Warum die Militärhotline zwischen Peking und Washington eingefroren ist
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Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu (Archivbild).
© Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Peking. Am Wochenende hatte US‑Verteidigungsminister Lloyd Austin um ein Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Li Shangfu gebeten. Das Gespräch hätte am Rande des Shangri La-Sicherheitsdialogs in Singapur stattfinden und angesichts der rekordhohen Spannungen zwischen den zwei Weltmächten für Deeskalation sorgen sollen. Doch dazu sollte es nicht kommen: Peking lehnte das Gesprächsangebot der Amerikaner mit ungewöhnlich schroffen Worten ab.
Am Dienstag schließlich untermauerte die chinesische Regierung erneut ihre Position. Erst wenn die Vereinigten Staaten „unverzüglich ihre falschen Praktiken korrigieren“ und „die notwendige Atmosphäre“ für ein Treffen schaffen würden, sei man zum Reden bereit. Ohne Frage: Es ein rhetorisch rauer Wind, der derzeit von Peking nach Washington weht.
USA und China: Vor zehn Jahren noch 40 bilaterale Treffen pro Jahr – vergangenes Jahr waren es nur vier
Und für die internationale Staatengemeinschaft geben die Beziehungen zwischen den zwei führenden Volkswirtschaften Anlass zur tiefen Sorge. Denn wer immer dieser Tage sich innerhalb Washingtoner Denkfabriken oder Pekinger Regierungskonferenzen umhört, ist nicht selten schockiert ob der jeweiligen Wahrnehmung des Gegenübers. Eine militärische Auseinandersetzung scheint mittlerweile nicht mehr nur wieder ein denkbares Szenario, sondern bisweilen wie eine wahrscheinliche Option.
Dass nun selbst die grundlegendsten Kommunikationskanäle zwischen den zwei Staaten eingefroren sind, erhöht die Risiken zusätzlich. Noch 2013 gab es insgesamt 40 bilaterale Treffen zwischen Militärvertretern, im Vorjahr waren es lediglich vier. Dabei sind solche Gespräche essenziell wichtig – allein schon, um im Ernstfall Missverständnisse und Fehleskalationen zu vermeiden. Mögliche Anlässe gab es in jüngster Vergangenheit bereits zur Genüge, zuletzt etwa beim Abschuss des chinesischen Spionageballons auf amerikanischem Territorium.
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Schuld an der bedenklichen Entwicklung sind vor allem die gehäuften Absagen aus Peking. Ein ganz offensichtlicher Grund liegt auf der Hand: Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu steht seit Herbst 2018 auf der US‑Sanktionsliste, da er laut Angaben des Weißen Hauses an „an bedeutenden Transaktionen“ beteiligt war, bei denen es unter anderem um die Lieferung russischer Kampfflugzeuge nach China ging. „Wenn der US‑Verteidigungsminister unter chinesischen Sanktionen stünde, würde er dann ein Gesprächsangebot annehmen?“, kommentierte Dennis Wilder, Sinologe von der Washingtoner Georgetown-Universität.
Chinesischer Verteidigungsminister auf US‑Sanktionsliste
Ein weiterer Aspekt ist scheinbar trivial: Chinas Anreize, den Dialog mit der US‑Regierung zu forcieren, sind auch aufgrund des Zeitpunktes überaus gering. Man weiß natürlich bestens um den Wahlzyklus in Washington Bescheid, und dass der populistische Stimmenfang schon jetzt das Handeln der US‑Regierung beeinflusst. Zudem ist jede investierte Mühe eine ungewisse Wette in die Zukunft: Spätestens im nächsten November könnte bereits ein anderer Präsident im Amt sein, möglicherweise gar Donald Trump. Der zeitliche Horizont der kommunistischen Partei hingegen reicht über Dekaden.
Doch darüber hinaus kommen immer mehr Parteikader in Peking zu dem Entschluss, dass der Dialog mit den USA ohnehin verschwendete Zeit sei. Die Standpunkte seien derart diametral, ein inhaltlicher Austausch nahezu unmöglich. Und am Ende, so heißt es, würde Washington an der vorgeworfenen „Eindämmungspolitik“ ohnehin festhalten. Eine neue Nummer eins würden die USA keineswegs dulden.
Wie funktioniert die Wachablösung der Weltmächte?
In einer Stellungnahme gegenüber dem „Wall Street Journal“ bringt es ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington unmissverständlich auf den Punkt: „Die USA versuchen, China mit allen möglichen Mitteln zu unterdrücken, und sie verhängen weiterhin Sanktionen gegen chinesische Beamte, Institutionen und Unternehmen. … Ist eine solche Kommunikation wirklich aufrichtig?“
Früher argumentierte man in Peking noch, dass ein weitgehend friedliches Ablösen zwischen zwei Weltmächten möglich sei, wie es etwa zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war. Mittlerweile wird hingegen fast ausschließlich die sogenannte Thukydides-Falle herangezogen: Sie beschreibt, in historischer Anlehnung an den Konflikt zwischen Athen und Sparta, die hohe Wahrscheinlichkeit für einen Krieg, wenn eine aufstrebende Macht einen bestehenden Hegemon abzulösen droht.
Doch angesichts der wirtschaftlich schleppenden Erholung, des drohenden demografischen Wandels und der geopolitischen Spannungen dürfte Chinas Weg an die Spitze ohnehin deutlich länger dauern, als es die meisten Ökonomen noch vor der Pandemie prognostiziert hatten.