Wie eine neue Unterwasser-Pipeline Europa unabhängiger von Russland machen könnte
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Per Schiff wurden in der Ostsee die Rohre für die umstrittene Nord-Stream‑2-Pipeline verlegt. Bald auch wieder im Mittelmeer?
© Quelle: dpa
Athen. Bei der Suche nach Ersatz für russisches Erdgas rückt das östliche Mittelmeer immer stärker in den Fokus. Im Juni unterzeichnete EU‑Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kairo ein Abkommen mit Ägypten und Israel. Es sieht vor, israelisches Erdgas zu Verflüssigungsanlagen in Ägypten zu pumpen und von dort als Flüssigerdgas (LNG) in Tankern nach Europa zu transportieren.
Aber auch ein seit zwei Jahrzehnten diskutiertes Pipelineprojekt bekommt durch Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Energiekrise neue Aktualität. Eastmed heißt die geplante Gasleitung, die Europa helfen könnte, Lieferungen des Kremlkonzerns Gazprom zu ersetzen. Die Pipeline soll Erdgas aus dem östlichen Mittelmeer über Zypern, Kreta und das griechische Festland nach Italien bringen. Damit könnten Länder wie Israel, Libanon, Ägypten und Zypern Gas aus ihren Fördergebieten ins europäische Netz einspeisen.
Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer könnten Europa 20 Jahre mit Gas versorgen
Studien beziffern die bereits nachgewiesenen und vermuteten Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer auf rund 8500 Milliarden Kubikmeter. Das würde reichen, die gesamte EU rund 20 Jahre lang mit Gas zu versorgen.
„Das Eastmed-Projekt macht jetzt wirtschaftlich und politisch mehr Sinn als je zuvor“, sagt Alexandra Sdoukou, die Generalsekretärin im griechischen Ministerium für Umwelt und Energie. „Ägypten ist in diesem Jahr Europas sechsgrößter Flüssiggaslieferant, und die jüngsten Gasfunde in den Wirtschaftszonen Israels und Zyperns unterstreichen das Potenzial der Region als bedeutender Energielieferant für Europa“, sagt Sdoukou.
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Das Atomkraftwerk Saporischschja und die Angst vor dem GAU
Die Menschen im südukrainischen Nikopol werden fast jede Nacht von russischen Truppen beschossen. Ihre größte Sorge aber gilt dem nahen AKW Saporischschja. Ausgerechnet ein Erfolg der Ukraine auf dem Schlachtfeld könnte die Gefahr einer Atomkatastrophe drastisch erhöhen.
Projektentwickler ist das IGI-Poseidon-Konsortium. Ihm gehören der griechische Gasversorger Depa und der italienische Energiekonzern Edison an. Die Pipeline soll technisch so ausgelegt sein, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt auch grünen Wasserstoff aus dem Nahen Osten nach Europa transportieren könnte. „Langfristig kann die Eastmed-Pipeline zum Rückgrat der Wasserstoffversorgung für die EU werden“, glaubt Alexandra Sdoukou.
Türkei will das Projekt verhindern
2013 nahm die EU‑Kommission EastMed in die Liste der förderungswürdigen Projekte von gemeinsamem Interesse (PCI) auf. Brüssel unterstützte Vorstudien mit Zuschüssen von 34,5 Millionen Euro. 2020 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs Griechenlands, Israels und Zyperns in Athen ein Regierungsabkommen über den Bau der Pipeline.
Aber die Türkei will das Projekt verhindern. Die Leitung müsste durch ein Seegebiet führen, das Ankara als eigene Wirtschaftszone beansprucht. Hinter dem Einspruch steht der Plan des türkischen Staatschefs Erdogan, sein Land zum Korridor für russische Erdgaslieferungen nach Europa zu machen.
Technische Hürden – und 7 Milliarden Euro Baukosten
Erdogans Veto ist nicht die einzige Hürde für das Eastmed-Projekt. Wegen seiner Länge von fast 2000 Kilometern und der großen Wassertiefe von bis zu 3000 Metern gilt das Vorhaben als technisch sehr anspruchsvoll. Die Baukosten werden auf 7 Milliarden Euro veranschlagt. Trotzdem gibt es gute Argumente für die Pipeline. „Von allen möglichen Optionen wäre die Eastmed-Pipeline der direkteste Weg, Gas aus dem östlichen Mittelmeer nach Europa zu exportieren“, sagte die israelische Energieberaterin und Gasexpertin Gina Cohen.
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Im Vergleich zu dem von der EU geplanten LNG-Transport aus Ägypten sieht die israelische Expertin in Eastmed einen wesentlichen Vorteil für die europäischen Abnehmer: „Das Pipelinegas wäre ausschließlich für Europa bestimmt. Damit würde es möglich, einen eigenen Preis festzusetzen“, sagt Cohen.
Das Poseidon-Konsortium forciert derweil das Projekt. Im Juni hat die internationale Zertifizierungsgesellschaft DNV nach eingehender Prüfung die Durchführbarkeit des Plans bestätigt. Bis Ende dieses Jahres will IGI-Poseidon die technischen Studien abschließen. Dann soll die Investitionsentscheidung fallen. Den Beginn des kommerziellen Betriebes setzt das Konsortium für 2027 an.