Gericht in Neuseeland bezeichnet Wahlalter von 18 Jahren als „diskriminierend“
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Teilnehmer einer Demonstration in Wellington halten Protestschilder.
© Quelle: Nick Perry/AP/dpa
Sydney. Mit dem Urteil haben junge Menschen in Neuseeland Geschichte geschrieben: Am Montag schlug sich der Oberste Gerichtshof des Landes auf die Seite einer Gruppe junger Aktivisten, die argumentierten, dass das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden sollte. Die Gruppe startete ihre Kampagne kurz nach Beginn der Schulstreiks für mehr Klimaschutz. Es gelang den Organisatoren, Zehntausende Teenager im ganzen Land zu mobilisieren. Ihr Argument, dass jüngere Menschen bei Themen wie der Klimakrise ein Mitspracherecht brauchen, weil diese sie härter treffen wird als den bereits älteren Teil der Gesellschaft, überzeugte auch das Gericht.
Das Urteil erregte vor allem auch deswegen Aufsehen, da es vonseiten des Gerichts hieß, das aktuelle Wahlalter von 18 Jahren sei „diskriminierend“ und verletze die Menschenrechte der jungen Generation.
„Klare rechtliche und moralische Botschaft“
Trotzdem geht der Beschluss des Gerichts nun nicht gleich mit einer Änderung des Wahlalters in Neuseeland einher. Letzteres kann nur das Parlament in Wellington entscheiden. Doch das Urteil vom Montag legt immerhin die Grundlage dafür, dass der Gesetzgeber eine derartige Änderung zumindest in Betracht ziehen muss. „Das ist Geschichte“, sagte Caeden Tipler, eine der Aktivistinnen, die die Kampagne mit leitete, lokalen Medien. Mit dem Urteil habe das Gericht eine „klare rechtliche und moralische Botschaft“ gesendet.
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Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern reagierte umgehend. Noch am gleichen Tag kündigte die Sozialdemokratin an, dass die Regierung einen Gesetzentwurf vorbereiten werde, der vom Parlament diskutiert werden soll. Ardern sagte, sie persönlich unterstütze die Änderung des Wahlalters auf 16, werde die Frage aber dem Parlament vorlegen. „Unserer Ansicht nach ist dies ein Thema, das am besten im Parlament platziert wird, damit jeder zu Wort kommen kann“, sagte sie am Montag. Die Grüne Partei machte ihre Unterstützung bereits öffentlich: Golriz Ghahraman, Sprecherin der Grünen zum Thema Wahlreform, sagte in einer Erklärung zu dem Urteil. „Junge Menschen verdienen ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, die sie jetzt und in Zukunft betreffen.“
Österreich als Vorreiter in Europa
Sollte der Gesetzesvorschlag vom Parlament in Wellington abgesegnet werden, wäre Neuseeland mit der Entscheidung nicht das erste Land, das 16-Jährigen das Wahlrecht gibt. Obwohl das Wahlalter in den meisten Ländern bei 18 oder sogar 20 Jahren liegt, gibt es mehrere Länder, die ihre jungen Bürger bereits ab 16 Jahren an die Wahlurne lassen. Dazu gehören Brasilien, Ecuador, Nicaragua, Kuba und Argentinien beispielsweise. In Europa dürfen 16-jährige Jugendliche in Malta und in Österreich wählen.
Österreich war 2007 das erste Land in Europa, das 16-Jährige an der Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalwahl ihr Kreuz setzen ließ. In Deutschland liegt das Wahlalter bei der Bundestags- und Europaparlamentswahl bei 18 Jahren. Doch bei der Landtagswahl beziehungsweise Bürgerschaftswahl in Baden-Württemberg, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen ist die Teilnahme an der Wahl auch schon 16-Jährigen erlaubt. Auch bei den Kommunalwahlen wird 16-Jährigen in vielen Bundesländern bereits ein Abstimmungsrecht gegeben.
Kontroverser Vorschlag eines Akademikers
Die Debatte, das Wahlalter zu senken, wird inzwischen international geführt – nicht zuletzt deswegen, da politische Entscheidungen langfristige Folgen haben können, die dann vor allem die jungen Generationen verstärkt treffen. Der britische Akademiker David Runciman argumentiert deswegen sogar, das Wahlalter auf sechs Jahre zu senken. Seiner Meinung nach führe die alternde Bevölkerung dazu, dass junge Menschen immer mehr in der Unterzahl und damit benachteiligt seien. Doch für sein Argument gibt es weltweit bisher kein Beispiel in der Praxis. Auch das neuseeländische Gericht machte deutlich, dass das Urteil nur für Personen ab 16 Jahren gelte und nicht so ausgelegt werden könne, dass damit Menschen jeden Alters, also auch Kleinkinder, gemeint seien.
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Das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken, würde Neuseeland gut zu Gesicht stehen. Denn trotz seiner isolierten Lage im Pazifik und den gerade mal fünf Millionen Einwohnern ist das Land gern vorne mit dabei, wenn es um wegweisende Gesetze geht. Nicht umsonst war das Land 1893 das erste weltweit, das Frauen das Wahlrecht gab. Und auch danach fiel Neuseeland immer wieder mit fortschrittlichen Ideen und Gesetzen auf: 2018 wurde verkündet, dass das Land zweisprachig werden soll und ab 2025 sämtliche Schulen neben Englisch auch die indigene Maori-Sprache unterrichten werden. Außerdem arbeitet das Land daran, per Gesetz rauchfrei zu werden.