Wie die Synthpopper Heaven 17 Tina Turner zum Superstar machten
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Sie hatte diesen Höhlenweib-Look: Die soulbegeisterte britische Synthpop-Formation Heaven 17 besorgte das große Comeback von Tina Turner im Jahr 1983.
© Quelle: Imagecollect/ Globe Photos
„Sobald sie zu singen anfing, war’s klar“, erinnerte sich ein gut gelaunter Glenn Gregory im Juli 2009 in einem Interview in Hannover an „den Augenblick“ in den Abbey Road Studios, als Tina Turner ans Mikrofon trat. Gregory hob die Stimme und versuchte, wie Tina Turner zu klingen: „Let me say that siiiince …“.
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Es war die erste Zeile von „Let’s Stay Together“, dem Song, mit dem eines der größten Comebacks der Popgeschichte seinen Anfang nahm. Mit „Let’s Stay Together“ legte Tina Turner, die nun im Alter von 83 Jahren starb, im Jahr 1983 die Grundlage ihres zweiten Frühlings, ihrer Superstarkarriere. Und zwei Drittel der Band Heaven 17, also Gregory und sein Bandkollege Martyn Ware produzierten den Song nicht nur, sie sind auf der Single auch als Backgroundsänger zu hören.
Heaven 17 wollen sich von James Brown nicht abzocken lassen
Kennt noch wer Heaven 17? Sie gehörten zu den großen britischen Bands, die in den Achtzigerjahren Synthpop machten. Vielmehr trachteten sie danach, den „weißen“ Synthpop mit dem „schwarzen“ Soul zu vermählen. Damit machten sie im Prinzip das Gleiche, was Michael Jackson zur selben Zeit von der anderen Seite versuchte. Eigentlich wollten Heaven 17 deshalb 1982 zunächst den Godfather of Soul für ihr Projekt British-Electric-Foundation (BEF), für ein Album voller Soul- und Funkklassiker im Synthpop-Stil, gewinnen. „Wir waren gut im Telefonnummern-Herausfinden“, erzählte Glenn Gregory mit breitem Grinsen. „Irgendjemandes Mom kannte Bowies Friseur. Wir sind damit tatsächlich bis zu James Brown durchgekommen.“
Der war im Prinzip auch bereit, für BEF den Temptations-Song „Ball of Confusion“ einzusingen. Dann aber hatten die Briten Browns Anwalt an der Strippe. „Der wollte für Brown Prozente von jedem einzelnen Track auf dem Album rausschlagen“, sagte Ware. Das lehnten beide ab und cancelten den Flug.
„Würdet ihr nicht vielleicht gern Tina auf eurem Album haben?“
Dann kam die Fügung. Der Chef der Finanzabteilung von BEFs Plattenfirma wollte nach Los Angeles fliegen, um eine Freundin zu treffen: Tina Turner. „Würdet ihr nicht vielleicht gern sie auf eurem Album haben“, fragte er Ware und Gregory. „Oh, das wäre nicht schlecht“, erinnerte sich Ware, geantwortet zu haben.
„Es waren keine guten Zeiten für sie“, sagte Gregory. „Sie hatte damals überhaupt keinen Plattenvertrag. Wir flogen nach L. A., und man brachte uns in Tinas Haus in den Hollywood Hills – uns, zwei Jungs aus Sheffield. Und sie sagte nur: ‚Ja, ich würd’s gern machen.‘“
Und dann sei sie tatsächlich gekommen, ins Studio reingeschneit und habe gefragt: „Hallo Jungs, wo ist die Band?“ Und Ware und Gregory deuteten auf ihren Fairlight Synthesizer. Ware lachte bei der Erinnerung. „Sie sagte: ‚Whooooh!‘ und legte los. So locker kam ‚Ball of Confusion‘ zustande. Tina mochte es wirklich, und sie kam wieder.“
Für „Let’s Stay Together“. Obwohl, so Gregory, die beiden aufgefordert wurden, etwas Eigenes für Tina Turner zu schreiben. Dafür war aber keine Zeit: „Wir waren gerade mitten in der Arbeit an unserem zweiten Heaven-17-Album.“
Martyn Ware: „First take – Tina brauchte nur einen Durchlauf“
„Das schien für uns auch eine Brücke zu weit“, meinte Ware, „Wir hätten’s versuchen können, aber es hätte womöglich als Desaster geendet. Also dachten wir an einen Soulsong – Sam Cooke war ihr großes Idol gewesen. Zu der Zeit hatte sie sich aber vom Soul abgewandt, sie versuchte, ein Rockstar zu sein. Gospel jedoch war schon noch ihr Ding, und so brachten wir Al Greens ‚Let‘s Stay Together‘ ins Spiel. Und sie sagte: ‚Ich liebe den Song.‘“
Und als sie zu singen anfing, war zumindest klar, dass sie die definitive Version dieses Songs ablieferte.
Mit einem langgezogenen „Oooooooooh!“ gab sich Ware noch Jahrzehnte später bezaubert von dem Tag mit Tina. „First take – sie brauchte nur einen Durchlauf. Wir waren dann in ‚The Tube‘, dieser TV-Show. Sie hatte diese zwei Tänzerinnen. Und Tina war noch so total Cabaret-mäßig drauf. Zehn Minuten vor dem Auftritt im British National Television kam sie zu uns und sagte: ‚In der Mitte des Songs kommen die Tänzerinnen und reiben ihre Hände an euren Beinen.‘ Und wir sagten: ‚Noooo! Nicht reiben!‘ Und wie unwohl wir uns fühlten, kannst du an dem Auftritt sehen. Den gibt’s noch auf Youtube.“
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Glenn Gregory: „Tina hatte diesen Höhlenweib-Look“
Wie Schuljungen würden sie da aussehen, bestätigt Gregory. Seine Eltern hätten eines der besten Fotos dieses unwirklichen Tags. „Es war in der Garderobe nach dem Auftritt, Tina kam rein und sagte: ‚Hey, das war great!‘ Und sie packte ihr Bein über meine Schulter. Viel Bein – sie hatte diesen Höhlenweib-Look.“
Am 7. November 1983 erschien die Single „Let’s Stay Together“, errang Platz sechs in den britischen Charts, Platz 18 in Deutschland, Platz 26 in den USA, Platz drei in den amerikanischen Rhythm’n‘Blues-Charts. Die Nachfolgesingle „Help“ – eine bluesige Version des Beatles-Klassikers, hing dann noch mal ein wenig durch. Danach folgte mit „What’s Love Got to Do with It“ die erste Nummer eins in den USA, Australien und Kanada. 1984 war Tina Turner dann auf der ganzen Welt in aller Munde.
Heaven 17 sind ein Elektronik-Trio aus Sheffield, das 1980 aus der Band Human League hervorging. Die Band besteht aus Sänger Glenn Gregory, Keyboarder Martyn Ware und Ian Craig Marsh, der 2006 die Band verließ, um zu studieren. Der Bandname stammt von der fiktiven Gruppe Heaven 17 aus Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“, die im Film mit „Inside“ auf Platz vier der Charts steht. Ironischerweise war Platz vier auch die höchste Albumnotierung der Band in Großbritannien (für „The Luxury Gap“, 1983). Für Tina Turner produzierten Heaven 17 die Single „Let’s Stay Together“ und läuteten 1983 das Comeback der R‘&‘B-Königin ein.