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Kritik an rigidem Florida-Gesetz

Warum Trump bei Abtreibungen jetzt einen Deal machen will

Für seine rechtskonservativen Wähler präsentiert sich Trump – hier 2020 mit der Bibel in der Hand vor der St.‑Johns-Kirche in Washington – gern als frommer Christ. Doch deren Kampf für Abtreibungsverbote geht ihm nun zu weit.

Für seine rechtskonservativen Wähler präsentiert sich Trump – hier 2020 mit der Bibel in der Hand vor der St.‑Johns-Kirche in Washington – gern als frommer Christ. Doch deren Kampf für Abtreibungsverbote geht ihm nun zu weit.

Washington. Viele fromme Evangelikale waren gerade in der Kirche, als ihr politisches Idol eine kleine Bombe zündete. Ex‑Präsident Donald Trump hatte am Sonntagmorgen bei der NBC‑Talkshow „Meet the Press“ schon minutenlang über die angeblich gestohlene Wahl gewettert, als ihn die Moderatorin Kristen Welker endlich zur Beantwortung einer Sachfrage drängen konnte. Was er von dem rigiden Abtreibungsgesetz seines Rivalen Ron DeSantis halte, der Schwangerschaftsabbrüche in Florida nach der sechsten Woche kriminalisiert, wollte sie wissen. „Ich denke, das ist eine schreckliche Sache und ein furchtbarer Fehler“, antwortete Trump.

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Für die rechte Basis des führenden republikanischen Präsidentschaftsbewerbers dürfte die Replik ein kleiner Schock sein. Irrtümlich herausgerutscht ist sie dem Mann, der mit der Ernennung von drei rechten Verfassungs­richtern den Weg für die Abschaffung des Abtreibungsrechts in den USA ebnete, aber sicher nicht. Ein halbes Jahrhundert haben die Konservativen gegen das Urteil „Roe v. Wade“ von 1973 gekämpft. Doch der Jubel über seine Aufhebung im vergangenen Sommer durch den Supreme Court dauerte nicht lang. Längst ist der Streit über die Abtreibung zum Problem für die Republikaner geworden.

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Zwar haben in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 21 Bundesstaaten von Idaho über Texas bis Alabama teilweise extrem weitreichende Abtreibungsverbote beschlossen. Doch schon bei den Zwischen­wahlen im vorigen November konnten die Demokraten mit dem Kampf für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen punkten. Im republikanischen Ohio gibt es eine Bürgerbewegung, die das Recht auf Abtreibung in die Verfassung des Bundesstaates aufnehmen will. Der Versuch der Republikaner, dies durch eine Anhebung des erforderlichen Quorums von 50 auf 60 Prozent zu verunmöglichen, ist im August bei einer Volksabstimmung krachend gescheitert.

Frauen und Wechselwähler lehnen ein radikales Verbot ab

Vor ein paar Wochen ließen sich die Republikaner im Senat nach einem Bericht des „Wall Street Journals“ über die Stimmung unter ihren Wählerinnen und Wählern informieren. Demnach kommt „Pro-Life“, der Schlachtruf der Lebensschützer, vor allem bei Frauen in den Vorstädten und Wechselwählern nicht mehr gut an, weil er mit einem Abtreibungs­verbot ohne Ausnahmen gleichgesetzt wird. Laut einer Umfrage der Nachrichten­agentur AP befürwortet rund die Hälfte der Amerikanerinnen und Amerikaner eine Straffreiheit bis zur 15. Schwangerschaftswoche. Auch 29 Prozent der republikanischen Wählerinnen und Wähler stimmen dem zu.

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Diese Position nimmt nun auch Trump ein. „Die Demokraten wollen, dass man Babys noch nach der Geburt töten darf“, zeichnete er in der Talkshow ein bizarres Horrorgemälde: „Die Demokraten sind die Radikalen.“ Auf der anderen Seite drohe ein totales Verbot der Abtreibung das Land weiter zu spalten. „Die Leute reden über 15 Wochen“, beschrieb er einen möglichen Kompromiss: „Ich werde mich mit beiden Seiten zusammen­setzen und etwas verhandeln“, sagte er: „Man muss mit einer Zahl von Wochen oder Monaten kommen, die die Menschen glücklich macht.“

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Enttäuschung bei den religiösen Rechten

Der höchst kontroverse Schutz des ungeborenen Lebens als Exempel für die „Dealmaker“-Qualitäten des Kandidaten? Viele Vertreter der religiösen Rechten sind entsetzt. „Das bestätigt einmal mehr, dass Trump nicht mehr der ist, den wir kannten“, sagte Steve Deace, ein konservativer Talkshow-Moderator aus Iowa, der „New York Times“: Der neue Trump attackiere Republikaner nur noch „von der linken Seite“.

Freilich käme es bei Trumps angeblichem Kompromissvorschlag auf die Ausgestaltung an. Eine 15‑Wochen-Regel propagiert nämlich auch dessen frömmelnder Ex‑Stellvertreter Mike Pence. Allerdings will er per Bundesgesetz Abtreibungen nach dieser Frist bundesweit unter Strafe stellen. Das würde die derzeitigen Gesetze in New York oder Kalifornien, wo Schwangerschaftsabbrüche auch später noch legal sind, verschärfen, während republikanische Bundestaaten deutlich rigidere Regeln beschließen könnten. Auf Nachfragen vermied Trump eine Festlegung, ob auch er eine solche nationale Strafvorschrift wolle: „Es könnten die Staaten oder der Bund regeln. Das ist mir ehrlich gesagt egal.“

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