Wie aus der Ukraine geflohene Ausländer verzweifelte Landsleute unterstützen
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Ein Mann bringt am Berliner Hauptbahnhof ein Schild an, das auf Unterstützung für nichtweiße Flüchtende aus der Ukraine hinweist.
© Quelle: IMAGO/A. Friedrichs
Lwiw. Als Alexander Somto Orah endlich die Grenze zu Polen erreichte, waren Erleichterung und Hoffnung noch längst nicht zu greifen: Er und andere afrikanische Studenten seien von den ukrainischen Grenzposten gestoppt und von den anderen Flüchtenden getrennt worden, sagt der 25-Jährige aus Nigeria. Ebenso wie die Inder seien sie angewiesen worden, die Ukraine in Richtung Rumänien zu verlassen.
„Sie sagten uns, wenn wir versuchten, uns durchzuschieben, würden sie schießen“, berichtet Orah. Eine Videoaufnahme, die der AP vorliegt, belegt die Auseinandersetzung an der ukrainisch-polnischen Grenze. Angetrieben von Angst und Wut protestierten die Ausländer gemeinsam. „Wir sagten, dass wir Studenten sind und einfach nur nach Hause wollen“, erklärt Orah. Schließlich seien die jungen Leute durchgelassen worden.
Das Erlebte aber lässt Orah nicht ruhen. Seit er kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine nach Polen floh, ist er schon einige Male an die Grenze zurückgekehrt – um anderen Ausländern bei der Flucht zu helfen. Bis zum Wochenende meldete die Internationale Organisation für Migration (IOM) rund 80.000 aus der Ukraine geflohene Ausländer aus fast 140 Ländern.
Nichteuropäische Geflüchtete bilden Netzwerke
Einige von ihnen, vor allem Studierende aus afrikanischen Ländern oder aus Indien, haben Diskriminierung und Drohungen auf der Flucht und an der Grenze beklagt. Der UN-Sonderberichterstatterin für Rassismus, Tendayi Achiume, wurde unter anderem gemeldet, dass den Flüchtenden der Zugang zu Schutzräumen oder Transport verwehrt worden sei oder auch der Zugang zu Konsulaten in Nachbarländern. Eine solche diskriminierende Behandlung sei lebensbedrohlich, mahnte Achiume.
Ihre Erfahrungen schweißen Geflohene aus Afrika, Lateinamerika, Indien und anderen Ländern zusammen: Aus dem Stegreif bilden sich Netzwerke, um Ausländerinnen und Ausländern zu helfen, dem Krieg in der Ukraine zu entkommen. Das geschieht tatkräftig an der Grenze, aber auch mit Ratschlägen und dem Zusenden von Hilfsadressen über Telefon und soziale Netzwerke.
Bei Ojonugwa Zakari aus Nigeria ploppt inzwischen ein Tipp nach dem anderen auf. Die 21 Jahre alte Medizinstudentin, die nach eigenen Angaben mit Hunderten anderen Ausländern in Sumy im Nordosten der Ukraine feststeckt, bekommt Adressen von Helfern, Hinweise auf Notversorgung und Angaben, was genau sie an Checkpoints vorzeigen muss.
Der Zusammenhalt unter Geflüchteten ist groß
„Es geht nicht mehr darum, von wo man kommt“, sagt Zakari. Die Helfer richten sich an alle, die das Schicksal und die Unsicherheit ihrer eigenen Landsleute teilen: Sie „versuchen sicherzustellen, dass man es als Ausländer in der Ukraine schafft, in Sicherheit zu kommen“, erklärt Zakari.
Entstanden sind dazu Gruppen auf Telegram und WhatsApp, auf einigen Plattformen werden finanzielle Hilfen angeboten, manchmal auch psychologische Unterstützung. Andere Ausländerinnen und Ausländer helfen ihren festsitzenden Landsleuten mit Organisation und Koordination der Flucht. Sie habe so für mehr als 50 Studierende aus Simbabwe die Busfahrt Richtung Polen abgestimmt, sagt Faith Chemari. „Ich ließ die Studierenden Gruppen bilden und die Jungs zuerst fahren, so dass sie den anderen Studierenden Rückmeldung geben konnten, ob es sicher ist“, erklärt die Helferin.
Schon innerhalb der Ukraine treffen die fliehenden Ausländer an so manchen Orten auf Landsleute, die ihnen bis zur nächsten Zwischenstation weiterhelfen. So sei er in Odessa von Angehörigen seiner Volksgruppe der Aseri empfangen worden, berichtet etwa der 28-jährige Elxan Salmanow Ilham aus Aserbaidschan. „Sie halfen uns, an die moldauische Grenze zu kommen.“
Willkommenskultur in der Slowakei
Auf der anderen Seite der Grenze werden die Flüchtenden in den umliegenden Ländern der Ukraine oft bereits von Landsleuten erwartet, die ihnen weiterhelfen. Und auch sie stoßen auf eine große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, wie Sanusi Salihu aus Nigeria. Ohne Essen und ohne zu wissen, wo er unterkommen könnte, sei er in der Slowakei angekommen, berichtet der Student. Kurze Zeit später wurde er herzlich von einem Slowaken aufgenommen.
„Wir sind zu siebt in seinem Haus“, sagt Salihu. „Er ist mit uns allen Essen gegangen und sehr nett.“ Jetzt versucht Salihu, aus seinem sicheren Unterschlupf jenen zu helfen, die dem Krieg bislang noch nicht entkamen. Mit Textnachrichten, Tipps und Ratschlägen. Das, was er im Moment tun kann.
RND/AP