Wirecard-Ausschuss: Warum zwischen Merkel und ihrem Ex-Minister Funkstille herrscht

Angela Merkel sagt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss aus.

Angela Merkel sagt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss aus.

Berlin. Um kurz vor 12 Uhr lässt Angela Merkel ihren früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erneut fallen – auch um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen: Nein, sie habe damals nicht gewusst, dass Guttenberg für Wirecard tätig gewesen sei, sagt Merkel am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss zu dem wohl größten Bilanzskandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte, als es um ein privates Treffen der beiden im September 2019 im Kanzleramt geht.

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Doch inzwischen sei klar, dass Guttenberg „ganz interessengeleitet“ bei ihr gewesen sei. Sie schätze es allerdings überhaupt nicht, wenn von Gesprächspartnern Privates und Geschäftliches vermischt werde. Der Kontakt zu Guttenberg? Er sei „erstorben“ – so die Kanzlerin.

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Das Gespräch mit Guttenberg kurz vor einer Reise der Bundeskanzlerin nach China spielt eine zentrale Rolle im Wirecard-Untersuchungsausschuss. Schließlich beriet Guttenberg mit seiner Investment- und Consultingfirma Spitzberg Partners den inzwischen insolventen Dax-Konzern bei dessen Expansionsplänen nach China.

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Tatsächlich setzte sich Merkel wenige Tage später bei der chinesischen Führung für das Unternehmen ein, obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon Medienberichte über ernste Unregelmäßigkeiten bei dem Fintech-Unternehmen gegeben hatte. Hat sich die Bundesregierung also von Lobbyisten in unzulässiger Weise beeinflussen lassen?

Rolle Guttenbergs spielt Merkel zunächst herunter

In ihrem Eingangsstatement vor dem Ausschuss folgt Merkel zunächst der schon bekannten Linie anderer Zeugen: Wirecard sei ein hochkriminelles Unternehmen gewesen, die Bundesregierung habe jedoch mit dem damaligen Wissen alles richtig gemacht. „Es gab damals (kurz vor ihrer China-Reise im September 2019) allen Berichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten auszugehen“, so die Kanzlerin.

Die Rolle von Guttenberg, der 2011 wegen einer abgeschriebenen Doktorarbeit zurück treten musste, spielt sie zunächst herunter. Dass auf der Reise der geplante Einstieg von Wirecard in den chinesischen Markt zur Sprache gekommen sei, habe „aus sich heraus“ seine Logik gehabt, sagt sie. Das Anliegen habe sich in die jahrelangen Bemühungen der Bundesregierung um die Marktöffnung auch im Finanzsektor eingefügt. Eine „Sonderbehandlung“ von Wirecard habe es nicht gegeben, betont sie.

Merkel: Keine Agenda angemeldet

Doch die Abgeordneten der Opposition wollen in der rund fünfstündigen Befragung mehr über das Gespräch mit Guttenberg wissen. Persönliche Treffen mit früheren Kabinettsmitgliedern seien für sie selbstverständlich, antwortet die Kanzlerin. Guttenberg habe für das Treffen „keine Agenda“ angemeldet. Und sie könne sich auch nicht erinnern, ob er Wirecard überhaupt erwähnt habe. Das ergebe sich nur aus den Akten.

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Tatsächlich geht daraus hervor, dass die Kanzlerin Guttenberg in dieser Sache an ihren Wirtschaftsberater Lars-Hendrick Röller verwiesen hat. Damit sieht sich Merkel offensichtlich entlastet. Schließlich hätten die Beamten des Kanzleramts später auch aufgrund von Informationen des Finanzministeriums entschieden, „dass ich das Thema ansprechen kann“.

„Man muss achtsam sein, wo die Bekanntschaft aus dem Kabinett übergeht in ein fachliches oder individuelles Interesse“, räumt Merkel später auf Nachfragen ein. Das sei ihr bei Guttenberg allerdings gelungen, weil sie die Fachebene transparent eingebunden habe. „Ich bin dankbar dafür, dass ich das so auf die Schiene gesetzt habe“, sagt sie und fügt lächelnd hinzu: „Ich bin mir dankbar, dass ich so wach war.“ Es gehe ihr vor allem auch darum, dass es „keine Hinterzimmeabsprachen“ gebe.

Doch egal wie: Das Gespräch mit Merkel öffnete Guttenberg und damit Wirecard die Türen. Ob sie sich getäuscht fühle von ihrem Ex-Minister, fragt der Grünen-Politiker Danyal Bayaz nach. Nein, soweit würde sie nicht gehen, antwortet Merkel. Aber dann fügt sie hinzu: Er, Guttenberg, habe seine Interessen in dem persönlichen Gespräch mit ihr durchaus „gut platziert“.

Die Kanzlerin als Opfer eines skrupellosen Lobbyisten? Das Bild versucht der CSU-Politiker Hans Michelbach zu zeichnen. Was sein Parteifreund getan habe, „beschämt mich“, sagt er. Die Bundeskanzlerin für die eigenen Geschäfte einzusetzen, gehe gar nicht. „Ich kann mich für meine Partei nur entschuldigen, dass sie hier in dieser Form benutzt werden sollten.“

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Der Grünen-Politiker Bayaz will das Opferbild jedoch nicht so stehen lassen. „Frau Merkel hätte sich auch selbst fragen können, ob ausgerechnet Ratschläge ihres ehemaligen Ministers Karl-Theodor zu Guttenberg vertrauenswürdig sind.“

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