Warum die Briten bei der Impfstoffzulassung schneller waren
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Großbritannien, Wrexham: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, hält ein Fläschchen des potenziellen Corona-Impfstoffs von Oxford/Astra Zeneca, bekannt als AZD1222, in der Hand. (Archivbild)
© Quelle: Paul Ellis/PA Wire/dpa
Berlin. Großbritannien hat das Rennen gemacht: Biontech und der Partner Pfizer haben eine temporäre Notfallzulassung für ihren Impfstoff BNT162b2 von der zuständigen britischen Behörde Medicines & Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) erhalten. Das ist weltweit die erste Zulassung eines breit getesteten Corona-Impfstoffs. Aber warum Großbritannien? Warum geht es dort schneller als bei der Europäischen Zulassungsbehörde EMA? Hat das mit dem Brexit zu tun, wie es Großbritanniens Gesundheitsminister Matt Hancock am Mittwoch erklärt hat?
Großbritannien ist Anfang des Jahres offiziell aus der EU ausgetreten, gleichwohl läuft bis Ende des Jahres noch eine Übergangsphase. In dieser Zeit gilt das europäische Recht grundsätzlich weiter, auch das Arzneimittelrecht. Eigentlich wäre also für Großbritannien weiter die EMA zuständig, auch bei der Zulassung eines Impfstoffs. Grundsätzlich ist es theoretisch aber jedem Mitgliedsstaat der EU möglich, eine Arznei in einem beschleunigten Verfahren auch auf nationaler Ebene ohne Zulassung der EMA auf den Markt zu bringen. Genau genommen war es also nicht der Brexit, der eine solche Einzelzulassung innerhalb der EU rechtlich ermöglichte. Vielmehr war es eine politische Entscheidung, schon vor dem vollzogenen Austritt, in der Impfstofffrage eigene Wege zu gehen.
Eigene Gesetze
London hat in den vergangenen Monaten bereits angefangen, eigene Regelungen für einen solchen Fall zu schaffen – insbesondere mit Blick auf die Corona-Pandemie. Eine der geänderten gesetzlichen Grundlagen ist die Verordnung 174, in der unter anderem eine Notfallzulassung für Arzneimittel und Impfstoffe zur Bekämpfung einer Pandemie geregelt ist. Diese Verordnung war im Herbst novelliert worden, damit unter bestimmten Bedingungen eine sehr schnelle und vorübergehende behördliche Zulassung möglich wird – und zwar unabhängig von den europäischen Regelungen.
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Auf Grundlage dieser Verordnung wurde nun auch der Biontech-Impfstoff vorübergehend zugelassen. Zuvor hatte die Behörde – wie auch die EMA – im sogenannten Rolling-Review-Verfahren schrittweise alle Daten über die klinische Phase-III-Studie von Biontech bekommen. Normalerweise übergeben die Pharmafirmen diese erst, wenn alle Ergebnisse komplett vorliegen.
Keine schnelle Notfallzulassung
Bei der EMA gibt es dagegen diese Art einer temporären Notfallzulassung nicht. Möglich ist nur eine sogenannte bedingte Zulassung. Dabei können Medikamente, für die ein hoher Bedarf besteht, zugelassen werden, obwohl noch bestimmte Daten fehlen. Diese EMA-Zulassung wird für BNT162b2 erwartet, denn hier fehlen zum Beispiel noch Erkenntnisse darüber, wie lange die Immunisierung tatsächlich anhält. Sie müssen später nachgeliefert werden.
Unabhängig von den konkreten gesetzlichen Regelungen in Großbritannien dürfte aber auch klar sein, dass der Regierung in London ein hohes Tempo nicht ungelegen kommt, um der eigenen Bevölkerung den Brexit als Vorteil darstellen zu können. „Wir mussten nicht das Tempo der Europäer gehen, die sich ein bisschen langsamer bewegen”, ätzte Gesundheitsminister Matt Hancock. MHRA-Chefin June Raine beeilte sich aber festzustellen, dass darunter die Sicherheit nicht gelitten habe: „Die Begutachtung war sehr gründlich; jeder kann sicher sein, dass keinerlei Abkürzungen genommen wurden.”