Werteunion: Max Ottes Vize mit Neonazivergangenheit
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Die Werteunion, ein konservativer Kreis von Mitgliedern der Unionsparteien, hat einen höchst umstrittenen neuen Vorstand gewählt.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Seit vergangenem Wochenende ist Klaus Dageförde einer von drei Stellvertretern des neuen Werteunion-Chefs Max Otte. Das Foto auf der Website der Werteunion zeigt einen schlanken Mann im schwarzen Anzug mit schwarzem Rollkragenpullover. Neben seinem Posten in der CDU-Splittergruppe ist Dageförde auch Vizevorsitzender des Vereins „Bürgerlich-Freiheitlicher Aufbruch e.V. i.G.“, dem auch der Berater Moritz Hunzinger und der aus der AfD ausgetretene Bundestagsabgeordnete Mario Mieruch angehören.
Der Verein will „das bürgerliche Lager zusammenführen und einen, statt weiter zu zersplittern“ und wirft CDU und FDP vor, sie würden sich „lieber einem grassierenden, links-grünen Zeitgeist anbiedern, als solide, problemlösende Maßnahmen zu erarbeiten und für diese um politische Zustimmung zu werben“. Auch vom Höcke-Flügel der AfD grenzen sie sich ab.
Funktionär der Neonazikameradschaftsszene
Es gab aber eine Zeit, in der Dageförde noch weiter rechts außen stand als Höcke heute. Er will das als Jugendsünde betrachtet wissen. Als junger Mann in Bayern nannte er sich laut Gerichtsakten „Kameradschaftsführer Bamberg“, und „Beauftragter für den Gau Bayern“ mit der Aufgabenwahrnehmung eines „Gausekretärs“. So steht es in der Anklageschrift des Landgerichts Stuttgart, das einer Reihe von rechtsextremen Angeklagten ab 1990 den Prozess machte. Die Neonazis waren angeklagt, die seit 1984 verbotene Organisation „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA) des verstorbenen Michael Kühnen in Form der „Bewegung“ weitergeführt zu haben. Die Anklageschrift befindet sich im antifaschistischen Pressearchiv Apabiz, das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) konnte sie einsehen.
Promianwälte der Szene wie Jürgen Rieger verschleppten den Prozess über Jahre, am Ende sprangen Bewährungsstrafen heraus. Dageförde gibt gegenüber dem RND an, dass die Anklage gegen ihn schon im Vorfeld des Prozesses fallen gelassen wurde. Er sei auch kein „Kameradschaftsführer Bamberg“ gewesen. Er habe „zeitweise bis 1988/89 verschiedene Tätigkeiten in diesen rechten Lager unterstützt“. Das habe sich „schleichend entwickelt“. Bereits 1988/89 habe er sich „von diesem kompletten Netzwerk überzeugt und geläutert distanziert“. Als Jobcoach betreue er heute viele Menschen mit Migrationshintergrund und warne stets vor Rechtsextremismus, fügt er hinzu.
Dageförde berichtet weiter: „Ich war mit meinen circa 20 Jahren sehr vielen Einflüssen ausgesetzt und habe in meinem Reifeprozess auch viel „ausprobiert“. Dies habe ich über die letzten 30 Jahre sehr bedauert.“ Vor der Wahl zum Vizevorsitzenden der Werteunion habe er auf seine „Tätigkeit vor 30 Jahren in dem nationalen Lager und Kreis hingewiesen“, zu dem er seitdem keine Kontakte mehr pflege.
Otte: Kenne Dageförde erst seit Ende Mai persönlich
Werteunion-Chef Max Otte sagt dem RND: „Herr Dageförde hat in seiner Bewerbungsrede darauf hingewiesen, dass er vor langer Zeit einmal im der rechten Szene aktiv war. Er hat auch gesagt, dass er all das seit 30 Jahren hinter sich gelassen habe.“ Er kenne Klaus Dageförde erst seit dem 29. Mai persönlich. Zwei Tage später hätten die beiden über seine Vergangenheit und seine CDU-Mitgliedschaft ab 2004 gesprochen. Otte sagt dem RND: „Meine Nachfrage, ob alle Kontakte seit langem beendet seien, bejahte er.“
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Max Otte, Vorsitzender der Werteunion.
© Quelle: imago stock&people
Aber hat sich Dageförde damals wirklich komplett von der Szene losgesagt? 2001 wird er erneut aktenkundig, und zwar im Umfeld der „Kameradschaft Hannover-Celle“. Eine Erkenntnismeldung der Polizei Hannover, die dem RND vorliegt, nennt Dageförde als Kontaktperson der Kameradschaft und Freund des Kameradschaftsführers Jörg R. „Diese Namen sagen mir beide gar nichts“, dementiert Dageförde. Er sei nur einmal in Hannover zu Besuch gewesen, bei einem Paar, das er übers Internet kennenlernte. Ob das R. war, könne er nicht bestätigen.
Die Aufstellung der Polizei schickte das niedersächsische Innenministerium im Jahr 2012 zusammen mit anderen Akten an den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Im Umfeld der Kameradschaft war den Erkenntnissen der Hannoveraner Polizei zufolge nämlich auch ein Neonazi mit Verbindungen zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) aktiv. Alexander S. wird ebenfalls als Kontaktperson der Kameradschaft genannt, er war damals mit dem verurteilten NSU-Unterstützer Holger Gerlach befreundet. Über Holger Gerlach gelangte sogar eine Krankenkassenkarte der Frau von Alexander S. an Beate Zschäpe, die die Terroristin offenbar für Arztbesuche unter falscher Identität nutzen wollte.