Warum die Präsidentenwahl in Polen so wichtig ist
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/W3E7KG64KVEARDLZHVQP6ZPYR4.jpg)
Europafahne gegen weiß-rot: Eine Anhängerin des liberalen Kandidaten Rafal Trzaskowski trifft Parteigänger des amtierenden Präsidenten Andrzej Duda.
© Quelle: imago images/Eastnews
Berlin. An diesem Sonntag stimmen die Polinnen und Polen darüber ab, wer ihr neuer Präsident sein soll. Die Wahl sollte ursprünglich bereits im Mai stattfinden, dann wurde sie wegen der Corona-Pandemie verschoben. Für die regierenden Nationalkonservativen ist das eine schlechte Nachricht: Amtsinhaber Andrzej Duda hat inzwischen einen ernst zu nehmenden Herausforderer bekommen.
Zunächst hatte er damit gerechnet, ungefährdet im ersten Wahlgang wiedergewählt zu werden. Nun aber muss eine Stichwahl die Entscheidung bringen.
Beide Kandidaten sind gleich alt, 48 Jahre. Beide waren Europaabgeordnete, bevor es sie in die nationale Politik zog. Duda wurde Berater des nationalkonservativen Brüderpaars Lech und Jaroslaw Kaczynski von der PiS-Partei, Trzaskowski war Minister im Kabinett des Liberalen Donald Tusk und seit 2018 Oberbürgermeister der Hauptstadt Warschau. Die Wahl gewann er bereits im ersten Durchgang gegen den PiS-Kandidaten - was ihm in der normalerweise zerstrittenen polnischen Opposition einen Sieger-Nimbus verschafft. “Wenn es einer schafft, dann Pan Rafal”, hoffen viele.
Polnischer Präsident kann Gegengewicht zur Regierung sein
Die Wahlen sind aus zwei Gründen wichtig: Der Präsident hat in Polen keine rein protokollarischen Aufgaben, sondern könnte ein wichtiges Gegengewicht zur Regierung darstellen. Er hat das Recht, fast jede Gesetzesinitiative des Parlaments mit einem Veto zu stoppen. Um das Veto des Präsidenten zu überstimmen, braucht es eine Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament. Die hat nicht einmal die PiS.
Die Nationalkonservativen haben 2019 die Parlamentswahlen klar gewonnen. Die Präsidentenwahl ist für die liberale Opposition auf Jahre hinaus die letzte Chance, eine Wende einzuleiten.“Diese Wahl wird eine Volksabstimmung darüber, ob die Politik der PiS fortgesetzt werden kann oder nicht”, sagt der Politologe Antoni Dudek der Nachrichtenagentur dpa.
Die Partei, deren Kürzel für “Recht und Gerechtigkeit” steht, hat seit 2015 das Machtmonopol in Polen. Sie verfügt im Parlament über die absolute Mehrheit und kann ohne Koalitionspartner schalten und walten. Auch Duda stammt aus den Reihen der PiS. Und selbst wenn der Präsident nach der Verfassung offiziell keiner Partei angehören darf: Duda betont gerne, dass er mit der PiS-Regierung an einem Strang zieht.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7XMIM6LRRNBSBEGHVBBRXWVFQE.jpg)
Andrzej Duda.
© Quelle: imago images/Eastnews
Oppositions-Kandidat Trzaskowski hat auch einen Nachteil: Als Großstadt-Bürgermeister, der sich demonstrativ für die Rechte von Minderheiten einsetzt, fällt es ihm schwer, die konservativen Menschen auf dem Land zu gewinnen. Er versucht das zu ändern: “Ihr seid nicht meine Feinde”, schreibt er in einem Brief an die PiS-Wähler.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/BM2NDYVWINA7JDMSL2BXRVFW2E.jpg)
Rafal Trzaskowski.
© Quelle: imago images/Eastnews
Präsident Duda bezeichnet Opposition als Virus
Aber die Propaganda des Staatsrundfunks und des Premierministers zielt genau darauf: Trzaskowski sei einer, der polnische Werte verrate, die Kirche nicht ernst nehme und keinen Sinn für Alte und Familien habe. Die wurden in den vergangenen Jahren stark unterstützt, nachdem die Liberalen zuvor den Sozialstaat zurückgefahren hatten.
Der von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS gestellte Duda punktet vor allem bei Wählern mit einem katholisch geprägten Wertesystem in Kleinstädten und auf dem Land. Kürzlich sagte der 48-Jährige über Schwule, Lesben, Bisexuelle und Trans-Menschen: “Man versucht uns einzureden, dass das Menschen sind. Aber es ist einfach nur eine Ideologie.” Die Opposition nannte er im Wahlkampf “einen Virus, schlimmer als das Coronavirus”.
Sollte Duda gewinnen, befürchten Oppositionelle, wäre der Weg frei, um die Aushöhlung des Rechtsstaats nach ungarischem Muster zu vollenden. Der Jurist gilt als Marionette von Parteichef Kaczynski. Und der hat gerade auf einem Treffen des PiS-Jugend gesagt: Nur bei einer Wiederwahl Dudas bliebe Polen eine “Insel der Freiheit”. Die Oppositionellen hingegen skandieren: “Mamy dosc” - uns reicht’s, wir haben genug.