Was auf der Brüsseler Sanktionsliste gegen Russland steht – und was Deutschland dazu sagt
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Stellte am Dienstag unter anderem das Kohleembargo vor: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
© Quelle: Jean-Francois Badias/AP/dpa
Brüssel/Berlin. Nach den Gräueltaten von Butscha will die EU-Kommission Russland mit neuen drastischen Sanktionen belegen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug am Dienstag einen Importstopp für russische Kohle vor.
Zugleich kündigte sie an, dass ihre Behörde an weiteren Sanktionen arbeite, die auch ein Ölembargo zur Folge haben könnten. Nun müssen die 27 EU-Mitgliedsstaaten entscheiden, ob sie dem Vorschlag der EU-Kommission folgen. Sanktionsentscheidungen müssen in der EU einstimmig fallen.
Gazprombank weiter nicht auf Sanktionsliste
Das Kohleembargo habe einen Umfang von 4 Milliarden Euro im Jahr, sagte von der Leyen: „Damit schneiden wir eine wichtige Einnahmequelle Russlands ab.“
- Auch sollen vier weitere russische Banken keinerlei Geschäfte mehr mit Instituten in der EU machen dürfen. Darunter ist die zweitgrößte russische Bank VTB. Die vier Banken haben nach Angaben der Brüsseler Behörde einen Marktanteil von 23 Prozent im russischen Bankensektor.
- Von Sanktionen verschont bleibt offenbar weiter die Gazprombank, über die der Einkauf von Erdgas aus Russland läuft. Gleichwohl werde das Finanzsystem Russland „weiter geschwächt“, sagte von der Leyen.
- Russische Schiffe und Schiffe, die von russischen Reedereien betrieben werden, dürfen dem Vorschlag zufolge nicht mehr in EU-Häfen einlaufen. Ausnahmen gelten für lebensnotwendige Güter wie Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse, humanitäre Hilfsgüter und Energie.
Bundesregierung übernimmt Kontrolle bei Gazprom Germania
Zur Sicherung der Gasversorgung greift Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in die Eigentumsverhältnisse eines Gasunternehmens ein.
© Quelle: Reuters
- „Zudem verhängen wir ein Verbot für russische und belarussische Kraftverkehrsunternehmen“, sagte die EU-Kommissionschefin. Damit würden die Möglichkeiten für die russische Industrie, wichtige Güter zu beziehen, drastisch eingeschränkt.
- Um die russische Industrie weiter zu schwächen, schlug die EU-Kommission ein Ausfuhrverbot für bestimmte Produkte in Höhe von 10 Milliarden Euro vor. Dazu gehören Quantencomputer, moderne Halbleiter und andere Hochtechnologie.
- Auch sollen zusätzliche Einfuhrverbote für Holz, Zement, Meeresfrüchte und alkoholische Getränke aus Russland in die EU verhängt werden. Von der Leyen sprach von Waren im Wert von 5,5 Milliarden Euro. Das soll die Finanzströme der russischen Regierung und der russischen Oligarchen treffen.
- Schließlich will die EU-Kommission russischen Unternehmen verbieten, an der Vergabe öffentlicher Aufträge in den EU-Mitgliedsstaaten teilzunehmen. Auch dürfe es keine finanzielle Unterstützung öffentlicher Einrichtungen in Russland mehr geben, sagte von der Leyen: „Denn europäische Steuergelder sollten nicht – in welcher Form auch immer – nach Russland fließen.“
Als Grund für die weitreichenden Vorschläge nannte von der Leyen am Dienstag explizit die am Wochenende bekannt gewordenen Gewalttaten im ukrainischen Butscha. „Diese Gräueltaten dürfen und werden nicht ohne Folgen bleiben“, sagte die deutsche Politikerin. Russland führe nicht nur gegen die tapfere ukrainische Armee einen grausamen Krieg, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung.
Bund trägt Kohleembargo grundsätzlich mit
Schon am Mittwoch wollen die Botschafter der EU-Staaten in Brüssel über die neuen Vorschläge der Kommission beraten. Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) trägt die Bundesregierung das Kohleembargo grundsätzlich mit. Zwar hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erst vor zehn Tagen den Herbst als Zeitpunkt genannt, an dem Deutschland unabhängig von russischer Steinkohle sein werde, aber die Bilder aus Butscha haben in der Bundesregierung offenbar zu einem Umdenken geführt. Jetzt soll der verbleinende russische Anteil von 25 Prozent am deutschen Steinkohleverbrauch schneller ersetzt werden.
Die spannende Frage wird sein, wie schnell, denn in einem aktuellen Bericht für den Wirtschaftsausschuss des Bundestages, der dem RND vorliegt, warnt Habecks Ministerium für den Fall eines sofortigen Lieferstopps vor Kohleknappheit und möglichen Problemen im Stromsektor.
Es blieb zunächst unklar, ob schon am Mittwoch eine Entscheidung fällt, zumal Sanktionen in der EU einstimmig beschlossen werden müssen.