Wenn ein Bischof weint und beichtet
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(Symbolbild)
© Quelle: Arne Dedert/dpa
Es war ein Anruf, den der Kriminologe und frühere niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer (SPD) sein Leben lang nicht vergessen wird. Am Telefon meldete sich ein deutscher Bischof, der ihm sagte, er habe nicht mehr lange zu leben, und nun wolle er etwas loswerden.
Der Kirchenmann gestand, gleich in zwei Fällen ein Auge zugedrückt und Sexualtäter bei der Kirche weiter beschäftigt zu haben. Beide, berichtete der Bischof unter Tränen, hätten dann erneut sexuelle Gewalt ausgeübt.
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Der Kriminologe Christian Pfeiffer.
© Quelle: dpa
Es war eine Beichte einmal andersherum: Ein Geistlicher breitet in seinen letzten Tagen auf Erden vor dem Laien seine Sünden aus.
Ein gutes Zeichen? Ein Signal des Umdenkens? Pfeiffer sagt, auch dieses Geständnis, so bewegend es war, hätte er sich lieber öffentlich gewünscht.
Schon damals gab es Widerstand aus München
Vor zehn Jahren versuchte Pfeiffer, in einer groß angelegten Studie Licht ins Dunkel des Themas Missbrauch in der Kirche zu bringen. Die Verträge waren schon gemacht. Als langjähriger Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN) bekam er einen Auftrag der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. KfN-Mitarbeiter sollten in allen 27 Bistümern Akten sichten. Doch dann kam es zu einem Streit über die genaue Vorgehensweise – und anstelle von Klarheit und Wahrheit entstand neues Zwielicht.
Die Bischofskonferenz unter der Führung von Kardinal Reinhard Marx, sagt Pfeiffer, habe von Aufklärung gesprochen, sie aber de facto immer wieder gebremst. Vor allem stieß sich Pfeiffer daran, dass die Kirche über die Veröffentlichung der Studie selbst entscheiden wollte, dies sah er als Zensur.
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War sein Aufklärungswille nicht echt? Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising.
© Quelle: Lennart Preiss/dpa
Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagte Pfeiffer am Donnerstag, die jetzt beklagten Missstände in München wunderten ihn „kein bisschen“. Schon als er damals seine Studie starten wollte, habe es Widerstände vor allem aus München gegeben.
Wie mühsam allerorten die damalige Forschung war, schildert Pfeiffer anhand eines Termins seiner Mitarbeiter in einem Bistum, denen dort gesagt wurde: „Wir haben schon mal die Akten sortiert – diese hier bekommen sie nicht, denn das sind die aktuellen.“
Kritik an Leisetreterei der Justiz
Gerade die Aufklärung aktueller Missstände wäre das Allerdringendste gewesen, vor allem im Sinne der Opfer. Pfeiffer sagt: „Die wussten: Wenn KfN-Leute irgendwo Hinweise auf aktuelle Delikte sehen, geben sie alles sofort der Staatsanwaltschaft.“
In der „Zeit“ schrieb Pfeiffer diese Woche, leider habe die deutsche Justiz zu wenig von sich aus ermittelt. Sie sei „mit den Kirchen so umgegangen, wie man eine Kirche betritt – leise, respektvoll, auf Zehenspitzen. Diese Leisetreterei muss aufhören!“
Sieht Pfeiffer nach seinen langjährigen Enttäuschungen bei der katholischen Kirche Hopfen und Malz verloren? Nicht ganz. Auf den neuen Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, hält der Kriminologe große Stücke: „Der hat verstanden, worauf es jetzt ankommt: auf echten Aufklärungswillen.“