Nazi-Eklat in Leipzig

„Wie tief steckt Melanie Müller im Nazi-Sumpf?“ – eine Art Hitlergruß und seine Folgen

Aufmerksamkeit um jeden Preis: Melanie Müller – hier an der Playa de Palma auf Mallorca – soll bei einem Konzert den Hitlergruß gezeigt haben.

Aufmerksamkeit um jeden Preis: Melanie Müller – hier an der Playa de Palma auf Mallorca – soll bei einem Konzert den Hitlergruß gezeigt haben.

Es gibt in Deutschland kaum ein tauglicheres Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit als das ruckartige Anheben des gestreckten rechten Armes mit flacher Hand in einem Winkel von 45 Grad zur Körperlängsachse im öffentlichen Raum. Denn Paragraf 86a des Strafgesetzbuches verbietet die „Benutzung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ und damit auch den sogenannten Hitlergruß. Es sei denn, es geht dabei um „staatsbürgerliche Aufklärung, Kunst oder Wissenschaft, Forschung oder Lehre“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Hitlergruß oder „Zicke zacke“?

Nun weiß man nicht ganz genau, ob der seltsame Broterwerb der Melanie Müller (34) die Prädikate Kunst oder Wissenschaft verdient. Ist es Wissenschaft, sich die eigene Vulva bei RTL II als Silikonabdruck nachgießen zu lassen? Ist es Kunst, wenn man als noch ziemlich junge Sünderin unter dem Pseudonym Scarlet Young Erwachsenenfilme drehte, die durchaus auch Sprechtext enthielten?

„Was da für Leute manchmal vor einem stehen, das wissen wir manchmal nicht“: Sängerin und Realitydarstellerin Melanie Müller mit ihrem Freund Andreas Kunz.

„Was da für Leute manchmal vor einem stehen, das wissen wir manchmal nicht“: Sängerin und Realitydarstellerin Melanie Müller mit ihrem Freund Andreas Kunz.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Sicher ist: Die Trash-Mehrzweckwaffe Müller, seit elf Jahren erfahrene Rampensau für alkoholinduzierte Feierbiesterei und Fernsehfremdscham, hat bei einem Konzert in Leipzig den rechten Arm in hitlergrußverdächtiger Weise mehrfach ruckartig angehoben. Ein Handyfilmchen zeigt das. Der Staatsschutz ermittelt. Sicher ist aber auch: Niemand weiß, warum sie das tat.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Sie habe doch nur „Zicke zacke, zicke zacke“ machen wollen, beteuerte Müller selbst. Eben nicht „Heil, heil, heil!“, sondern nur „hoi hoi hoi“. So wie sie das immer tue auf der Bühne, seit elf Jahren. Leider gibt es von früheren Beispielen ihrer angeblich harmlosen Choreografie bisher keine Aufnahmen. Das vorliegende Video wirkt, gelinde gesagt, merkwürdig. „Ich habe mit Rechtsradikalen oder nationalistischem Gedankengut nichts am Hut“, sagt sie. „Ich verurteile das aufs Schärfste.“ Auch habe sie das fragliche Konzert später abgebrochen und das Publikum aufgefordert, rechtsradikale Äußerungen zu unterlassen. Videos von ihrem angeblichen heldenhaften Einsatz für die Grundwerte von Freiheit und Menschlichkeit freilich sind bisher ebenfalls nicht aufgetaucht.

Das Gesellschaftsspiel „Hat sie oder hat sie nicht?“

Doch das Gesellschaftsspiel „Hat sie oder hat sie nicht?“ ist schon in vollem Gange. Immerhin waren auf dem Konzert zuvor auch „Sieg Heil!“-Rufe zu hören. Melanie Müller zwischen Nazis. Zufall? Sie bittet um Nachsicht. „Wir sind Künstler“, versuchte sie sich zu verteidigen. „Die ziehen sich an, werden meistens gefahren und werden auf der Bühne wachgerüttelt und haben einen Auftritt. Was da für Leute manchmal vor einem stehen, das wissen wir manchmal nicht.“

„Zicke zacke, zicke zacke“: Melanie Müller bei einem Auftritt 2019 im Bierkönig auf Mallorca.

„Zicke zacke, zicke zacke“: Melanie Müller bei einem Auftritt 2019 im Bierkönig auf Mallorca.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Man kennt das: Da kommst du als Sängerin in eine Location, guckst nicht links oder rechts, nimmst dein Mikrofon, gehst auf die Bühne und stellst plötzlich fest: Huch – alles Nazis!? Müllers neuer Freund Andreas Kunz jedenfalls soll kein gänzlich Unbekannter in der rechten Szene sein. Das zumindest kolportierte ihr Nochehemann Mike Blümer, Vater der gemeinsamen Kinder, einer 2017 geborenen Tochter und eines 2019 geborenen Sohnes.

Er erkenne „den Menschen Melli Müller nicht wieder“ und sei „geschockt, ratlos, sprachlos“, sprach Blümer in eine RTL-Kamera. Seine Nochehefrau sei durch ihren neuen Lebensgefährten in rechte Kreise abgerutscht: „Ich habe sie diverse Male gewarnt. Aber sie ist momentan führungslos.“ Was man so sagt, wenn man gerade die Scherben einer Ehe zusammenfegt.

„Unser Au-pair-Mädchen kommt aus Kolumbien“

Die Verteidigungsstrategie von Müller trägt Züge des Tragikomischen. So könne sie ja gar nicht rechtsradikal sein, barmt sie in einem Social-Media-Post, denn schließlich habe sie „sehr, sehr viele Ausländer im Freundeskreis, mein Personaltrainer ist ein Farbiger, unser Au-pair-Mädchen kommt aus Kolumbien. Wir haben ein ukrainisches Kindermädchen, also da besteht überhaupt kein rechtsradikales Gedankengut bei mir“. Natürlich. Bekanntlich macht Privatkontakt zu Ausländern direkt immun gegen die Verlockungen des Rassismus. Ironie off.

Wer ist Melanie Müller? Die Blondine kommt seit einem dritten Platz beim „Bachelor“ und dem „Gewinn“ des RTL-Dschungelcamps 2014 als eine Art Discounterversion von Marilyn Monroe ganz gut zurecht im Reality-TV-Paralleluniversum, wo Airtime alles und die Konkurrenz gnadenlos ist. Die 1988 im sächsischen Oschatz geborene und als „Busengeneral“ zu zweifelhaftem Ruhm gekommene Ramschfernsehhaubitze gewann zuletzt 2021 die Show „Promi Big Brother“ und verdingt sich zudem als Interpretin von Ballermannschlagerware in den Bumsdiscos von Mallorca. Wenn es etwas gäbe wie eine Mensch gewordene bunte Tüte – Melanie Müller käme ihr erstaunlich nah. Die Farbe Braun hatte in dieser Tüte allerdings bisher keinen Platz.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die letzten Tröpfchen Aufmerksamkeit

Wie so viele hoffte auch Müller einst, dass der Dschungeltitel als Karrierebooster ihren Namen langfristig vergolden würde. Aber die Show ist kein automatischer Karriereturbo, sondern nur ein Erkenntnisbeschleuniger. Sie verstärkt bloß schon vorhandene positive und negative Karrieretendenzen. Ingrid van Bergen, Peer Kusmagk, Marc Terenzi, Melanie Müller, Joey Heindle, Menderes Bagcı, Jenny Frankhauser und andere „Gewinner“ hofften vergeblich auf eine nachhaltige Showkarriere. Der einzige echte Sieger bisher jedoch hieß RTL.

Hoffnung auf den Karriereturbo: Melanie Müller (Mitte) nach ihrem Sieg beim RTL-Dschungelcamp 2014 mit den Moderatoren Daniel Hartwich (links) und Sonja Zietlow (rechts).

Hoffnung auf den Karriereturbo: Melanie Müller (Mitte) nach ihrem Sieg beim RTL-Dschungelcamp 2014 mit den Moderatoren Daniel Hartwich (links) und Sonja Zietlow (rechts).

Müllers Geschäftsmodell besteht nun darin, auf dem Trittbrett fahrend auch noch die letzten Tröpfchen Aufmerksamkeit aus öffentlichen Vorgängen zu quetschen – quasi wie eine Micaela Schäfer mit Bluse. 2014 etwa versuchte Müller, zur Fußball-WM in Brasilien einen Hit zu landen, versenkte mit ihrem WM-Song „Auf geht’s, Deutschland schießt ein Tor“ aber stattdessen in nur 186 Sekunden die Ehre der hiesigen Tonsetzer- und Videoschnittkunst. Das Werk war auf vielen Ebenen gleichzeitig ein künstlerischer Meniskusriss: akustisch, optisch, grammatikalisch, kostümtechnisch und vom Feeling her. Im Video hüpfte Frau Müller auf dem Rasen herum wie ein Linienrichter bei einem Foul mit offenem Bruch, umtänzelt von einem Brasilianerdarsteller mit Ölhaar und drei attraktiv gemeinten Nichtmusikerinnen, deren Job im Kern darin besteht, ihre nagelneuen Gitarren nicht fallen zu lassen. Man sagt, wenn Kinder spielen, sind sie gesund. Aber dann doch lieber Krokodilhoden knabbern.

Doch inzwischen ist die Position der Ex-Dschungelblondine im Abklingbecken des Entertainments neu besetzt – und zwar von Evelyn Burdecki, die sich in der Dschungelshow 2019 mit ihrer entwaffnend naiven Erdmännchenniedlichkeit auch an die ganz großen Fragen der Menschheit heranwagte: „Wenn im Osten die Sonne aufgeht“, staunte Burdecki da – „was passiert dann im Norden?“ Es gibt Philosophen, die sind an dieser Frage zerbrochen.

„Ich wollte es eigentlich ‚Mein Kampf‘ nennen“

Für Müller vergrößerte Burdeckis Erscheinen und deren regelmäßiges Auftauchen in allerlei Realityformaten die Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. Man wird ihr kaum unterstellen dürfen, den Arm aus karrieretaktischen Gründen gehoben zu haben (das wäre fast ein verzeihlicherer Grund als politische Motive). Aber schon 2014 rutschte ihr in Stefan Raabs „tv total“ ein seltsamer Hitlerwitz heraus. In der Late-Night-Show stellte sie damals ihr neues Buch vor („Mach’s dir selbst, sonst macht’s dir keiner – Vom Mauerblümchen zur Dschungelqueen“) und scherzte: „Ich wollte es eigentlich ‚Mein Kampf‘ nennen, aber ich habe mal gegoogelt – der Titel ist leider schon vergeben.“ 2017 dann zürnte sie bei Facebook, sie schäme sich für Deutschland und für „unsere Politik“, denn anders als „unsere alten Menschen“ hätten „unsere ausländischen Mitbürger ein neues Telefon und ewig finanzielle Unterstützung“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Für Nochehemann Blümer ist der Drops gelutscht: „Ihre Karriere ist für mich vorbei“, befand er bei RTL. „Mit dem, was sie da von sich gegeben hat, kommen wahrscheinlich die wenigsten Menschen klar. Jeder Werbepartner, jeder Veranstalter wird einen großen Bogen um sie machen.“ Daran ist zu zweifeln. Das Müller-Drama spielt in einer Branche, deren Rohstoff das öffentliche Stattfinden um jeden Preis ist. Und was die Währung „Aufmerksamkeit“ angeht, läuft es seit dem Eklat ganz prima für die Müllerin.

Melanie Müller lebt mit Ehemann Mike und ihren Kindern im ehemaligen Bahnhof Leipzig-Wahren.

Rosenkrieg mit dem Ex: Melanie Müller mit ihrem Nochehemann Mike Blümer und den gemeinsamen Kindern im ehemaligen Bahnhof Leipzig-Wahren, den die Familie gekauft hat.

„Wie tief steckt Melanie Müller im Nazi-Sumpf?“, fragt nun sorgenvoll N-TV. Die „Bild“-Zeitung setzt genüsslich einen Körperspracheexperten auf ihr Instagram-Sorry-Video an („Bei Minute 1:22 muss sie schwer schlucken“). Und das senegalesische Topmodel Pape Badji mit dem zauberhaften Künstlernamen „Papis Loveday“ beeilte sich zu versichern, dass die Sächsin „einer der ehrlichsten Menschen“ sei, den er „jemals kennengelernt habe“. Auch wenn die Ansprüche an wechselseitige Ehrlichkeit vielleicht nicht grenzenlos sind, wenn man sich anlässlich der gemeinsamen Teilnahme an der Sendung „Promi Big Brother“ kennengelernt hat.

Das Video von Müllers zuckendem rechten Arm jedenfalls werde nun „intensiv ausgewertet“, versichert eine Sprecherin der Leipziger Polizei. Wie auch immer man ein verwackeltes 15-Sekunden-Video „intensiv auswertet“. Messen Statiker jetzt den Winkel des Arms zum Körper? Durchsuchen Audioexperten die Tonspur nach Spuren rechtsradikalen Gedankenguts? Prüfen Extremismusfachleute, ob hinter Müllers Bühne Hitlers „Mein Kampf“ in einem Regal steht? Prognose: Die Sache wird im Sande verlaufen. Aber sie wird zu Müllers Schaden nicht sein.

Mehr aus Promis

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken