auch noch nie so richtig in meinem Leben. Aber das jetzt durchzuziehen, tat gut, war schön und fühlt sich jetzt auch danach gut an.“ Autofahren mache ihm durchaus Spaß: „Ich habe jetzt noch kein Auto, aber wir haben ja bei Dynamo, falls mal was ist, auch was rumstehen.“
Gern hätte er mehr Zeit für Freizeitfußball bei Borea
Etwas mehr Zeit hätte er gern, um auch selbst noch öfter beim SC Borea in der Landesklasse Ost mitzukicken. Da habe er in der Hinrunde zu viele Spiele wegen Dynamo-Verpflichtungen verpasst: „Ich habe sechs, sieben Spiele mit Borea gemacht und hoffe, dass es in der Rückrunde ein paar mehr werden. Das kommt ja immer drauf an, wie die Termine liegen. Aber das ist wirklich ein guter Ausgleich.“ Einmal hat er auch in Belek abends mit den Trainerkollegen, mit den Physiotherapeuten und Chefscout Kristian Walter gebäbbelt. Für den freien Nachmittag am Freitag hatte er sich nichts groß vorgenommen: „Ich werde auf dem Zimmer ein bisschen arbeiten, ganz entspannt und dann vielleicht auch mal in den Wellness-Bereich gucken, vielleicht auch mal ans Meer gehen, wenn es nicht so weit weg ist kurz mal die Flossen reinhalten, und dann einfach die Zeit nutzen, um mal ein bisschen abzuschalten.“ Der nächste Stresstag kommt bestimmt, spätestens am 21. Dezember, dem Tag von Dynamos Heimreise.
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Die Trainer und Physiotherapeuten machten am Dienstagabend ein Spielchen. Justin Löwe (vorn) nutzte die Gelegenheit auch für etwas Bewegung.
© Quelle: Jochen Leimert
Von Caroline Grossmann Jochen Leimert