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Vierkampf nach dem TV-Triell: Lindner „fehlt die Fantasie“ für Koalition mit Rot-Grün

Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler (von links), FDP-Chef Christian Lindner, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel haben am Donnerstag im TV-Vierkampf diskutiert.

Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler (von links), FDP-Chef Christian Lindner, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel haben am Donnerstag im TV-Vierkampf diskutiert.

Hannover. Nur einen Tag nach dem zweiten TV-Triell mit den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) sind am Montag die Spitzenkandidaten der CSU sowie der derzeitigen Oppositionsparteien aufeinandergetroffen. Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl kämpften Janine Wissler (Linke), Christian Lindner (FDP), Alexander Dobrindt (CSU) und Alice Weidel (AfD) in einem TV-Vierkampf bei ARD um Wählerstimmen. Vor allem die Debatten um Renten sowie Klima- und Umweltschutz sorgten für Feuer in der von Ellen Ehni (WDR) und Christian Nitsche (BR) moderierten Runde.

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Neben der inhaltlichen Diskussion setzte das Format auch auf Schnellfragerunden, die die Kandidatinnen und Kandidaten mit Daumen hoch oder Daumen runter beantworten mussten. Los ging es mit der Frage um die Einführung eines Tempolimits, das genauso wie bei einer Einführung einer Reichensteuer lediglich bei Wissler aus der Linken auf Zustimmung traf. Einstimmig stimmten die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten dafür gegen eine Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen und die Erhöhung des Rentenalters.

Sendung beginnt mit dem Thema Rente

Mit dem Thema Rente begann dann die inhaltliche Diskussion. Dabei zeigte sich eine Schnittmenge zwischen Linke und AfD. Sowohl Wissler als auch Weidel plädierten dafür, dass künftig auch Politikerinnen und Politiker sowie Beamtinnen und Beamte in die Rentenkasse einzahlen müssen. „Wir brauchen mehr Menschen in der Rente“, so die Linken-Kandidatin, die zudem das Wahlalter auf 65 absenken will. „Rente ab 67 ist eine Rentenkürzung, denn viele können nicht bis 67 arbeiten“, sagte sie.

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Dobrindt sprach sich für eine „Generationenrente“ als vierte Säule im Rentensystem aus. Gleichermaßen forderte er die Ausweitung der Mütterrente. Christian Lindner monierte derweil, dass das „System, wie es jetzt ist, nicht mehr nachhaltig finanziert“ sei. Er forderte die Option eines Staatsfonds nach skandinavischem Vorbild, das auch von Weidel vorgeschlagen wurde.

Parteien mit unterschiedlichen Ansätzen beim Thema Bildung

Beim Thema Chancengleichheit in der Bildung sah Lindner den Bund in der Verantwortung. „Das Gegeneinander der 16 Bundesländer sorgt nicht für Chancengleichheit“, so der FDP-Chef. Wissler beanstandete das bestehende System. Um soziale Ungleichheit zu überwinden, müsse für Kinder mit Migrationshintergrund und benachteiligte Kinder längeres gemeinsames Lernen ermöglicht werden.

Für die AfD würde der Weg zunächst über Steuerentlastungen für Familien gehen, so Weidel. Gleichermaßen plädierte sie für mehr Investitionen in die Digitalisierung, ohne konkreter zu werden. Auch Dobrindt griff bei der Digitalisierung an und forderte: „Wir müssen dem Digitalpakt Schule mehr Leben einflößen.“ 6,5 Milliarden Euro würden nicht reichen. Zudem müssten weiter digitale Elemente aus der Corona-Pandemie im Unterricht genutzt werden.

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Steuern: ZEW-Studie wird von Lindner und Weidel infrage gestellt

Eine aktuelle ZEW-Studie diente dem Moderatorenduo als Grundlage für den Themenkomplex Steuern. Die Studie ergab, dass die AfD vor allem Besserverdienerinnen und Besserverdiener bevorzugen will. Für Weidel seien die Zahlen der Analyse „inkorrekt“. Auch Lindner zweifelte an der „Seriosität der Studie“, obwohl die FDP danach alle Einkommensschichten entlasten würde – vor allem aber Besserverdienende. Wie der FDP-Chef sprach sich auch der CSU-Kandidat für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus. „Wir wollen die wirtschaftliche Dynamik wiedergewinnen.“ Mit Steuererhöhungen sei dies nicht möglich.

Vor allem gegen die Linke schossen die übrigen Teilnehmer, weil sich Wissler für eine Besteuerung von 75 Prozent bei Einkommensmillionärinnen und -millionären aussprach. Die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten kritisierten, dass besonders der Mittelstand davon betroffen sei. Sie verteidigte das Vorhaben, das nur das private Einkommen betreffen solle: „Wir brauchen einen Ausgleich von oben nach unten.“

AfD und Linke wollen Russland als Partner

Nach der Schnellfrage, ob die Parteien aus der Nato austreten würden, diskutierten die Spitzenkandidaten über ihre Pläne zur Außenpolitik. Wissler stimmte für einen Ausstieg und sprach sich für ein neues „kollektives Sicherheitsbündnis“ mit russischer Beteiligung aus. Trotz Krimbelagerung und dem kritisierten Umgang mit Oppositionellen brauche es „kein Säbelrasseln“, sondern eine „weltweite Abrüstungs- und Entspannungspolitik“. Weidel machte sich für ausgewogene Partnerschaften mit den USA und Russland stark – und China. In diesem Zuge kritisierte sie zudem die Sanktionen gegen Russland als „wirtschaftsschädigend“ für Deutschland.

Lindner feuerte gegen Wissler und Weidel. Eine Gleichsetzung der USA mit Russland und China sei falsch. Immerhin seien die USA ein verlässlicher Partner, „der die gleichen Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaftlichkeit teilt“. Es bestünde aber die Bereitschaft zum Dialog mit Russland und China, sofern sie die Regeln des Völkerrechts sowie des freien und fairen Welthandels achten würden.

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Dobrindt wurde gefragt, wie es passieren konnte, dass polizeibekannte Afghanen nach Deutschland ausgeflogen wurden. Er verteidigte das Vorgehen der Bundesregierung: „Es war eine Entscheidung, dass wir möglichst viele aus der Hölle von Kabul ausfliegen müssen.“ Deshalb sei die Risikoanalyse auf Deutschland ausgelagert worden. Straftäter müssten aber sofort in Abschiebehaft.

Weidel zum deutschen Klimaschutzweg: „Über uns lacht das Ausland“

Hitzig wurde es beim Klimaschutz. Für FDP-Chef Lindner müsse Deutschland bei der globalen Aufgabe Vorbild werden. Der Anspruch: „Technologieweltmeister“. Die Chance: ein „Update des deutschen Geschäftsmodells“. Grüne Wasserstoffwindparks, das Aufforsten von Wäldern und eine klimaneutrale Autoflotte seien Ziele. Energieimporte von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen seien dennoch unausweichlich. CSU-Kandidat Dobrindt warb für einen technologischen Fortschritt mit Wasserstoff als Zukunft. Einen früheren Kohleausstieg hielt er für möglich.

Wissler sprach sich gegen einen teureren CO₂-Ausstoß aus. „Es braucht eine Alternative für eine Verhaltensänderung.“ Sie forderte einen früheren Kohleausstieg, den Umstieg auf erneuerbare Energien und eine Verkehrswende. Dobrindt konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen: „Nicht nur, wenn man grün wählt, kann man den Autoschlüssel in die Wahlurne hinterherschmeißen. Auch wenn man die Linke wählt.“ Weidel sprach sich für die AfD deutlich gegen den Kohleausstieg aus. Der „Flatterstrom“ aus der Windenergie sei nicht ausreichend. Generell sei der deutsche Sonderweg beim Klimaschutz falsch: „Über uns lacht das Ausland.“

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Koalition mit Rot-Grün: Linke würde, FDP „fehlt die Fantasie“

Bei der Frage zur potenziellen Regierungsbildung wurde Weidel gefragt, ob sie Laschet als Kanzler wählen würde. Die knappe Antwort: „Nein.“ Derweil strebe Wissler weiter eine Koalition mit SPD und Grünen an, obwohl Baerbock bei einem potenziell rot-grün-roten Bündnis keine Regierungsgrundlage sieht. Die Linke-Spitzenkandidatin verwies auf die Parallelen mit den beiden Parteien beim Klimaschutz, in der Wohnungspolitik sowie beim Mindestlohn. Auch Lindner wurde nach einer möglichen Regierung mit Rot-Grün gefragt. Ohne konkret abzusagen, machte er jedoch deutlich: „Mir fehlt die Fantasie, welches Angebot Rot-Grün der FDP machen kann.“ So seien höhere Steuern und das Aufweichen der Schuldenbremse mit der FDP nicht möglich. Er habe bereits 2017 bewiesen, dass die FDP für keine Linksverschiebung zur Verfügung stehe.

Ob die Union eine Deutschland-Koalition unter SPD-Führung mitmachen würde, wurde CSU-Kandidat Dobrindt gefragt. Seine Antwort: „Als CDU und CSU haben wir den Anspruch, eine Koalition zu führen.“ Ein bürgerliches Bündnis von Schwarz-Rot-Gelb sei unter Führung von Armin Laschet „eine Möglichkeit, aber nicht unter der SPD“.

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