Von „Geist des Wandels“ bis „Enttäuschung“: So reagiert die internationale Presse auf den Klimapakt von Glasgow
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Der Klimapakt von Glasgow ist von der internationalen Presse mit Skepsis aufgenommen worden.
© Quelle: imago images/Xinhua
Hannover. Zwei Wochen lang haben etwa 40.000 Delegierte auf der Weltklimakonferenz in Glasgow über einen effektiveren Klimaschutz diskutiert. Nach zähen Verhandlungen wurde schließlich am Samstagabend ein gemeinsames Abkommen beschlossen. Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Für große Jubelstimmung hat der Glasgower Klimapakt in der internationalen Presse dennoch nicht gesorgt.
„Corriere della Sera“ (Italien): Es fehlen konkrete Verpflichtungen
„Bei der Enttäuschung über die Ergebnisse der COP26 war die einzige positive Überraschung die gemeinsame Erklärung Chinas und der Vereinigten Staaten. Die Schaffung einer chinesisch-amerikanischen Klimataskforce wird als Signal gewertet, dass die bilateralen Beziehungen die erste Verbesserung seit Jahren erleben. Um sich mit der Hoffnung auseinanderzusetzen, die eine Deeskalation einleiten könnte, kommt es an diesem Montag zum ersten bilateralen Gipfeltreffen der beiden Präsidenten, wenn auch auf Abstand.
In der Klimaerklärung fehlen jedoch konkrete Verpflichtungen: keine verbindliche Angabe zur Kohlenstoffdioxid-Reduktion. Kann man hier Gretas übliche Blabla-Kritik anbringen? Aber die schwedische Aktivistin und ihre Zeitgenossen haben in Peking null Sichtbarkeit. Die umweltschädlichste Supermacht der Welt wird von einem Regime regiert, das der Zivilgesellschaft wenig Selbstständigkeit lässt.“
„The Observer“ (Großbritannien): Diplomatischer Fortschritt zwischen USA und China
„Das bilaterale Abkommen zwischen den USA und China ist – wenngleich recht dünn hinsichtlich konkreter Verpflichtungen – ein reales Zeichen für diplomatische Fortschritte. Mehr als 100 Länder haben sich verpflichtet, die Entwaldung bis 2030 zu beenden. Fünf der reichsten Länder haben 1,7 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung der Naturschutzbemühungen indigener Völker zugesagt. Und die USA und die EU haben eine Initiative zur Reduzierung der Methanemissionen unterzeichnet.
Doch das ist nicht genug. Es gibt zu viele Lücken, zu wenige Zusagen und zu wenig Willenskraft. In letzter Minute wurde die ohnehin schon schwache Entschließung über den Abbau der Subventionen für Kohle und fossile Brennstoffe noch weiter verwässert, so dass sie praktisch bedeutungslos wurde. Einige Länder beteuerten in den letzten Plenarsitzungen, dass sie einfach nicht weiter gehen könnten. Aber sie müssen weiter gehen. Die Katastrophe ist noch nicht unabwendbar, aber die Alarmstufe steht für die Menschheit immer noch auf Rot. Der Preis dafür, die Warnung zu ignorieren, ist unvorstellbar hoch.“
„La Vanguardia“ (Spanien): Umsetzung bleibt abzuwarten
„Die COP26 hat mit Ach und Krach eine Einigung in den umstrittensten Fragen erzielt. Die Abschlusserklärung ruft in abgeschwächter Form zum Ausstieg aus der Subventionierung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen auf, lässt die Schaffung eines Fonds zum Ausgleich für „Verluste und Schäden“ ärmerer Länder durch den Klimawandel aber offen und bekennt sich zum Ziel von höchstens 1,5 Grad plus.
Einer der Stolpersteine war die Mobilisierung von Geldern für die Entwicklungsländer, die am meisten unter der Klimakrise leiden. Sie forderten einen Ausgleich von Klimaschäden, wogegen die USA und die EU Vorbehalte hatten. Aber letztlich haben die ärmeren Länder trotz ihrer Wut die Schlusserklärung nicht blockiert.
Die COP26 hat einige positive Vereinbarungen gebracht, deren Umsetzung indes abzuwarten bleibt. Die wichtigste ist die vereinbarte Zusammenarbeit der USA und Chinas bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Ebenso haben 114 Staaten eine Vereinbarung zur Beendigung der Entwaldung bis 2030 unterstützt. Aber alle diese Vereinbarungen sind nicht bindend und an der Umsetzung solcher Versprechen haperte es schon in der Vergangenheit.“
„The Sunday Times“ (Großbritannien): Geist des Wandels ist da
„Kritiker werden erwartungsgemäß sagen, es habe auf der Konferenz nicht genug Ambitionen gegeben, besonders bei der Einschränkung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Ein Vorwurf, der durch das Manövrieren in letzter Minute gestärkt wurde. Und für die Klimademonstranten ist der deprimierende Abschluss ein gefundenes Fressen. Doch wenn es stimmen würde, wie sie sagen, dass all diese Gipfelkonferenzen nur für Palaver gut und Spitzenpolitiker nur Halunken sind, die Aktionen versprechen, aber nichts unternehmen, was sollte dann den Rest von uns veranlassen, den Klimawandel ernst zu nehmen?
Die meisten Menschen wollen es richtig machen und nicht in Kraftstoff verschlingenden SUVs über die Straßen donnern oder die Thermostate bis zum Anschlag aufreißen. Doch warum sollten wir uns ändern, wenn unsere Anstrengungen als unnütz abgetan werden? Der Geist des Wandels ist da, und er wurde durch COP26 gestärkt. … Die Konferenz konnte niemals der ungetrübte Triumph werden, auf den einige gehofft hatten. Doch sie hat den Fokus geschärft und einige wichtige Fortschritte erreicht. Es ist nun an den Regierungen, die Veränderungen vorzunehmen, die sich die Menschen wünschen.“
„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): 1,5-Grad-Ziel gestorben
„Unablässig wurde in den vergangenen zwei Wochen auf der Weltklimakonferenz in Glasgow das Ziel beschworen: Die 1,5 Grad müssen am Leben erhalten werden. Schon in diesem Bild steckte der Kern des Zweifels und der Resignation; das Ableben eines sterbenden Patienten sollte durch verzweifelte Rettungsmaßnahmen hinausgezögert werden. Nun ist die Konferenz zu Ende, und der Patient ist tot. Den 197 Unterzeichnerstaaten der Uno-Klimakonvention von 1992 ist es trotz zahlloser wohlklingender Reden ihrer Politiker nicht gelungen, einen überzeugenden Weg aufzuzeigen, der die bis zum Ende des Jahrhunderts erwartete Erwärmung der Erde auf 1,5 Grad begrenzen würde. …
Zwar ist das 1,5-Grad-Ziel realistisch betrachtet gestorben, doch die weltweite Klimapolitik ist so lebendig und aktiv wie nie zuvor. Die Schuld am Ableben des Klimaschutzziels liegt nicht allein bei der Klimakonferenz und den Tausenden Delegierten in Glasgow. Vielmehr waren die Erfolgsbedingungen von Anfang an dermaßen schlecht, dass jeder auch noch so bescheidene Fortschritt zu globaler Kooperation schon als kleines Wunder gelten muss.“
„Der Standard“ (Österreich): Abschwächung des Pakts „unverzeihlich“
„Rund 26 Jahre hat es gedauert, bis sich ein längst bekannter kausaler Zusammenhang in der Erklärung einer Klimakonferenz niederschlug: Wenn wir wollen, dass der Klimawandel aufhört, müssen wir auch aufhören, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Aber gut: Wo im Konsens beschlossen wird, ist Politik eben schwerfällig, besonders wenn es knapp 200 Staaten sind, die verhandeln.
Unverzeihlich ist hingegen das Vorgehen mancher Länder bei der Klimakonferenz, diese späte Einsicht doch noch abzuschwächen. Nahe war die Erklärung, komplett aus der Kohle auszusteigen und Förderungen für fossile Brennstoffe einzustellen, bevor sie von Indien, China und anderen verwässert wurde. Das schmälert das sonst durchaus positive Ergebnis des Klimagipfels. Ernsthaften Klimaschutz zu betreiben, ohne eine ehrliche Debatte über fossile Energie führen zu wollen, ist genauso Realitätsverweigerung wie das Ende von Corona herbeizusehnen, aber gleichzeitig die Impfung zu verweigern.“
RND/dpa/jst