Westbalkan: Die EU darf sich einen strategischen Fehler nicht erlauben
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Janez Jansa (Mitte links), Ministerpräsident von Slowenien, und Charles Michel (Mitte rechts), Präsident des Europäischen Rats, verlassen die Plattform nach einem Gruppenfoto mit den Staats- und Regierungschefs der EU während eines EU-Westbalkan-Gipfels im Schloss Brdo, Slowenien.
© Quelle: Darko Bandic/AP/dpa
Brüssel. Wieder sind die Länder des Westbalkans vertröstet worden. Das ist das leider magere Ergebnis des EU-Gipfels in Slowenien. Bis auf das Versprechen der EU-27, in den nächsten sieben Jahren 30 Milliarden Euro für die Region zu mobilisieren, ist keines der sechs Länder einem EU-Beitritt auch nur einen Millimeter näher gekommen. Das wird sich noch zu einem gewaltigen Problem auswachsen – für die Westbalkan-Staaten sowieso, aber auch für die EU.
Es ist richtig: Die allermeisten Länder der Region sind (noch) nicht reif für den Beitritt. Die Rechtsstaatlichkeit ist schwach. Dafür sind Korruption und Nepotismus überall zu finden. Gebietsstreitigkeiten kommen dazu.
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Aber das sind keine Argumente gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die ziehen sich ohnehin über Jahre hinweg und können, wie das Beispiel der Türkei zeigt, in der Sackgasse enden.
EU verpackt Unverbindliches wohlklingend
Die EU versteht es meisterhaft, Unverbindliches in wohlklingende Erklärungen zu verpacken. Das ist bei der „Erklärung von Brdo“ vom Mittwoch nicht anders.
Doch die Menschen auf dem Westbalkan verlieren die Geduld. Seit bald 20 Jahren wird ihnen die EU-Mitgliedschaft immer wieder versprochen. Doch sie warten immer noch auf die Einlösung des Versprechens.
Inzwischen haben die Menschen das erbarmungswürdige Spielchen zwischen ihren Regierungen und der EU erkannt. Die EU gibt weiter energisch vor, dass die Erweiterung auf der Tagesordnung steht. Und die Regierungen in der Region gaukeln enormen Reformeifer vor.
EU muss sich besser verkaufen
Um das unwürdige Schauspiel zu beenden und die Menschen gleichzeitig spüren zu lassen, dass die EU Besseres zu bieten hat als China oder Russland, muss sich die EU dringend besser verkaufen. Die EU-Mitgliedsstaaten sind der größte Investor in der Region. Die EU ist der wichtigste Handelspartner der sechs Staaten – und Impfstoffe liefert sie auch noch.
Warum geht die EU nicht noch einen Schritt weiter? So schnell wie möglich sollte der Westbalkan an den EU-Binnenmarkt angebunden werden. Eine Teillösung ist besser als gar keine Lösung.
Das wäre vernünftig. Doch Vernunft setzt sich selten durch, wenn Wahlkampf ist. Und irgendwo ist immer Wahlkampf. In Frankreich etwa hat Präsident Emmanuel Macron Angst vor den Rechtsextremen und drückt deswegen auf die Erweiterungsbremse. Bulgarien, wo schon seit Monaten Dauerwahlkampf ist, blockiert ebenfalls.
Dabei verdrängen die Erweiterungsblockierer die schlichte Erkenntnis, dass es im Interesse der EU ist, den Westbalkan an sich zu binden. Wenn die Staaten der Region nicht aus dem Zwielicht am Rande der EU geholt werden, dann werden sie sich China, Russland und der Türkei zuwenden.
Das aber wäre ein strategischer Fehler der EU, der seinesgleichen sucht. Die Europäer wollen eine starke Rolle in der Weltpolitik spielen. Die fängt in der eigenen Nachbarschaft an.