Debatte um Geisterspiele: Macht Fußball ohne Fans wirklich Spaß?
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Leere Ränge bei der Schweigeminüte für die Corona-Opfer bei der Partie FC Augsburg gegen SC Paderborn.
© Quelle: Christian Kolbert/kolbert-press/pool
Es fallen schon wieder Tore, doch der Jubel auf den Tribünen bleibt aus. Seit Mitte Mai treten die Vereine der Fußball-Bundesliga wieder gegeneinander an, allerdings in leeren Stadien. Die ungewohnte Stimmung merken die Spieler, aber auch viele Fans vor dem Fernseher.
Vor der Corona-Krise galten Geisterspiele als Strafe für Vereine, beispielsweise wenn Fans die Regeln verletzt haben. Während der Pandemie könnte nun Gewohnheit werden, was zuvor als Maßregelung galt. Doch reicht es dem Fan nicht, endlich wieder Fußball zu sehen – Stimmung auf der Rängen hin oder her?
Unsere Redakteure sind geteilter Meinung. Lesen Sie hier unseren Debattenbeitrag im Pro & Contra.
Pro: Ja, auch Geisterspiele machen Spaß
Von SPORTBUZZER-Redaktionsleiter Tom Vaagt
Ja, mir machen auch Geisterspiele Spaß. Natürlich ist es nicht annähernd dasselbe, wenn der BVB und der FC Bayern sich im wohl entscheidenden Spiel um den Titel vor leeren Rängen duellieren. Natürlich höre auch ich lieber Fan-Gesänge als ein in den scheinbar unendlichen Weiten des Stadions verhallendes “Drauf” von einer der Trainerbänke. Dennoch: Kalter Kaffee ist immer noch besser als gar kein Kaffee. Starbucks hat das zu einem Milliardengeschäft gemacht.
Auch mit Fans versprüht so manche Bundesliga-Partie für den neutralen Zuschauer nicht unbedingt den ganz großen Reiz.
Wenn jetzt darüber debattiert wird, ob Spiele aus unteren Tabellenregionen ohne Atmosphäre von der Tribüne nur schwer zu ertragen sind, sage ich: Auch mit Fans versprüht so manche Bundesliga-Partie für den neutralen Zuschauer nicht unbedingt den ganz großen Reiz. Der Abfall der Begeisterung verhält sich verglichen zur Normalität also proportional. Und: Wenn etwas für den Moment nicht perfekt sein kann, muss man es ja nicht gleich abschaffen.
Sollte der Ball irgendwann in der kommenden Saison doch wieder vor vollen Rängen rollen können, wird das für alle sicher ein Festtag. Darauf sollten wir uns jetzt schon freuen – und die momentane Fußballphase als Einstimmung für eine Rückkehr in den Alltag nehmen.
Contra: Ohne Fans ist Fußball leider nur die Hälfte wert
Von RND-Sportchef Heiko Ostendorp
Es ist mir durchaus bewusst, dass die aktuellen Geisterspiele alternativlos sind. “Notbetrieb”, nannte es Gladbachs Manager Max Eberl passend. Aber dieser Notbetrieb fixt mich leider so gar nicht an. Ich schaue wirklich gerne Fußball. Und damit meine ich nicht nur Profifußball vor 50.000, 60.000 oder 80.000 Zuschauern, sondern auch einen Dorfkick, bei dem nur ein paar Freunde und Verwandte zusehen.
Gänsehaut hatte ich weder beim Revierderby, noch beim Topspiel und werde sie auch nicht beim Champions-League-Finale bekommen.
Aber wenn Dortmund gegen Bayern spielt, wenn in der Bundesliga der Ball rollt, dann brauche ich die Stimmung auf den Rängen, die Fangesänge, die Choreos, den Jubel – ja, auch die Scharmützel der Anhänger untereinander.
Ich habe mir gewünscht, dass es anders ist. Dass ich es genießen kann und toll finde, wenn ich vor dem Fernseher sitze und die Anweisungen der Trainer oder die Kommandos der Spieler verstehe – Fußball in seiner Urform, eben wie in der Jugend oder der Kreisliga. Doch Gänsehaut hatte ich weder beim Revierderby, noch beim Topspiel und werde sie auch nicht beim Champions-League-Finale bekommen. Ohne Fans ist Fußball leider nur die Hälfte wert.