Merkels Erbe und Amthors Gegner
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Georg Günther (links) und Philipp Amthor, die CDU-Kandidaten in den Wahlkreisen 15 und 16.
© Quelle: imago images/BildFunkMV
Berlin. Georg Günther tritt sein Erbe mit vorsichtigen Schritten an. Es ist ein schweres Erbe, es könnte ihm entgleiten. Die Umfragen werden immer knapper, auch im Wahlkreis 15, der die Insel Rügen und die Hansestädte Stralsund und Greifswald umfasst.
Angela Merkel war 16 Jahre Kanzlerin, hier oben im Nordosten war sie fast doppelt so lange direkt gewählte Abgeordnete. Seit 1990 gewinnt Merkel hier für die CDU. Und nun kommt ein 33-jähriger Finanzbeamter mit Wuschelfrisur und soll in der schwersten Krise der Konservativen als Neuling den Wahlkreis sichern.
Er sitzt in Greifswald auf einer Bühne, auf der sein Name nur klein vermerkt ist, viel größer prangt dort derjenige seines Wahlkreisnachbarn: Philipp Amthor. Der hat vor vier Jahren den Wahlkreis 16 in Vorpommern gegen die AfD verteidigt, mit 24 Jahren und scharfem Angriffskurs. Danach wollte er zu schnell zu viel – und auch noch nach New York, aber dazu später.
Amthor hat ein Netzwerk in der CDU, Friedrich Merz ist eng mit ihm. Der hält an diesem Abend in Greifswald eine scharfe Rede, Amthor tut es ihm gleich. Günther spitzt ungern zu, das ist erkennbar nicht seine Welt. Nach dem Auftritt rauschen Merz und Amthor gemeinsam in der schweren Limousine ab, Günther bleibt und beantwortet geduldig weiter Reporterfragen.
Ja, Merkel macht noch einmal mit ihm gemeinsam Wahlkampf. Ja, er war 2006 schon einmal bei ihr im Kanzleramt, auf einer Berlin-Reise mit der Schule. Danach trat er in die Junge Union ein, weil er sich für einen Sportplatz im Ort und gesundes Schulessen am Gymnasium einsetzen wollte.
Und nun ist er hier und putzt Klinken, ist unterwegs. Er glaubt, dass die Stimmung besser ist als die Umfragen. Bedächtig nach Berlin, das scheint sein Ziel. Ist Amthor sein Vorbild, gehört er zu dessen Netzwerk? „Ich werde meinen eigenen Weg gehen“, sagt Günther entschieden.
Aussichtsreiche Kandidaten sind allesamt Jungpolitiker
Anna Kassautzki will ihm diesen Weg abschneiden. „Der Merkel-Wahlkreis muss in weiblicher Hand bleiben“, sagt die 27-Jährige und horcht diesem Satz lächelnd nach, weil er so schön klingt. Die Unimitarbeiterin steht in der Greifswalder Fußgängerzone, flankiert von einer freundlichen Juso-Gang, die Stimmung ist gut, Olaf Scholz grinst von den Flyern.
Der Wahlkampf im Nordosten ist ein Duell in der Altersklasse U35. Kassautzki gegen Günther, Amthor gegen den 35-jährigen Greifswalder Gewerkschafter Erik von Malottki.
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Diese beiden wollen die CDU-Dominanz im Nordosten brechen: Amthor-Gegner Erik von Malottki (links) und Anna Kassautzki.
© Quelle: Jan Sternberg/RND
Knappe Siege führen von hier nach Berlin. Die AfD ist stark, aber nicht mehr ganz so bedrohlich wie vor vier Jahren. Ein bisschen über 20 Prozent und man kann durch sein. Die Umfragen helfen der SPD – und von Malottki hilft sein Gegner. Amthors Affären, der Korruptionsverdacht, die Lobbytätigkeit für die New Yorker Firma Augustus Intelligence, das schadet vor allem bei den Älteren, Bodenständigen.
Von Malottki spielt die Karte voll aus. Er nennt sich „Antikorruptionskandidat“. Beim Haustürwahlkampf auf Usedom sitzt er bei alten Damen auf dem Sofa und sagt: „Amthor kriegt 10.000 Euro pro Monat in Berlin, und das reicht ihm nicht?“
Im Niedriglohnland im Nordosten klingt die Summe unvorstellbar, und viele hören gern, was von Malottki verspricht: höherer Mindestlohn, gute Tarifabschlüsse, ordentliche Renten. Auch Anna Kassautzki in Greifswald stellt die sozialen Themen nach vorne. Es riecht nach Trendwende. Doch nächste Woche kommt noch einmal Merkel in ihre alte politische Heimat. Das Erbe ist noch nicht verteilt.