„Es ist mir scheißegal, ob sie Waffen haben“

Ex-Praktikantin belastet Trump schwer – sogar Fox News ist verblüfft

Cassidy Hutchinson, ehemalige Mitarbeiterin im Weißen Haus, legt ihre Aussage unter Eid ab.

Cassidy Hutchinson, ehemalige Mitarbeiterin im Weißen Haus, legt ihre Aussage unter Eid ab.

Noch vor wenigen Jahren vergoss Cassidy Hutchinson nach eigener Aussage Freudentränen, als sie ein Praktikum im Weißen Haus ergatterte. Schon wenige Monate später jedoch sei ihre Euphorie in Abscheu umgeschlagen, als sie Donald Trumps Verhalten rund um die Erstürmung des US-Kapitols beobachtet habe, sagt Hutchinson in der Anhörung des Untersuchungsausschusses im Repräsentantenhaus unter Eid aus. Was die Mittzwanzigerin in ruhigem und nüchternem Ton berichtet, jagt schon bald neue Schockwellen durch das politische Washington.

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Ins Weiße Haus kam Hutchinson im März 2020 kurz nach ihrem Abschluss an der Christopher Newport University im Staat Virginia. Sie wurde eine enge Assistentin von Trumps damaligem Stabschef Mark Meadows. Schon Monate später habe sie in Zimmern gesessen, wo Mitarbeiter des damaligen Präsidenten beraten hätten, wie sich das Ergebnis der Wahl kippen lassen könnte, schildert Hutchinson.

Am Morgen des 6. Januar 2021 sei der Secret-Service-Agent Tony Ornato ins Weiße Haus gekommen, um Meadows zu warnen: Zahlreiche Anhänger Trumps, die seine geplante Kundgebung an der Ellipse hinter der Regierungszentrale besuchen wollten, hätten Pistolen und andere Waffen, sagt er laut Hutchinson. Einige hätten an Fahnenmasten aufmontierte Speere dabei. Meadows sei in sein Smartphone vertieft gewesen und habe zunächst gar nicht aufgeschaut, erläutert seine damalige Praktikantin. Erst später habe er Ornato gefragt, ob dieser Trump darüber informiert habe. Der Agent habe dies bejaht.

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„Lasst meine Leute rein“

Dennoch habe der damalige Präsident nicht etwa angeordnet, seine Unterstützer vom Marsch aufs Kapitol abzuhalten, sagt Hutchinson. Vielmehr habe Trump gefordert, die Metalldetektoren am Zugang zur Kundgebung zu entfernen. „Sie sind nicht da, um mir etwas anzutun. Nehmt die Scheißdetektoren da weg. Lasst meine Leute rein. Sie können von hier aus zum Kapitol marschieren“, zitiert Hutchinson ihn. Er habe auch etwas gesagt wie: „Es ist mir scheißegal, ob sie Waffen haben.“

Nach seiner Rede auf der Kundgebung, in der er seine Unterstützer anstachelte, „wie die Hölle zu kämpfen“, geriet Trump demnach in Rage, weil er zum Weißen Haus zurückgefahren wurde, und nicht zum Kapitol. In seiner Wut habe er versucht, einem seiner Leibwächter vom Secret Service mit den Worten „Ich bin der verdammte Präsident“ das Lenkrad zu entreißen, um offenbar selbst zum Kongresssitz zu fahren.

Ex-Präsident Trump wollte US-Wahl mithilfe des Justizministeriums kippen

Der damalige US-Präsident Trump wollte seine Wahlniederlage nicht einräumen. Deswegen versuchte er, auch das Justizministerium für seine Zwecke einzuspannen.

Hutchisons Schilderungen liefern erstmals tiefere Einblicke in Trumps mutmaßliche Rolle beim tödlichen Sturm seiner Anhänger aufs Kapitol. Ihre Aussage befeuert auch die Frage, ob der Ex-Präsident selbst und Mitglieder seines inneren Zirkels strafrechtlich belangt werden könnten. Mick Mulvaney, der Vorgänger Meadows im Amt des Stabschefs, bringt es in Tweets während der Anhörung Hutchinsons auf den Punkt: „Wenn der Präsident wusste, dass die Protestler Waffen hatten, und er sie dennoch ermutigte, zum Kapitol zu gehen, ist das ein ernstes Problem“, schreibt er.

Trump feuert gegen Hutchinson

Während Hutchinson vor dem Untersuchungsgremium aussagt, gerät sie ins Visier Trumps. Über seine eigene Social-Media-Plattform Truth Social feuert er eine Breitseite nach der anderen ab und spottet unter anderem über ihre Körpersprache und ihre Handschrift. Er kenne Hutchinson kaum, habe aber sehr negative Dinge über sie gehört, schreibt Trump. Sie sei eine „totale Lügnerin und Informantin“.

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Meadows Anwalt George Terwilliger sagt der Nachrichtenagentur AP, dass Hutchinsons Aussage „nicht mal einem fünfminütigen Kreuzverhör standhalten“ würde. Ihre meisten Angaben beruhten auf Hörensagen und wiesen einen Mangel an Wissen aus erster Hand auf. Terwilliger nimmt seinen Mandanten auch gegen den Eindruck in Schutz, dass ihn die drohenden Gewaltexzesse durch Trumps Anhänger nicht gekümmert hätten. Meadows sei zum Multitasking in der Lage und dafür bekannt, in Krisen ruhig zu bleiben, sagt der Anwalt mit Blick auf Hutchinsons Aussage, dass ihr damaliger Chef sich trotz der Warnungen des Agenten nicht von seinem Handy habe losreißen können.

Lob von unerwarteter Seite

Doch von Seite der Trump-Sympathisanten gibt es auch unerwartetes Lob: Bret Bair, politischer Kommentator bei Fox News, bezeichnete Hutchinsons Aussage als „verblüffend“ und „überzeugend“. Mit Blick auf Donald Trump sagte Bair: „Cassidy Hutchinson steht unter Eid auf dem Capitol Hill. Der Präsident hängt bei Truth Social und macht seine Statements.“ Wegen Hutchinsons Nähe zur Macht seien ihre Aussagen „sehr, sehr kraftvoll“. Die Schilderungen der Zeugin seien etwas Neues.

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„Ich wusste ja, dass ihre Zeugenaussage belastend sein würde“, twittert Alyssa Farah Griffin, eine für Kommunikation zuständige Ex-Mitarbeiterin im Weißen Haus, die nach eigenen Angaben mit Hutchinson befreundet war. „Ich hatte keine Ahnung, dass es so vernichtend sein würde. Ich bin so dankbar für ihre Courage und Integrität.“

Auch Hutchinsons Anwälte Jody Hunt und William Jordan unterstreichen die Aufrichtigkeit ihrer Mandantin. Um die Aufmerksamkeit, die ihre Zeugenaussage bringe, gehe es Hutchinson nicht. Vielmehr glaube sie, dass es „ihre Pflicht und Verantwortung gewesen sei, den Ausschuss mit wahrheitsgemäßen und unvoreingenommenen Beobachtungen der Ereignisse rund um den 6. Januar zu versorgen“, heißt es in einer Stellungnahme. „Frau Hutchinson ist der Ansicht, dass der 6. Januar ein furchtbarer Tag für das Land war, und es entscheidend für die Zukunft unserer Demokratie ist, dass er sich nicht wiederholt.“

RND/AP/sebs

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