Hildmann light: Was der Wendler so auf Telegram treibt

Michael Wendler bei einem Auftritt im Sommer 2019. (Archiv)

Michael Wendler bei einem Auftritt im Sommer 2019. (Archiv)

Hannover. Michael Wendler hat in der vergangenen Woche für einen handfesten Eklat gesorgt: Auf Instagram hatte der Schlagersänger seinen Ausstieg aus der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“ („DSDS“) verkündet – und gleichzeitig auch seinen Ausstieg aus der Welt derjenigen, die halbwegs zivilisiert mit dem Ausnahmezustand der Corona-Pandemie umgehen.

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Michael Wendler gilt nun als einer von vielen Prominenten, die während der Krise offiziell „abgedriftet" sind. Sein neuer „Clan“ ist die Gruppe rund um Attila Hildmann – ein Konsortium aus „Querdenkern“, Verschwörungstheoretikern, Esoterikern und strammen Rechtsextremisten, die im Messenger Telegram und auf Demos die krudesten Theorien verbreiten und sich zunehmend radikalisieren. Die Supermarktkette Kaufland distanzierte sich umgehend vom Schlagerstar, eine gerade erst gestartete Werbekampagne wurde gestoppt.

Wendler für Kaufland und RTL sofort No-go-Kandidat

Das schnelle Absägen des Wendlers ist fast schon ein bisschen erstaunlich. Verschwörungskumpel Xavier Naidoo beispielsweise hat dafür deutlich länger gebraucht: Er konnte zunächst jahrelang in deutschen Medien die krudesten Theorien verbreiten, bis erstmals ein Sender eine Zusammenarbeit ausschloss. Michael Wendler hingegen war sowohl für RTL als auch für Kaufland umgehend ein No-go-Kandidat – da war der erste eigene Telegram-Beitrag noch nicht einmal verfasst.

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Seit dem Wendler-Gate sind nun einige Tage vergangen. Es lohnt sich also ein kleiner Blick auf das neue Wirken und Schaffen des Schlagersängers. Was postet er da jetzt eigentlich auf Telegram? Und: Wie tief steckt der Wendler nun tatsächlich im Verschwörungssumpf?

Was der Wendler auf Telegram postet

Die Telegram-Karriere des Michael Wendler beginnt am 8. Oktober, nachts um 2.40 Uhr. In dieser Nacht soll der Schlagersänger mit Attila Hildmann telefoniert haben, kurz darauf wird die Gruppe erstellt. Wendler schreibt seinen ersten Post, der aus nicht mehr als drei Pünktchen besteht. Kurz darauf wird ein Profilfoto hochgeladen. Am Abend des 8. Oktober gibt der Schlagersänger schließlich seinen Ausstieg aus der „DSDS“-Jury auf Instagram bekannt. Kurz darauf erscheinen auf seinem Telegram-Kanal auch die ersten Beiträge – diese sind jedoch keine eigenen Inhalte, sondern allesamt Reposts von anderen Gruppen.

Der erste Beitrag dieser Art stammt von einer Gruppe mit dem Namen „Unterdrückte Stimmen – u. a. Sucharit Bhakdi“. Der im Titel genannte Bhakdi ist ein alter Bekannter: Er taucht auch bereits in Wendlers allererster Instagram-Nachricht auf. In dieser behauptet Wendler, er sei mit seiner Meinung nicht allein, er habe viele Mitstreiter – unter anderem auch Bhakdi.

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Eine „unterdrückte Stimme“ ist Bhakdi allerdings mitnichten: Der emeritierte Professor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat erst kürzlich ein ziemlich unzensiertes Buch mit dem Titel „Corona Fehlalarm? Daten, Fakten, Hintergründe“ veröffentlicht. Dieses steht seit Wochen in den Bestsellerlisten. Und nicht nur das: Bhakdi gibt auch etablierten Medien, wie etwa der Deutschen Welle, der „Fuldaer Zeitung“ oder dem österreichischen Servus TV fleißig Interviews, kommt mit seinen umstrittenen Ansichten also auch im sogenannten Mainstream vor.

Ein Arzt und ein Anwalt

Bei Corona-Leugnern ist Bhakdi jedoch ein beliebtes Aushängeschild. Er behauptet nämlich eine ganze Reihe an Dingen, die ein Großteil seiner forschenden Kolleginnen und Kollegen so nicht behaupten würde. Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim hatte dies kürzlich in einem Video analysiert.

Das Video, das Wendler an diesem Tag verbreitet, ist heute nicht mehr aufrufbar. Youtube hat den Inhalt entfernt, wegen „Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen“. In der Überschrift allerdings wird der Rechtsanwalt Reiner Fuellmich angekündigt, mit einem Auftritt auf einer „Querdenken“-Demonstration am 4. Oktober. Zitat des Videotitels: „Fast alles, was der Drosten-Test zeigt, ist falsch“.

Auch der Name Fuellmich ist bekannt aus Wendlers Instagram-Story – auch ihn zählt er zu seinen „Mitstreitern“. Fuellmich ist in Kreisen der Corona-Leugner bekannt geworden, weil er eine Gruppenklage gegen die Hersteller und Verkäufer des PCR-Tests in den USA initiieren will.

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Von Qanon bis RT Deutsch

Des Weiteren verbreitet Michael Wendler zahlreiche Beiträge alter und zum Teil höchst umstrittener Bekannter. Gleich mehrfach tauchen Posts von Attila Hildmann in seiner Gruppe auf. Der Vegankoch hatte es in der Vergangenheit nicht bei Kritik an der Bundesregierung belassen. Er verbreitete auch antisemitische Parolen, bedrohte Politiker und erklärte, Adolf Hitler sei im Vergleich zu Angela Merkel „ein Segen“ gewesen.

Auch Beiträge von Eva Herman und Oliver Janich repostet Wendler. Die ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin verbreitet bereits seit Jahren rechte Verschwörungsmythen. Janich ist Verbreiter der erfundenen Qanon-Verschwörung. Auch Beiträge des russischen Staatssenders RT Deutsch werden von Wendler weitergepostet.

Weitere Reposts des Schlagersängers stammen von Akteuren aus dem Umfeld der „Querdenken“-Demonstrationen. In einem Video beispielsweise warnt eine Heilpraktikerin vor Handystrahlen und Impfungen. In einem anderen erklärt ein Mann, wie er die Maskenpflicht in einer bekannten Buchhandlung umgangen ist.

Nur wenige eigene Beiträge

Viele der geposteten Videos verrühren Fakten mit halbgaren Vermutungen. Dafür werden beispielsweise Zitate des Virologen Christian Drosten verkürzt dargestellt und mit Verschwörungsmythen angereichert. Ein anderes Video greift ganz tief in die Verschwörungskiste: Hier wird davon gesprochen, dass „die Eliten“ die Gesellschaft „transformieren“ wollen – das menschliche Gehirn werde dazu mit künstlicher Intelligenz verknüpft.

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Immer wieder tauchen in den Reposts des Wendlers aber auch Beiträge klassischer Medien auf, etwa vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Langsam trauen sich ARD und ZDF oder wie hier der WDR, Meinungen zuzulassen und aufzuklären“, kommentiert Wendler dazu. „Gut so. Unbedingt ansehen!“

Dieser Kommentar ist nur einer von wenigen eigenen Beiträgen, die Wendler selbst in seiner Telegram-Gruppe postet. Neben diesem wirft der Schlagersänger nur gelegentlich Kommentare wie „absolut sehenswert“ oder „unglaublich“ ein. In einigen Sprachnachrichten bedankt sich Wendler fürs Folgen seines Kanals.

Wendler gegen die Maskenpflicht

Die einzige ausführliche persönliche Einlassung postet Wendler am 10. Oktober. In einer Sprachnachricht begrüßt er seine Follower mit „Hallo liebe Freunde der Intelligenz“. Er sei „kein Verschwörungstheoretiker oder Aluhut-Träger“, propagiert jedoch noch im selben Satz die angebliche „Aushebelung“ der Meinungsfreiheit. „Jeder, der was sagt, jeder der mit den übertriebenen Maßnahmen in Deutschland (...) nicht einverstanden ist, und sich dazu äußert, wird beseitigt.“ Seine Karriere hingegen sei nicht vorbei. "Ich stehe am Anfang”, so Wendler.

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Ein „normal“ werde es bald nicht mehr geben, wenn man jetzt nicht „aufwache“, meint der Schlagersänger. Es sei „Pflicht“, sich zu „wehren und zu sagen: Das reicht. Begründet eure Maßnahmen.“ Auch gegen die Maskenpflicht ist der Schlagersänger: "Es steht sogar auf den Verpackungen drauf, dass Masken nicht gegen das Virus schützen. Es steht drauf, und trotzdem tragt ihr die Masken. Das ist lächerlich. Ihr tragt die Masken nicht, weil ihr Angst vor dem Virus habt, sondern weil ihr Angst vor Strafen habt.” Die Menschen, die nun in seiner Gruppe zu Wort kämen, seien keine Verrückten. Das seien „Wissenschaftler und Doktoren und Rechtsanwälte, die ihre Meinung hier kundtun. Und sie belegen es, was die Bundesregierung nicht tut.“

Danach folgt wieder tagelang nichts. Nur Reposts von Eva Hermann, Attila Hildmann und immer wieder Videos mit Sucharit Bhakdi.

Hildmann light

Wie ist Wendlers Telegram-Aktivität nun also zu bewerten? Tatsächlich ist der Kanal des Schlagersängers zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr als ein Multiplikator von dem, was schon seit Monaten in einschlägigen Telegram-Gruppen verbreitet wird. Man erfährt hier nichts Neues, es sind die selben kruden Mythen, immer vermischt mit Aussagen von pseudoseriösen Menschen mit Doktortitel. Und der großen Forderung, auf die sich alle Akteure einigen können: das Ende der Maskenpflicht. Neu ist nur, dass nun das Gesicht von Michael Wendler über diesen Posts prangt – und dass er damit inzwischen 88.000 Follower (zum Vergleich Instagram: 307.000 Follower) erreicht.

Tatsächlich sind Wendlers Reposts aber weitaus weniger radikal als in so manch anderer Gruppe. Und das gilt auch für die wenigen bislang veröffentlichten Sprachnachrichten. Hier verzichtet Wendler etwa auf Begriffe wie Regime, mit denen sein Kumpel Attila Hildmann um sich wirft. Stattdessen übt er vergleichsweise sachliche Kritik an der Bundesregierung, streut hier und da die angeblich „ausgehebelte Meinungsfreiheit“ ein – das war’s dann aber auch schon wieder.

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Vielleicht hat Wendler die Sprache der Szene einfach noch nicht gelernt. Er ist ja noch neu. Vielleicht ist all das aber auch die Taktik. Wendler ist der neue, etwas weniger radikale Aufgewachte. Eine Art „Hildmann light“, mit dem sich auch nicht vegane Schlagerfans identifizieren können, denen in diesem Sommer der Ballermann-Urlaub verwehrt wurde.

Attila Hildmann hat derweil in seiner Telegram-Gruppe angekündigt, noch weitere Prominente für seine Verschwörungsarmee zu rekrutieren. Mit zehn Promis sei er „in engem Kontakt“ – sie alle sollen „in den nächsten Wochen Flagge zeigen“ gegen die „menschenverachtende Corona-Diktatur“. Sollte das wirklich stimmen, so dürfte das Abdriften des Michael Wendler wohl nicht der letzte Fall gewesen sein.

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