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Heidi Klum wird 50

Zwischen Modeln und Mobben

Aus Heidi Klums Modelkarriere ist ein Millionenimperium geworden.

Aus Heidi Klums Modelkarriere ist ein Millionenimperium geworden.

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Hannover. Will man die Karriere von Heidi Klum nacherzählen, gibt es zwei Ansätze, zwei Handlungsstränge, zwei Sichtweisen. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein – und sie laufen seit vielen Jahren nebeneinander her, ohne dass sie dabei zwangsläufig kollidieren.

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Man könnte die Geschichte erzählen der Geschäftsfrau Heidi Klum, ihrer cleveren Selbstvermarktung, ihrer außergewöhnlichen Karriere. Die des Supermodels, das mit zarten 18 Jahren die Laufstege dieser Welt betrat und ein Businessmodell entwickelte, das heute zu einem Millionenimperium geworden ist. Es ist die Geschichte einer Frau, die jetzt an ihrem 50. Geburtstag noch immer so aussieht wie mit 20 – und die bis heute eine erfolgreiche Karriere aufrechterhält, was kaum einer ihrer Konkurrentinnen je gelungen ist.

Oder man erzählt die andere Seite Heidi Klums – die, die sich vor allem im deutschen Privatfernsehen abspielt. Die Geschichte eines skrupellosen Model-Coaches, der seit Jahren junge Frauen vor laufenden Fernsehkameras fertigmacht, an ihren Körpern herummäkelt und das Aussehen über alles stellt, sie zum Weinen bringt und sie der Lächerlichkeit preisgibt – nur um sie nach dem Ende der Show wieder fallen zu lassen. Alles zur Belustigung eines Millionenpublikums, das vorwiegend aus jungen Mädchen besteht – und ohne Rücksicht auf Verluste.

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Heidis harte Schule

Nein, unter diesen Voraussetzungen ist es nicht ganz einfach, über Heidi Klum zu schreiben – daher fangen wir vorne an. Thomas Gottschalk ist derjenige, der das heutige Supermodel entdeckt. 31 Jahre ist das inzwischen her – damals veranstalten die Frauenzeitschrift Petra, die New Yorker Modelagentur Metropolitan und Gottschalks Sendung bei RTL einen Schönheitswettbewerb. Klum setzt sich gegen 25.000 Konkurrentinnen durch. Das junge Model erhält einen mit 300.000 US-Dollar dotierten Vertrag und zieht in die Vereinigten Staaten. Der Beginn einer Weltkarriere.

Heidi Klum 2001 mit ihrem Entdecker Thomas Gottschalk.

Heidi Klum 2001 mit ihrem Entdecker Thomas Gottschalk.

Wenn Klum heute selbst über diese Zeit spricht, dann beschreibt sie eine totale Fokussierung der Branche auf den perfekten Körper, deren Schönheitsideale natürlich die Branche selbst vorgibt. „Es gab ausschließlich Einheitsgrößen für uns, und wer nicht in die 34 gepasst hat, konnte nach Hause gehen – so wie ich zum Beispiel sehr oft in meinem Leben. (…) Das war meine Schule und so lief es während meiner Karriere.“

In mehreren Talkshows zu dieser Zeit kokettiert Heidi auch mit ihrer Figur: Sie mache vor allem Fotos und sei selten auf Laufstegen – weil sie dafür schlichtweg nicht dünn genug sei. Wie sehr Klum diese alte Schule prägt, wird sich noch zeigen – aber dazu später mehr.

Gründung eines Millionenimperiums

1997 läuft Klum erstmals für Victoria’s Secret, zwei Jahre später erscheint sie auf dem Titel der Bademodenausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift Sports Illustrated, es folgen Titelseiten von Vogue und Elle. Seit jeher arbeitet Klum eng mit ihrem Vater zusammen, der als ihr Manager agiert. In Klums Heimat Bergisch Gladbach gründet dieser die Heidi Klum GmbH & Co. KG und setzt damit den Grundstein für Klums späteres Unternehmensimperium.

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Model Heidi Klum zeigt 2009 auf dem Laufsteg eine Kreation auf der Victoria’s Secret Fashion Show in New York.

Model Heidi Klum zeigt 2009 auf dem Laufsteg eine Kreation auf der Victoria’s Secret Fashion Show in New York.

In den 2000er-Jahren ist Klum nicht mehr nur Model – ihr Name und ihr Körper sind eine Marke. Clevere Selbstinszenierung bestimmt seit jeher ihre Karriere. Immer wieder findet Klum neue Geschäftsideen, neue Produkte, neue Geschichten, neue Spins, die sich stets um sie selbst drehen – und die umgehend die Klatschmedien anlocken.

Klum beginnt, Süßigkeiten, Parfüm, Schmuck und Kleidung mit ihrem Namen zu vermarkten – selbst eine eigene Rosensorte gibt es. Das Model wird zudem Werbegesicht für Fruchtgummis und für Salat von McDonald’s, schreibt ein Buch und ist ab 2004 schließlich auch im Fernsehen tätig. Zunächst bei der Laufstegshow „Project Runway“ im US-Fernsehen, später bei „Germany’s Next Topmodel“ auf Pro Sieben.

Auch das Privatleben wird vermarktet

Klum hat Gastrollen in Kinofilmen, sie tritt als Moderatorin bei der Fußball-WM 2006 auf, moderiert die „MTV Europe Music Awards“ und gewinnt diverse Fernseh- und Fashionpreise. Seit 2001 veranstaltet das Model jährlich eine aufsehenerregende Halloweenparty mit geladenen Gästen aus dem Showbusiness. Über das bizarre und aufwendige Outfit der Gastgeberin berichten Medien Jahr für Jahr weltweit.

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„Happy Halloworm“: Heidi Klum feiert Halloween als riesiger Wurm
News Bilder des Tages October 31, 2022, Bangkok, Thailand: Revelers with Halloween make-up and dressed in costumes pose for photographs during the Halloween celebrations at popular tourist street Khaosan Road in Bangkok. Khaosan road one of the most knowable walking street in Bangkok held the ghost parade event for Halloween festival after 2 years of COVID restrictions. Bangkok Thailand - ZUMAs197 20221031_zaa_s197_052 Copyright: xChaiwatxSubprasomx

Nach so langer Halloweenparty-Pause hat es Heidi Klum für ihre Fans besonders spannend gemacht, in welchem Kostüm sie sich präsentieren wird.

Auch ihr Privatleben trägt Klum stets aufmerksamkeitswirksam in die Öffentlichkeit. Sie führte eine Beziehung mit dem italienischen Formel-1-Manager Flavio Briatore, 2005 heiratet Klum den Sänger Seal, seit 2019 ist sie mit Tom Kaulitz von der Band Tokio Hotel verheiratet – die Beziehung wird medienwirksam auf Instagram zelebriert. Inzwischen steht auch ihre Tochter Leni in der Öffentlichkeit.

Heidi Klum und ihr damaliger Freund Seal küssen sich beim Rosenmontagsumzug in Köln.

Heidi Klum und ihr damaliger Freund Seal küssen sich beim Rosenmontagsumzug in Köln.

Millionengagen für US-Shows

All das ist ein festes Konzept und klug durchdacht. „Es mag krass klingen, aber du musst dich zu jemandem machen, um dich länger im Regal halten zu können“, schreibt Klum 2004 in ihrem Buch „Natürlich erfolgreich“ – und erklärt damit auch den Unterschied zwischen sich und anderen Topmodels, die mit zunehmendem Alter wieder von der Bildfläche verschwanden.

Bei ihren Medienauftritten ist Klum nicht einfach nur das Model, das seriös und distanziert auf die Fragen ihrer Interviewpartnerinnen und -partner antwortet. Nein, Klum ist für jeden Blödsinn zu haben. Mal witzelt sie mit Latenight-Talkern, mal erzählt sie von ihren Brüsten, die eigene Namen haben: „Hans und Franz“. Mal zeigt sie auf Instagram schlüpfrige Bilder.

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In den USA kommt all das wahnsinnig gut an: Marken, Fernsehsender und Streamingdienste lechzen nach der Marke Heidi Klum. Für ihre Teilnahme bei „America’s Got Talent“ und der neuen Amazon-Show „Making the Cut“ strich das Model zuletzt wieder Millionengagen ein.

Das Image bekommt Kratzer

Ein paar Tausend Kilometer entfernt von den USA, in Klums Heimat Deutschland, hat das Image des selbstironischen Supermodels inzwischen aber tiefe Kratzer. Grund ist nicht etwa irgendeine Gummibärchenwerbung Klums, ein Schmuckprodukt oder ihr letztes aufsehenerregendes Halloweenkostüm. Es ist ausgerechnet die seit Jahren erfolgreiche Castingshow „Germany’s Next Topmodel“.

In der Kritik steht das Format schon seit jeher: Über das fragwürdige Frauenbild mit all seinen aus der Zeit gefallenen Schönheitsidealen berichten Medien bereits in den 2010er-Jahren. Die Sendung mit ihren Klischees fördere Magersucht, die jungen Teilnehmerinnen würden wie eine Ware behandelt und zur Belustigung des Publikums der Lächerlichkeit preisgegeben – etwa, wenn ihnen neue, besonders außergewöhnliche Frisuren verpasst würden oder sie komplett nackt fürs Fotoshooting posieren müssten.

Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ wirft Klum 2010 vor, sich in ihrer inszenierten Show als Scharfrichter aufzuspielen – sie sei ein fragwürdiges Vorbild. Klum gehe es nicht um die Förderung von jungen Talenten, sondern lediglich um eine gute Quote.

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Zu dick für den Laufsteg

Tatsächlich werden die Kandidatinnen der Sendung in Juryentscheidungen und fragwürdigen Challenges immer wieder gedemütigt und vorgeführt, wenn nicht gar gemobbt. Nicht selten spielt dabei der Körper der jungen Frauen eine entscheidende Rolle. In einer bemerkenswerten Szene wurde einem Nachwuchsmodel vor laufender Kamera von zwei Männern der Hüftumpfang gemessen, nachdem sie zuvor von Klum und ihrer Jury auf Diät gesetzt worden war. Zum Schock Klums hat das Model aber noch einmal zugelegt. Dem jungen (und nebenbei: sehr schlanken) Model ist all das sichtlich unangenehm.

Beispielhaft für all das steht auch eine Szene aus dem Jahr 2012: Klum und ihre Co-Juroren Thomas Rath und Thomas Hayo diskutieren minutenlang mit einer Kandidatin über ihre Gewichtszunahme, ausgelöst durch eine Malariaerkrankung. Von Rath fallen die Sätze „Sie hat sich schlichtweg verdoppelt“ und: „Sie war einfach moppelig“ und: „Du bist ganz schön drall geworden“. All das sei „nicht gut“.

„Moppelig“ ist Kandidatin Isabella derweil mitnichten – sie hat eine ganz normale, gesunde Figur. Trotzdem bleibt ihr schließlich nichts anderes übrig, als sich vor laufenden Fernsehkameras für ihr Aussehen zu entschuldigen. Klum versucht die unangenehme Situation zwar abzuschwächen, entscheidet aber dennoch, dass mit dieser Figur keine Karriere zu machen ist. Kandidatin Isabella könne ja im nächsten Jahr wieder am Casting teilnehmen.

Ex-Kandidatinnen protestieren

So geht es über Jahre hinweg. Der 2016 verstorbene Autor Roger Willemsen widmet Klum und ihrer Show ein inzwischen legendäres und tausendfach wiederholtes Zitat. „Eine unschöne Frau mit laubgesägtem Gouvernanten-Profil bringt kleine Mädchen zum Weinen, indem sie ihre orthodoxe, hochgerüstete Belanglosigkeit zum Maßstab humaner Seinserfüllung hochschwindelt, über ‚Persönlichkeit‘ redet, sich aber kaum mehr erinnern kann, was das ist, und sollte diese je zum Vorschein kommen, sie mit Rauswurf bestraft.“

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Youtuber Rezo kritisiert in einem Video vom vergangenen Jahr, dass selbst minderjährige Kandidatinnen in der Klum-Show sexualisiert und manipuliert würden. Komikerin Sarah Bosetti kritisiert bei „Extra 3″, Klums Sendung sei insbesondere schlimm für „die 15-jährigen Mädchen, die den Scheiß im Fernsehen sehen und erzählt bekommen, Gefallsucht sei eine Tugend und ihr Wert sei abhängig von kritischen Blicken von außen.“

Mit der Zeit begehren auch immer mehr Teilnehmerinnen der Sendung auf. Ex-Kandidatin Lijana Kaggwa etwa wirft Klum und der Sendung in einem Youtube-Video Manipulation vor. Pro Sieben geht gegen die Aussagen der Kandidatin gerichtlich vor. Ex-Kandidatin Kera Rachel Cook sagt dem „Spiegel“: „In der Show sucht man ständig nach Möglichkeiten, um das Stresslevel der Teilnehmerinnen zu erhöhen und sie vor dem Fernsehpublikum bloßzustellen.“

Klum sieht sich schließlich gezwungen, die Vorwürfe zu kommentieren – und abzustreiten. Vor der aktuellen Staffel „Germany’s Next Topmodel“ läuft ein Statement Klums, das anschließend vielfach gehässig im Netz kommentiert wird. Klums Sender Pro Sieben lässt es später aus dem Internet entfernen.

Nur Spott für Heidi

Es ist nicht ganz klar, ob man Heidi Klum wirklich Boshaftigkeit unterstellen kann. Vielleicht war „Germany’s Next Topmodel“ lange Zeit tatsächlich eine Art Abbild Heidis „harter Schule“, durch die das Model selbst einmal gehen musste. Die naheliegendere Erklärung ist aber sicherlich: Das Erniedrigen junger Frauen vor der Fernsehkamera bringt Quote.

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Gerade die Generation Z, für die die Modelshow gedacht ist, protestiert inzwischen gegen diese Art der Fernsehunterhaltung. In den deutschsprachigen sozialen Medien ist Heidi Klum inzwischen zu einer Art Persona non grata geworden. Wenn die Jurorin auf der „GNTM“-Bühne zusammen mit ihrem Ehemann Tom Kaulitz am Flügel gefühlvoll ein Lied trällert, haben Kommentatoren im Netz nur noch Spott dafür übrig.

„Ich habe diesen Song als Weckton, ich stehe seither immer fünf Minuten früher auf“, ist da zu lesen. Oder: „Fremdschämen auf einem anderen Level“. Aktuell verbreitet sich ein Video Klums, wie sie mit einem extravaganten Kleid etwas ungelenk auf einer Treppe posiert. Zu lesen sind Kommentare wie: „Heute kein Foto für Heidi“. Immer wieder liest sich unter solchen Posts aber auch großes Lob. Nicht für Klum – sondern für Lijana Kaggwa und andere Kandidatinnen, die sich inzwischen gegen das Klum-Imperium auflehnen.

Karriereschaden unwahrscheinlich

Doch es ist nicht nur das Image Heidi Klums, das bröckelt. Obwohl die neueren Staffeln „Germany’s Next Topmodel“ inzwischen betont auf Diversität und „Curvy Models“ setzen, ist die aktuelle Staffel diejenige mit den schlechtesten Quoten seit dem Start 2006. Erstmals in der Geschichte bewege man sich unter der Marke von durchschnittlich zwei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern, berichtet das Medienmagazin „DWDL“ – und das voraussichtlich sehr deutlich.

Heidi Klum präsentiert mit ihrer Tochter Leni Lingerie-Kreationen.

Heidi Klum präsentiert mit ihrer Tochter Leni Lingerie-Kreationen.

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Dass all das der Karriere Klums langfristig schaden wird, ist aber dennoch unwahrscheinlich. In den USA bekommt man von der Kritik an der deutschen Castingshow wenig mit. Außerdem steht der Klum-Nachwuchs längst in den Startlöchern.

Tochter Leni, 19 Jahre alt, modelt bereits für About You, die Schuhmarke Deichmann sowie die High-Fashion-Labels Dolce & Gabbana und Dior Make-up und dürfte dem Klum-Imperium bereits die nächsten Millionenumsätze einbringen.

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