Prozess gegen Boris Becker: Über diese 24 Anklagepunkte berät die Jury
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Boris Becker auf dem Weg ins Gerichtsgebäude.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
London. Im Strafprozess gegen Boris Becker gehen am Donnerstag (11 Uhr deutscher Zeit) in London die Beratungen der Jury weiter. Sie entscheidet über Schuld oder Unschuld des Ex-Tennisstars. Ein Überblick, was Becker konkret vorgeworfen wird und welche Strafe ihm droht.
Worum es im Prozess geht
In 24 Anklagepunkten wird Becker vorgeworfen, in seinem Insolvenzverfahren Vermögen verschleiert zu haben – unter anderem habe er mehrere Pokale zurückgehalten, Immobilien, Aktien und Bankguthaben verschwiegen und große Summen unter anderem auf Konten seiner Ex-Frauen Barbara und Lilly Becker überwiesen. Becker weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Er verteidigt sich vor allem damit, dass ihn seine Berater und Anwälte nicht über die Abläufe und Regeln innerhalb eines Privatinsolvenzverfahrens informiert und Informationen nicht weitergegeben hätten.
Die 24 Anklagepunkte im Detail
- Erster Anklagepunkt: Boris Becker soll zwischen dem 16. Mai 2017 und dem 21. Juni 2017 eine Zahlung des Finanzamts Stralsund auf sein Firmenkonto BBPOL Euro Metro Bank in Höhe von 1.136.104,14 Euro verheimlicht haben.
- Zweiter Anklagepunkt: Zwischen dem 21. Juni 2017 und dem 13. September 2017 habe Becker eine Zahlung des Finanzamts Stralsund auf sein Firmenkonto BBPOL Euro Metro Bank in Höhe von 1.136.104,44 Euro verheimlicht, so die Anklage. Dies entspricht dem ersten Anklagepunkt. Diesmal geht es aber um den Zeitraum nach seiner Bankrotterklärung am 21. Juni 2017.
- Dritter Anklagepunkt: Zwischen dem 16. Mai 2017 und dem 19. Juni 2017 soll Becker fünf berufliche und private Überweisungen von dem zuvor erwähnten Firmenkonto BBPOL Euro Metro getätigt haben – im Umfang von insgesamt 60.418,32 Euro. Die Anklage sagt, dass er dies in diesem Zeitraum nicht hätte tun dürfen.
- Vierter Anklagepunkt: Zwischen dem 22. Juni 2017 und dem 28. September 2017 soll Becker 426.930,90 Euro in Form von neun verschiedenen Überweisungen gezahlt haben – für berufliche und private Zwecke. Diese sollen unter anderem an Sharlene (Lilly) Becker und an Barbara Becker gegangen sein. Dies entspricht dem dritten Anklagepunkt. Diesmal geht es aber um den Zeitraum nach seiner Bankrotterklärung am 21. Juni 2017.
- Fünfter Anklagepunkt: Am 16. Mai 2017 soll Becker laut Anklage 300.000 Euro von seinem BBPOL-Euro-Metro-Bankkonto an ein weiteres Konto in seinem Namen überwiesen haben.
- Sechster Anklagepunkt: Am 17. Mai 2017 soll Becker laut Anklage 10.000 Euro vom eben erwähnten Konto an ein weiteres Konto in seinem Namen überwiesen haben – um Schulden zu begleichen, wie er sagte.
- Siebter Anklagepunkt: Am 22. Juni 2017 soll Becker laut Anklage weitere 10.000 Euro von seinem BBPOL-Euro-Metro-Bankkonto an ein weiteres Konto in seinem Namen überwiesen haben – um Schulden zu begleichen, wie er sagte.
- Achter Anklagepunkt: Am 23. Juni überwies Becker laut Anklage 100.015 Euro von seinem BBPOL-Euro-Metro-Bankkonto an ein privates Konto, das zu gleichen Teilen ihm selbst und seinem Sohn Noah gehört. Auch hier will er mit dem Geld Schulden getilgt haben.
- Neunter Anklagepunkt: Am 7. Juli 2017 überwies Boris Becker laut Anklage 25.619 Euro an ein Konto in seinem Namen – wieder von seinem BBPOL-Euro-Metro-Bankkonto.
- Zehnter Anklagepunkt: Laut Anklage verheimlichte Becker der Insolvenzbehörde eine Immobilie mit der Adresse „Im Schilling“ in seiner Heimatstadt in Leimen. Boris Becker sagte im Verlauf der Verhandlung, dass er seinem Anwalt und Berater Paul Appleton davon erzählt habe und es deshalb dessen Schuld sei, dass die Immobilie nicht im PIQB-Formular, einem Dokument zur Vermögensermittlung, auftauche.
- Elfter Anklagepunkt: Becker soll der der Insolvenzbehörde eine Immobilie mit der Adresse „Nublocher Straße 51″ in Leimen verheimlicht haben. Becker sagte, sein Vater habe ihm die Wohnung vererbt. Er habe davon jedoch nichts gewusst.
- Zwölfter Anklagepunkt: Becker soll der Insolvenzbehörde die Immobilie Wohnung 97, Coleherne Court in Chelsea, London, verheimlicht haben. In diesem Zusammenhang deutete Becker auf einen Trust hin, der im Namen seiner Tochter Anna laufen würde. Er will aber nicht gewusst haben, dass die Wohnung nach Abschluss ihrer Ausbildung fast komplett an ihn übergegangen ist.
- 13. Anklagepunkt: Becker soll ein Darlehen in Höhe von 825.000 Euro der Bank Alpinum in Lichtenstein auf das Haus „Im Schilling“ in Leimen verschwiegen haben. Becker behauptete, dass er seinem Anwalt und Berater Paul Appleton davon erzählt habe, dieser diese Information jedoch nicht weitergeleitet habe.
- 14. Anklagepunkt: Becker soll 75.000 Aktien der Firma Breaking Data Corp verschwiegen haben.
- 15. Anklagepunkt: Boris Becker soll ein Konto bei der Volksbank Kraichgau verschwiegen haben, auf dem sich 1604 Euro und 22 Cent befinden sollen. Becker will von der Existenz des Kontos nichts gewusst haben, weil seine Eltern es für ihn eröffnet hätten, als er noch sehr jung war.
- 16. Anklagepunkt: Boris Becker soll Trophäen verschwiegen haben. Becker wies dies zurück und sagte, dass er nicht wisse, wo sich die Trophäen befinden, da sie ihm zu Beginn seiner Karriere nicht viel bedeutet hätten. Er soll jedoch Versuche unternommen haben, sie ausfindig zu machen.
- Darunter: „All England Lawn Club“, 1985 (Wimbledon). Und:
- 17. Anklagepunkt: President‘s Cup aus dem Jahr 1985.
- 18. Anklagepunkt: Davis Cup Goldmedaille aus dem Jahr 1988.
- 19. Anklagepunkt: David Cup Trophäe aus dem Jahr 1989.
- 20. Anklagepunkt: „All England Lawn Tennis Club“ (Wimbledon) aus dem Jahr 1989.
- 21. Anklagepunkt: President‘s Cup 1989.
- 22. Anklagepunkt: Australian Open Trophy 1991.
- 23. Anklagepunkt: Olympische Goldmedaille 1992.
- 24. Anklagepunkt: Australian Open Trophäe von 1996.
Zur Erklärung: Die Anklagepunkte eins bis neun beziehen sich alle auf das Konto von Boris Beckers Firma BBPOL bei der Euro Metro Bank. Die Anklagepunkten eins bis zwei behandeln Einzahlungen, Punkte drei bis neun verschiedene Auszahlungen. Die Anklage argumentiert dabei: Becker hätte das Geld auf sein Privatkonto überweisen müssen, auf das die Konkursverwaltung Zugriff gehabt hätte. Die Tatsache, dass er das Geld auf ein Firmenkonto überweisen ließ, sei Beweis seiner Absicht der Verschleierung. Becker sagte während des Prozesses, dass er nicht gewusst habe, dass er dies im Zuge eines Privatinsolvenzverfahrens nicht dürfe, das habe ihm keiner seiner Anwälte mitgeteilt. Zudem habe ihm der Konkursverwalter Michael Bint gesagt, er solle „alles so weitermachen wie bisher“.
Manche Punkte behandeln die gleichen Dinge und die Anklagepunkte eins und zwei sogar die gleiche Geldsumme – aber der Fall wird nach dem Datum seiner Bankrotterklärung aufgesplittet: Am 28. April 2017 habe, so wurde im Verlauf der Verhandlung deutlich, die Bank Arbuthnot Latham den Antrag auf die Bankrotterklärung Beckers erklärt – offiziell vor Gericht. Damit begann die sogenannte „proscribed period“, der Zeitrahmen, in dem Becker schon verschiedenen Auflagen hätte folgen müssen. Dazu gehört, dass er keine Überweisungen mehr von Firmenkonten hätte tätigen dürfen.
Becker betonte erneut, dass ihm das keiner seiner Anwälte gesagt habe. Er habe zudem versucht, die Finka auf Mallorca zu verkaufen, um den Bankrott abzuwenden. Diese „proscribed period“ endete mit seiner Bankrotterklärung am 21. Juni 2017.
Die mögliche Strafe
Becker drohen bis zu sieben Jahre Haft. Dass es dazu kommt, ist Beobachtern zufolge jedoch unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass ihn die Jury in einigen (wenigen) Punkten für schuldig befindet. Danach entscheidet die Richterin über das Strafmaß. So könnte Boris Becker eine Bewährungsstrafe erhalten oder aber auch mehrere Monate inhaftiert werden.
Beckers Verteidiger warf der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang vor, dass sie die Anklage deshalb in so viele Einzelpunkte unterteilt habe, damit am Ende wenigstens etwas durchkommt. Denn in einem sind sich eigentlich alle einig: Die Staatsanwaltschaft hat viele Indizien, aber keinen echten Beweis dafür vorgebracht, dass Becker vorsätzlich Vermögenswerte unterschlagen hat.
RND