Ampelkoalition plant Schutz von Whistleblowern: Bürgerrechtler sehen Defizite
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Wäre auch mit den neuen Regelungen noch nicht geschützt: Edward Snowden.
© Quelle: Christian Charisius/dpa
Berlin. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat das vom Bundeskabinett am Mittwoch gebilligte Hinweisgeberschutzgesetz als unzureichend kritisiert. „Wer auf ein umfassendes Schutzgesetz für Whistleblowerinnen und Whistleblower gehofft hat, wird enttäuscht“, sagte der Projektkoordinator der Bürgerrechtsorganisation, David Werdermann, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Der Entwurf lässt viele Hinweisgebende im Stich und legt ihnen Steine in den Weg.“
So würden Meldungen nicht geschützt, wenn sie sich auf Fehlverhalten bezögen, das nicht gegen Rechtsvorschriften verstoße. „Dabei kann es auch bei solchem Fehlverhalten ein erhebliches öffentliches Interesse am Bekanntwerden geben“, betonte Werdermann. „Das zeigen etwa Missstände in der Pflege oder rechtsextreme Chats von Polizeibeamten, die oft keinen Straftatbestand erfüllen, aber trotzdem skandalös und schädlich für das Gemeinwohl sind.“
Kritik an Bußgeldhöhe
Geheimdienste seien überdies vollständig ausgenommen. Edward Snowden, der weltweite Massenüberwachung ans Licht gebracht habe, wäre demnach in Deutschland nach dem Gesetzentwurf nicht geschützt. „Hier wird angeblichen Sicherheitsinteressen einseitig der Vorrang gegenüber der Presse- und Meinungsfreiheit eingeräumt.“
Schließlich fehle es auch weiterhin an abschreckenden Sanktionen für Unternehmen, wenn sie rechtswidrig gegen Whistleblower und Whistleblowerinnen vorgingen. „Bußgelder sind auf maximal 100.000 Euro beschränkt“, so Werdermann. „Unternehmen wie Volkswagen oder Wirecard bezahlen das aus der Portokasse.“
Laut Gesetzentwurf sollen Bürger, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen oder Behörden geben, besser vor Kündigung und Mobbing geschützt werden. Die Hinweise können Gesetzesverstöße gegen Umweltschutzvorgaben oder gegen Sicherheitsvorschriften sein. Die Meldestellen, an die sich die Whistleblower laut Entwurf künftig wenden können, müssen die Identität der Hinweisgeber vertraulich behandeln.
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Alle Arbeitgeber und Organisationen mit mindestens 50 Beschäftigten sollen eine solche Meldestelle einrichten müssen. In einem Konzern soll es ausreichen, wenn es eine Meldestelle bei der Konzernmutter gibt. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie für jeden Hinweisgeber, der Bedenken hat, sich an eine interne Stelle zu wenden, will Justizminister Marco Buschmann (FDP) die Möglichkeit schaffen, beim Bundesamt für Justiz vorstellig zu werden.
Die Zeit drängt
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände übte Kritik an dem Entwurf – jedoch aus entgegengesetzten Gründen. Sie schrieb bei Twitter, Hinweisgeberschutz sei wichtig, und Arbeitgeber könnten Fehler im Unternehmen am schnellsten beseitigen. Der Gesetzentwurf gehe aber „über die EU-Richtlinie hinaus und muss überarbeitet werden“. Die BDA besteht darauf, dass vorrangig interne Meldestellen genutzt werden.
Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, sagte dem RND: „Der verbesserte Schutz von Hinweisgebern, der auch europarechtlich geboten ist, wurde viel zu lange verschleppt. Die Ampel hat sich auch dieser Altlast angenommen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den heutigen Kabinettsentwurf.“ Zudem sei gegenüber ersten Entwürfen nachjustiert worden, sodass künftig auch anonyme Hinweise verfolgt würden und Hinweise möglich seien, wenn Dokumente von Behörden als vertraulich eingestuft wurden. „Dennoch sehen wir noch Luft nach oben“, sagte von Notz. „Als Grüne werden wir uns, dem Koalitionsvertrag folgend, im weiteren parlamentarischen Verfahren für darüber hinausgehende Verbesserungen einsetzen.“
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