„Farbfilm vergessen“: Nina Hagen von Merkels Zapfenstreich-Wunsch „erstaunt“
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Die deutsche Musikerin Nina Hagen.
© Quelle: Gerald Matzka/dpa-Zentralbild/dp
Berlin. Am Donnerstagabend verabschiedet sich die Bundeswehr mit einem Großen Zapfenstreich von Angela Merkel. Die scheidende Bundeskanzlerin durfte sich für den Festakt traditionell drei Musikstücke aussuchen. Sie wählte „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef und das ökumenische Kirchenlied „Großer Gott, wir loben Dich“. Merkel wuchs in einem Pfarrhaushalt auf – ihr 2011 gestorbener Vater Horst Kasner war evangelischer Theologe. Auch Merkels Mutter Herlind, die noch dabei war, als ihre Tochter am 14. März 2018 zum vierten Mal als Kanzlerin vereidigt wurde, ist tot – sie starb im April 2019.
Nina Hagen glaubt zuerst an Falschmeldung
Eine Erinnerung an Merkels Jugend in der damaligen DDR dürfte der Grund sein, dass die Bundeswehr auch den Titel „Du hast den Farbfilm vergessen“ spielen soll. Die Punksängerin Nina Hagen landete damit 1974 in der DDR einen Hit.
Nina Hagen selbst war überrascht von Merkels Musikwunsch, wie sie auf ihrer Facebook-Seite schreibt: „Auf alle Fälle bin ich von den neusten und überraschenden Musik-Nachrichten aus dem Bundeskanzlerinnen-Amt genauso erstaunt gewesen wie wahrscheinlich alle anderen Lebenskünstler und Lebenskünstlerinnen hierzulande“, heißt es dort. Sie habe die Nachricht zunächst für eine „Fake-Meldung“ gehalten.
Textdichter wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagt
Nina Hagen nennt auch den Grund, warum sie der Nachricht zunächst keinen Glauben schenkte. „Das ist ein Song mit Text von Kurt Demmler, und dass jedoch der Kurt Demmler ein DDR-„Staatsdichter“ mit Sonderprivilegien war, und später ein wegen systematischem Kindesmissbrauchs verurteilter Sexualstraftäter, der im Gefängnis Selbstmord beging, wird ihr hoffentlich bekannt sein“, schreibt die Musikerin.
Demmler wurde im Jahr 2000 wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern zu einer Geldstrafe verurteilt. 2008 wurde er erneut angeklagt, dieses Mal ging es um zahlreiche Fälle, die zwischen 1995 und 2005 geschehen sein sollten. Allein zwischen 1995 und 1999, hieß es in der Anklage, soll es zu 212 Übergriffen an Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren in seiner Berliner Wohnung und in seiner Villa in Storkow gekommen sein. In der Nacht vom 2. auf den 3. Februar erhängte sich Demmler in seiner Zelle in der Haftanstalt in Berlin-Moabit. Der Suizid erfolgte vor dem zweiten Verhandlungstag, bei dem Betroffene aussagen sollten. Die Fälle wurden nicht abschließend aufgearbeitet.
Nina Hagen: „Sich vor der Wahrheit zu verstecken, wäre feige“
Nina Hagen möchte sich trotzdem nicht von ihrem Hit abgrenzen, wie sie auf Facebook weiter schreibt. „Aber ich werde mich nicht vor den Fakten verstecken, und auch nicht so tun, als gäbe es sie nicht. Mein Publikum kann und soll auch alle Zusammenhänge kennen. Sich vor der Wahrheit zu verstecken, wäre feige, sowas ist mir ein Greuel! Fakt ist, dass der Text-Dichter dieses Songs, Kurt Demmler, ein hochprivilegierter Künstler war in der DDR, ein staatstreuer Liedermacher, und besonders nach dem Fall der Mauer, beging er schweren, systematischen Kindesmissbrauch und dass er sich dann in der Untersuchungshaft im Knast Moabit erhängte, und sich sang- und klanglos aus dem Staub machte, schmerzt umso mehr.“
In einem weiteren Facebook-Post von Dienstag führt Hagen die Entstehung des Songs weiter aus.
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Die höchste Würdigung
Der Große Zapfenstreich gilt als höchste Würdigung, welche die deutschen Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können. Neben Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern werden etwa auch Bundespräsidenten und Verteidigungsminister bei ihrer Verabschiedung mit dem Brauch geehrt. Seine Ursprünge gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Immer abends findet das Zeremoniell statt, es besteht aus einem Aufmarsch, mehreren Musikstücken – darunter die Nationalhymne – und dem Ausmarsch. Auch Fackeln gehören dazu, wenn Merkel im Bendlerblock, dem Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums, die feierliche Ehrung entgegennimmt.
RND/nis