Prozess gegen Boris Becker: Ex-Tennisstar auf heißen Kohlen
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Entertainment Themen der Woche KW13 Entertainment Bilder des Tages March 29, 2022, London, England, United Kingdom: Former German tennis star BORIS BECKER and his partner LILIAN DE CARVALHO MONTEIRO arrive at Southwark Crown Court in London where he is being prosecuted by the Insolvency Service for not complying with obligations to disclose information after being declared bankrupt. London United Kingdom - ZUMAs262 20220329_zip_s262_032 Copyright: xTayfunxSalcix
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London. Boris Becker hat als Tennisprofi immer bis zuletzt gekämpft. Er war mit Leidenschaft bei der Sache. Authentisch. Emotional. Dafür liebten ihn die Deutschen, und viele tun es noch heute. Zumindest interessieren sie sich für ihn. Das spiegelt sich auch an diesem Montag (4. April) in dem großen Interesse an der Gerichtsverhandlung wider. Auf einen britischen Journalisten kamen in den letzten zwei Wochen etwa zwei deutsche Medienvertreter, von denen einige keinen Tag des Prozesses im Southwark Crown Court im Zentrum Londons verpassten.
Diese Woche wird es besonders spannend. Denn die Verhandlung neigt sich dem Ende zu.
Es geht um Boris Beckers Freiheit
Dass Boris Becker dieses mediale Interesse zu schätzen weiß, ist unwahrscheinlich. Schließlich geht es anders als zu seinen Zeiten als Profisportler nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um seine Freiheit, seine Zukunft. Dem 54-Jährigen wird vorgeworfen, während eines Insolvenzverfahrens gegen ihn, welches im Juni 2017 seinen Anfang nahm, Vermögenswerte nicht ordnungsgemäß angegeben zu haben, darunter unter anderem Davis-Cup-Medaillen aus den Jahren 1988 und 1989 und seine olympische Goldmedaille aus dem Jahr 1992, eine Wohnung im Londoner Stadtteil Chelsea sowie zwei Wohnungen in Deutschland. Becker weist die Vorwürfe zurück. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft.
„Ich bin ein Mensch, der niemals aufgibt“, sagte er im Vorfeld des Prozesses in einem Interview. Und weckte mit diesem Satz womöglich nicht zufällig Erinnerungen an bessere Zeiten. Doch vor Gericht entstehen andere Bilder. Becker sitzt während der Verhandlung in einem fensterlosen Gerichtssaal in einer Art Glaskasten oder, im Rahmen der Befragung, auf einem Drehbürostuhl. Der Teppich ist fleckig, ebenso die Tapete. Glanzvoll ist das nicht.
Beckers Verteidiger gibt sich betont höflich
Doch welche Strategie verfolgten sein Verteidiger Jonathan Laidlaw und die Staatsanwältin Rebecca Chalkley, während sie Becker in den letzten zwei Wochen zu Themen befragten, über die eigentlich keiner reden will – erst recht nicht öffentlich? Und wie ging die einstige Tennislegende damit um?
Sein Verteidiger Laidlaw, ein Mann, der seine Fragen stets betont höflich stellt, versuchte, so schien es, den Eindruck zu erwecken, dass Becker seit seiner Jugend keinen Überblick über seine Finanzen gehabt und sich überdies auf seine Berater verlassen, auf deren Expertise vertraut habe. „Ist das etwas, das sie bis zuletzt so gehandhabt haben?“, wollte er einmal von Becker wissen. „Leider ja“, antwortete dieser. In der Folge sei der einstige Tennisstar von dem Insolvenzverfahren überrascht worden.
Laut Staatsanwaltschaft wusste Becker von Problemen
Die Staatsanwaltschaft pochte im Gegensatz dazu vehement darauf, dass Becker gewusst haben muss, dass sich Probleme anbahnten. Dabei zitierte Chalkley immer wieder Schreiben, die an Becker persönlich adressiert waren und von der Behörde stammen, die seine Bankrotterklärung verwaltete. Sie behauptete, dass er diese Briefe selbst geöffnet habe. Becker bestritt dies. „Diese Briefe wurden ans Haus geliefert, aber ich kann mich nicht erinnern, sie persönlich entgegengenommen zu haben“, sagte er ein paarmal. Er bekomme ja so viel Post.
Darüber hinaus soll der 54-Jährige, so behauptet es die Staatsanwaltschaft, im Laufe der Jahre mehr Zeit gehabt haben, um sich um seine Finanzen zu kümmern und außerdem selbst Verträge ausgehandelt haben. Einmal sagte Chalkley, die im Verlauf des Prozesses zunehmend offensiv, ja manchmal sogar aggressiv auftrat: „In diesem Formular bezeichnen Sie sich als Geschäftsmann.“ Becker erwiderte: „Das habe ich nicht geschrieben, ich würde mich nie als Geschäftsmann bezeichnen.“ Darauf Chalkley: „Sie waren vielleicht nicht der Mann, der den Stift gehalten hat. Aber sie hätten es korrigieren können.“
Becker weist Anschuldigungen zurück
Interessant wurde es an diesem Montag, als die Staatsanwältin nahelegte, dass Becker sehr wohl über die Regeln einer Privatinsolvenz Bescheid gewusst haben soll. Sie begründete das damit, dass er kurz nach der Bankrotterklärung von einem Amt als Direktor eines Unternehmens zurückgetreten sei - noch vor der Rücksprache mit seinen Beratern. Beckers Verteidiger legte im Anschluss daran jedoch nahe, dass nicht etwa Becker selbst, sondern einer seiner Berater diesen Schritt eingeleitet habe.
Darüber hinaus befragte ihn die Staatsanwältin zu dem Verbleib seiner Pokale. Sie behauptete, dass er verschleiert habe, wo sie seien, indem er seine „Geschichte“ immer wieder geändert habe. Mal habe er nicht gewusst, wo sie sind, dann doch. Mal hätten sie ihm etwas bedeutet, dann wieder nicht. Laidlaw betonte am Nachmittag, dass Becker versucht habe, die Trophäen ausfindig zu machen. Dann erklärte er die Vernehmung für beendet und Becker durfte zurück in den Glaskasten, wo er sich in seinen Sitz fallen ließ.
Becker bleibt seiner Argumentationslinie treu
Becker blieb während der Befragungen seiner Argumentationslinie treu. Er habe nicht gelogen und nichts verschleiert. Doch reicht das für eine Bewährungsstrafe oder gar einen Freispruch? Am Dienstag (5. April) folgen die Plädoyers durch Verteidigung und Staatsanwaltschaft, danach die Zusammenfassung des Falls durch die Richterin. Dann entscheidet die Jury darüber, in welchen Punkten Becker schuldig gesprochen wird. Die meisten von ihnen Männer, die nicht etwa Millionen, sondern nur Tausende Euro im Jahr verdienen. Beckers Beitrag zum Prozess jedenfalls ist seit dem Prozesstag an diesem Montag erledigt. Er kann nicht mehr kämpfen, nur noch warten.